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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ohne Rezeption und komplett digital Deutschlands einziges Bitcoin-Hotel: Sogar der Cappuccino hat das Logo
Nahe Stuttgart steht das erste Bitcoin-Hotel Deutschlands. Im Hotel Princess läuft alles digital, eine Rezeption gibt es nicht. Wie kann das funktionieren?
Direkt neben dem Haupteingang des Hotel Princess wartet die Attraktion, die nicht nur Hotelbesuchern, sondern jedem offensteht. Ein kleiner, vielleicht fünf Quadratmeter großer Raum birgt die große Technologie von morgen. Ein Bitcoin-Automat: der einzige, der in einem Hotel in Deutschland steht. Wer möchte, kann hier seine Euro-Geldscheine in die digitale Währung umwandeln und aufs Smartphone laden.
Dass es diese Besonderheit seit Ende Mai im schwäbischen Städtchen Plochingen, circa 20 Kilometer südöstlich von Stuttgart gibt, ist dem 30-jährigen Marc Guilliard zu verdanken.
"Wir sind eines der am besten digitalisierten Hotels Deutschlands", sagt der Hoteldirektor. Das war schon vor Pandemiebeginn so. Bereits 2018 stellte das familiengeführte Hotel die Abläufe nach und nach um.
Plochingen: Digitales Hotel ohne klassische Rezeption
Heute wickelt man im Hotel fast alles digital ab. "Die Leute können von daheim direkt über das Smartphone einchecken und auch ihre Zimmertür öffnen." Man muss nicht einmal über den Haupteingang kommen, sondern kann direkt in die Tiefgarage fahren und aufs Zimmer gehen. Eine klassische Rezeption gibt es nicht mehr. Und das Hotelzimmer kann man nicht allein in Euro bezahlen. Eine Zahlung mit Bitcoin ist ebenfalls möglich. Wer keinen Kontakt mit Hotelangestellten möchte, muss den im Princess somit nicht haben.
Doch so unpersönlich will es die Familie Guilliard nicht halten. "Wir sind immer da, auch beim Frühstück." Zwar seien die meisten Gäste Geschäftsreisende. Doch viele kämen gerade deshalb, weil sie neugierig seien und den Austausch suchten. Marc Guilliard steht gern Rede und Antwort. "Selbst aus dem benachbarten Ausland kommen Bitcoiner. Allein, weil sie hier mit der Kryptowährung bezahlen können", sagt er.
An der Wand hängt das Bitcoin Whitepaper, das 2008 eine bis heute unbekannte Einzelperson oder eine Gruppe unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto veröffentlichte. Das Dokument legte die technische Grundlage für Bitcoin, Kryptowährungen und die gesamte Blockchain-Technologie.
Von Bitcoin-Kunst bis Bitcoin-Fanartikel
Bitcoin ist im Hotel allgegenwärtig. Der Automat der österreichischen Firma Kurant – für dessen Aufstellung eine BaFin-Lizenz notwendig ist – ist nicht das einzige Gimmick im Hotel. Marc Guilliard führt an der unbesetzten Rezeption vorbei, an den Wänden hängt Bitcoin-Kunst, großformatige Bilder, gemalt von seiner Mutter und anderen Bitcoin-Künstlern. Inmitten einer grünen Sitzecke steht eine Vitrine, der Bitcoin-Shop. Hier gibt es Bitcoin-Fanartikel, Bitcoin-Bonbons, Bitcoin-Plüschtiere, aber auch Literatur und Hardware wie Wallets, eine Art Geldbörse, wie ein großer USB-Stick, auf denen man seine Kryptowährungen speichern kann.
Wer noch nicht für den großen Schritt bereit ist, dem spendiert der Hotelier aus eigener Tasche elf Satoshi. Satoshi ist die kleinste Stückelung des Bitcoins. Um die zu erhalten, lädt man sich eine Wallet-App aufs Smartphone, scannt den neben der Vitrine ausgelegten QR-Code und schon hat man die Coins auf dem Handy. Aktuell entspricht der Betrag nicht einmal einem Euro-Cent. Aber schließlich soll es nur ein Anreiz für Gäste sein, sich mal ans Thema heranzutrauen. "Wir fordern aber niemanden dazu auf, Bitcoin zu kaufen", betont er.
Bitcoin-Cappuccino als Fototrend auf Twitter
Für den Kaffee oder einen Snack an der hoteleigenen Satoshi Bar reichen die geschenkten Satoshi nicht. Doch wer etwas mehr im Wallet hat, kann hier natürlich ebenfalls mit der Kryptowährung bezahlen. "Das meist gemachte und auf Twitter geteilte Foto ist der Bitcoin-Cappuccino", sagt Guilliard und demonstriert, was es damit auf sich hat. Er lässt einen Cappuccino am Kaffeeautomaten heraus, greift zur Schablone und zur Kakaodose und streut das pudrige Bitcoin-Logo auf den Milchschaum. Dank der Handy-Wallet kann der ehrliche Bitcoiner über QR-Code mit Bitcoin oder Lightning bezahlen.
Jetzt wird es kurz kompliziert, denn Letzteres ist eine Off-chain-Lösung für die Bitcoin-Blockchain. Über einen Zahlungskanal können sich Parteien nahezu in Echtzeit Beträge sicher und anonym schicken. Es eignet sich zum Bezahlen von Mikrotransaktionen.
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Die Handhabung ist denkbar einfach, es dauert gefühlte zwei Sekunden. Bei dem Tempo kann keine Bezahl-App mithalten. Die Transaktionsgebühren betragen maximal den Bruchteil eines Cents. Das sei kein Vergleich zu Kreditkarten oder Paypal, betont Guilliard. Daher sei dies für jeden Geschäftsmenschen interessant.
Die extremen Kursschwankungen beunruhigen Guilliard nicht. Fundamentalisten würden ohnehin nicht mehr in Euro denken, sondern nur noch in Bitcoin. "Ein Bitcoin ist immer ein Bitcoin. Und wenn man mal rauszoomt, dann ist der Bitcoin langfristig immer gestiegen." Nervös würden die Kursschwankungen seiner Ansicht nach nur Menschen machen, die zu viel investiert hätten.
Sinnkrise führte zur Kryptowährung
Für einen eingefleischten Bitcoiner wie ihn ist es mehr als ein Zahlungssystem der Zukunft und eine dezentrale Währung. Der Bitcoin hat Marc Guilliard zufolge die Sparkultur zurückgebracht. So denke im Übrigen auch die Kernszene. Er selbst ist nach einer Sinnkrise zum Bitcoin gekommen.
"Ich wollte anfangs nichts mit dem Familiengeschäft zu tun haben, habe alles hinterfragt und wollte raus aus dem Hamsterrad." Zwischen 2017 und 2018 nahm er sich eine zweijährige Auszeit und lebte zurückgezogen in Südfrankreich. Ohne Internet, ohne Warmwasser – naturverbunden. "Ich habe gemerkt, dass der Minimalismus mir sehr guttut. Als ich aus meinem Retreat zurückkam, habe ich gesehen, dass es Bitcoiner gibt und dass viele von denen auch so minimalistisch leben", erinnert er sich. Nicht das Finanzielle, sondern die Philosophie dahinter habe ihn da hereingebracht.
Überzeugende Idee, alles zu digitalisieren
Zurück in Plochingen stieg er langsam doch ins Familienunternehmen ein. Er überzeugte seine Mutter und Schwester von seiner Idee, alles zu digitalisieren. "Ich merkte, es macht mir Spaß, wenn ich meinen eigenen Touch hereinbringen kann."
Das schätzt die Bitcoin-Szene, die gerne zum Übernachten kommt, aber auch für Veranstaltungen, wie Ende Mai zu "Bitcoin im Ländle". "Das war die größte Bitcoin-Konferenz in Süddeutschland", sagt Guilliard. Im November soll es die nächste Veranstaltung werden.
- Eigene Recherche vor Ort
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