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Angeklagter nach Messerangriff will sich zur Tat äußern


Staatsschutzverfahren
Angeklagter nach Messerangriff will sich zur Tat äußern

Von dpa
Aktualisiert am 20.02.2025 - 15:25 UhrLesedauer: 4 Min.
Angeklagter nach Messerangriff will sich zur Tat äußernVergrößern des Bildes
Der Angeklagte Sulaiman A. sitzt beim Prozessauftakt im Gerichtssaal. (Archivbild) (Quelle: Marijan Murat/dpa/dpa-bilder)
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Ein Afghane verletzt im Mai sechs Menschen mit einem Messer – ein Polizist stirbt später. Im Verfahren gegen ihn berichtet der Angeklagte von seinem Leben. Später will er sich auch zur Sache äußern.

Der Angeklagte im Verfahren nach der tödlichen Messerattacke auf dem Mannheimer Marktplatz will sich im Verlauf des Prozesses zur Tat und den Vorwürfen gegen ihn äußern. Dies bestätigte sein Verteidiger Axel Küster auf Nachfrage. Wann dies genau sein wird, war zunächst unklar. Ursprünglich hatte es geheißen, der Angeklagte wolle sich zwar zur Person, aber nicht zur Sache äußern.

Küster sagte nun, Sulaiman A. werde sich auch zu seiner Religion äußern. Es sei seinem Mandanten sehr wichtig, selbst auszusagen. "Ich glaube, man möchte sich vielleicht immer noch als Mensch darstellen." Die Tat selbst werde man nie erklären können.

Sulaiman A. ist unter anderem wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt. Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft hat der mittlerweile 26-jährige Afghane am 31. Mai 2024 bei dem Angriff in Mannheim sechs Menschen mit einem Messer verletzt: fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) sowie den 29-jährigen Polizist Rouven Laur, der zwei Tage später an seinen schweren Verletzungen starb.

Sympathien für die Terrormiliz Islamischer Staat

Der Bundesanwalt geht davon aus, dass der Angeklagte Sympathien für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hegt. Er habe nach der Machtergreifung der Taliban 2021 begonnen, sich für deren Ideologie zu interessieren. Er habe sich dann intensiv mit dem Islam auseinandergesetzt und radikale Gelehrte in sozialen Medien verfolgt und so schließlich Sympathien für den IS entwickelt.

Schließlich sei er zur Überzeugung gelangt, dass es nicht nur legitim, sondern sogar seine religiöse Pflicht sei, vermeintlich Ungläubige zu töten.

Vater Teppichhändler, Mutter Hausfrau

Am zweiten Verhandlungstag erzählte Sulaiman A. von seiner Kindheit in Herat, einer Großstadt in Afghanistan, von seinem Vater, der als Teppichhändler arbeitete und seiner Mutter, die Hausfrau war. Seine Eltern hätten beide nicht lesen und schreiben können.

"Angst hatte ich vor Entführungen, vor Messerattacken", sagte A.. Hunger habe er auch gehabt. "Wenn wir einen Monat gut gelebt hatten, dann hatten wir zwei Monaten nicht so viel Geld, nicht so viel zu Essen." Doch als der Richter ihn fragte, wie es ihnen im Vergleich zu anderen Familien gegangen sei, sagte er: "Uns ging es gut." Drei seiner Geschwister leben heute ebenfalls in Deutschland.

Vermutlich mit elf Jahren verließ er Afghanistan, um nach Europa zu fliehen, wie der Richter darlegte. A. sagte: "Ich weiß nicht, ob mit elf oder früher oder später." Monatelang sei er mit seinem älteren Bruder im Iran gewesen, dann über die Türkei und Griechenland letztlich nach Deutschland geflohen. Sein Bruder habe alles entschieden. Zunächst hätten sie nach Schweden gewollt. Letztlich kamen sie aber 2013 nach Frankfurt/Main, A. war zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt.

Nach dpa-Informationen stellte er damals einen Asylantrag. Der Antrag wurde 2014 abgelehnt. Es wurde allerdings ein Abschiebeverbot verhängt, vermutlich wegen des jugendlichen Alters. Vor der Tat war der Angeklagte bei der Polizei nicht bekannt.

In seiner Schulzeit trainierte A. Taekwondo

Schon in seiner Schulzeit noch in Afghanistan habe A. Taekwondo trainiert, sagte der Richter. Sein Trainer in Deutschland habe später ausgesagt, A. sei ein sehr guter Kämpfer gewesen. Er habe hart trainiert und erfolgreich an Meisterschaften teilgenommen.

A. lernte nach der Ankunft in Frankfurt Deutsch, der Afghane spricht heute relativ flüssig mit starkem Akzent. Er habe einen Hauptschulabschluss und später in der Abendschule einen qualifizierten Realschulabschluss gemacht. In der Schule habe er 2013 seine heutige Frau kennengelernt, die beiden haben mittlerweile zwei Kinder. Die Familie hatte zuletzt im hessischen Heppenheim gelebt, rund 35 Kilometer nordöstlich von Mannheim.

"Ich dachte, ich sterbe jetzt"

Ein Opfer von der Messerattacke berichtete von den dramatischen Minuten des Angriffs. Die Mitglieder der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) seien beim Aufbau für ihre Kundgebung gewesen. Er habe einen Schrei gehört und sei mit einem Kollegen hingerannt, erzählte der Nebenkläger. "Dann verspürte ich schon einen Schlag in der linken Bauchhälfte."

Danach habe er sich halb weggeworfen. Polizisten seien zu Hilfe geeilt. Anschließend habe er aus dem Bauch geblutet und auch aus dem Fuß. "Ich hatte Todesangst. Ich dachte, ich sterbe jetzt." Dann habe der Schock nachgelassen. "Ich hatte wahnsinnige Schmerzen am Fuß." Irgendwann sei er im Krankenhaus wieder aufgewacht. Er habe fünfmal operiert werden müssen. Ein Arzt habe ihm erzählt, dass er auch reanimiert worden sei.

Angeklagter sieht keinen Bedarf für therapeutische Hilfe

Der Angeklagte sieht nach eigenen Angaben keine Notwendigkeit, sich therapeutisch helfen zu lassen. "Nee, sehe ich keinen Bedarf", sagte er auf eine entsprechende Frage des psychiatrischen Sachverständigen Johannes Fuß. Der Sachverständige soll sich später auch zur Frage der Schuldfähigkeit und der Frage einer möglichen Sicherungsverwahrung des Angeklagten nach einer Haft äußern.

Frau wählt am Abend der Tat den Notruf

Laut Richter soll die Frau des Angeklagten am Tag der Bluttat am 31. Mai 2024 den Notruf gewählt und gesagt haben: "Er war sowieso psychisch nicht mehr so stabil am Kopf, er hat auch ein MRT gemacht beim Arzt." Dazu will sich der Angeklagte allerdings nicht äußern. Auch soll er in der Haft später von "Problemen mit seinem Kopf" gesprochen haben und von Kopfschmerzen über Jahre hinweg. Aber auch dazu will A. nichts sagen.

Für das Verfahren sind noch rund 50 Verhandlungstermine bis Ende Oktober angesetzt. Für den Prozess sind nach Angaben des Oberlandesgerichts bisher 17 Zeugen und neun Sachverständige geladen. Unter den Zeugen sind fünf Polizeibeamte. Außerdem will der Senat laut Sprecherin die fünf Opfer sowie rechtsmedizinische Sachverständige und einen Islamwissenschaftler anhören.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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