Nürnberg Arbeitsmarkt: Fachkräftemangel wird wieder Hauptsorge
In der bayerischen Wirtschaft rückt mit dem erhofften Ende der Corona-Pandemie im nächsten Jahr wieder die Sorge um fehlende Arbeitskräfte in den Vordergrund. Die Herbstbelebung des Arbeitsmarkts fällt in diesem Jahr unverhofft kräftig aus, im Oktober ist die Arbeitslosenquote in Bayern erstmals seit Dezember 2019 wieder unter die drei Prozent gesunken. Besonders akut ist derzeit der Nachwuchsmangel: Ende September waren noch 15.609 Ausbildungsplätze unbesetzt, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Donnerstag berichtete.
"Die vielfach befürchtete Insolvenzwelle und steigende Arbeitslosenquote ist nicht eingetreten", sagte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). "Im Gegenteil, wir erleben momentan einen Material- und Fachkräftemangel." Der Bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK) appellierte an die Politik, die berufliche Bildung zu stärken. "Weil wir sonst von einer Corona-Krise in eine Fachkräftekrise geraten", sagte Hubert Schöffmann, der Sprecher des BIHK für die Bildung.
Im Oktober waren noch 222.872 Menschen im Freistaat arbeitslos gemeldet, 7,6 Prozent weniger als im Vormonat. "Für uns ist es, was heißt eine kleine Sensation, eine große Freude, was sich bei uns entwickelt hat", sagte dazu Klaus Beier, der Vizechef der bayerischen BA-Regionaldirektion. Die niedrigste Arbeitslosenquote verzeichnete im Oktober mit 1,6 Prozent der Landkreis Donau-Ries. Am höchsten lag die Arbeitslosigkeit in Schweinfurt mit 5,7 Prozent, der bayernweite Schnitt sank auf 2,9 Prozent. Gleichzeitig waren 138.000 offene Stellen gemeldet.
Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft äußerte sich weniger euphorisch als die Bundesagentur: "Der Aufschwung ist weiterhin fragil und droht an Lieferengpässen und Materialknappheit zu scheitern", sagte Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.
Unabhängig davon ist für ausbildende Betriebe in diesem Herbst keine Linderung des Nachwuchsmangels in Sicht. Nach einer Umfrage des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags ging bei mehr als zwei Drittel der ausbildenden Betriebe keine einzige Bewerbung für offene Lehrstellen ein. Im Schnitt ist nach den Zahlen des BIHK jeder fünfte Ausbildungsplatz unbesetzt geblieben. Die BA-Regionaldirektion stellte in den Vordergrund, dass die Lage für die Jugendlichen auf Lehrstellensuche derzeit erfreulich ist: "Rein rechnerisch kommen auf jeden unversorgten Bewerber 14,4 Stellen", sagte Vizechef Beier.
Um eine Lehrstelle beworben haben sich in diesem Jahr knapp 62.000 Schulabgänger, über 8000 weniger als im Vorjahr. Das liegt einerseits daran, dass es weniger Schulabgänger gibt. Zugleich besucht eine steigende Zahl von Mittel- und Realschülern mit dem Ziel eines Studiums vor Augen weiterführende Schulen statt eine Lehrstelle anzutreten. Besonders akut ist der Azubimangel bei Lebensmittelhandwerkern wie Bäckern und Metzgern. Doch Nachwuchs fehlt auch im Gesundheitswesen und in den von der Corona-Krise hart getroffenen Branchen Tourismus, Gastronomie und Hotels.
Der DGB kritisierte, dass in der Pandemie die Qualität der Ausbildung in vielen Betrieben gelitten habe, weil auch die Azubis ins Heimbüro geschickt wurden. "Eine Generation Corona auf dem Arbeitsmarkt muss verhindert werden", sagte Jugendsekretärin Svenja Thelen.