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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Prozess um Handwerker "Ich dachte, dass ich gleich sterbe"
Vor dem Kölner Landgericht sagte ein Mann aus, der während eines Einsatzes als Handwerker krankenhausreif geschlagen worden sein soll. Angeklagt sind ein früherer Taekwondo-Kämpfer und sein Vater. Wie konnte es so weit kommen?
Eigentlich betreibt der kleine, 30-jährige Mann eine Trinkhalle im Ruhrgebiet, bestätigte er auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters. Im Herbst 2020 sei sein Laden aber wegen eines Wasserschadens geschlossen gewesen. In dieser Zeit wollte er für einen Bekannten Handwerkerdienste übernehmen – und gleich der erste Einsatz hatte ein traumatisches Nachspiel.
Nun sagte er vor dem Kölner Landgericht im Verfahren gegen zwei Männer aus, denen die Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung vorwirft.
"Ich glaube, es war am 10. November 2020. Ich hatte den Auftrag bekommen, nach Köln zu fahren. Gegen 11 Uhr bin ich angekommen. Der Kunde sagte mir, dass der Spülkasten an der Toilette defekt sei, das Wasser lief. Weil es mein erster Einsatz war, habe ich ihn dreimal über die Preise aufgeklärt, um auf der sicheren Seite zu sein. Während der Arbeiten stand er direkt neben mir. Wir haben uns gut verstanden, ein dufter Kerl", schilderte der Zeuge.
Nach einem abschließenden Test, ob das Problem behoben werden konnte, habe er die Rechnung gestellt. "Es waren mindestens 150 Euro", erinnerte er noch: "Zusätzlich gab er mir 20 oder 25 Euro Trinkgeld. Ich habe ihn gefragt, ob es okay ist, wenn ich die Rechnung erst einmal mitnehme und meinem Chef zeige, weil ich neu bin im Beruf und vielleicht Fehler mache beim Rechnung schreiben. Damit war er einverstanden."
Der Chef habe an der Rechnung keine Beanstandungen gehabt. Kurz darauf kam erneut ein Einsatz in Köln: In einem Sonnenstudio sei eine Toilette defekt. Wieder rückte der 30-Jährige an.
Köln: Teleskopschlagstock, Faustschläge und Fußtritte
In der Kabine sei er sofort von zwei Männern überwältigt worden. Der eine habe ihn mit einem Teleskopschlagstock geschlagen, der andere habe sich die Hand bandagiert, ihn mit der Faust ins Gesicht geschlagen, bis er zu Boden ging, und dann getreten. Dann hätten die Männer gesagt, dass sie Vater und Sohn des vorigen Kunden seien, berichtet er.
Zusätzlich zu den körperlichen Angriffen hätten sie ihn massiv bedroht: "Sie sagten: ‚Wir rufen zwei Bekannte an und werden Spaß mit dir haben. Du kommst hier nicht lebend raus.‘ Ich dachte, dass ich gleich sterbe."
Sie hätten ihm vorgeworfen, dass er die Toilette des Großvaters so beschädigt habe, dass dieser und ein bei ihm lebender Sohn sie nicht mehr hätten nutzen können und in die Hose gemacht hätten. Den Geldbetrag, den der alte Mann gezahlt hatte, und mehrere hundert Euro darüber hinaus hätten sie aus seinem Portemonnaie genommen.
"Guck doch, was du gemacht hast!"
"Ich habe gesagt: ‚Vielleicht hat dein Vater dran rumgefummelt und selber etwas kaputt gemacht und hat jetzt Angst, dir das zu sagen.‘ Er fragte, warum sein Vater Angst vor ihm haben sollte, und ich sagte: ‚Guck doch, was du gemacht hast!‘", so der Zeuge.
Nachdem eine Frau wiederholt eingegriffen habe, die die Frau oder Mutter des älteren Angeklagten sein könne, habe sich die Situation ein wenig beruhigt: "Sie sagte, die sollten leise sein, in Kabine 7 oder 8 wäre ein Kunde. Sie hat die beiden angefleht aufzuhören und gemeint, ich sei selbst schuld, aber ich hätte jetzt aus meinem Fehler gelernt.“" Er habe nur im Hinterkopf gehabt, wie er fliehen könne und habe gebeten, ob man die Angelegenheit nicht draußen besprechen könne, bevor man in der engen Kabine ersticke.
Zeuge berichtet von anhaltenden Taubheitsgefühlen
Schließlich sei der ältere der beiden Angeklagten mit ihm nach draußen gegangen. "Ich habe Blut gespuckt und in die Geschäfte geschaut, ob einer rauskommt und fragt, ob er mir helfen kann. Leider ist das nicht passiert", beschrieb der Zeuge. An seinem Wagen habe er eine Stornierung des strittigen Auftrags schreiben müssen. Die Männer hätten ihm das Versprechen abgenommen, nicht zur Polizei zu gehen. Irgendwann habe er fahren dürfen.
Eingeschüchtert habe er bei seiner Familie die Verletzungen zunächst heruntergespielt. Sein Vater habe ihn aber dennoch ins Krankenhaus gefahren, wo Schädelbrüche und andere massive Kopfverletzungen festgestellt wurden. Zwei Operationen seien erforderlich gewesen. Seine linke Gesichtshälfte sei bis heute taub.
"Und die psychischen Folgen?", fragte der Richter. "Das war nicht einfach", antwortete der Zeuge: "Meine Psyche hat verrückt gespielt." Er zählte Schlafstörungen, Angst vor Aufenthalten außerhalb seines eigenen Zuhauses und Platzangst auf. Freunde und Familie hätten ihm "seelische Kraft" gegeben, inzwischen sei es besser. Durch das Drängen eines Freundes sei es auch dazu gekommen, dass die mutmaßlichen Taten schließlich doch zur Anzeige kamen.
Bislang keine Aussage der Angeklagten
Die Angeklagten haben sich zu den Vorwürfen noch nicht geäußert, ihre Verteidiger haben am ersten Prozesstag jedoch eine spätere Einlassung in Aussicht gestellt. Zu Beginn des zweiten Prozesstages wies der Richter die Angeklagten darauf hin, dass es einen Unterschied machen könne, wenn bereits vor Vernehmung des Zeugen klar sei, welche Aspekte unstreitig seien und sprach auch einen Täter-Opfer-Ausgleich an: "Es wäre möglich und richtig, eine grobe Linie zu skizzieren, in welche Richtung es geht."
Die Verteidiger lehnten eine Erklärung zu diesem Zeitpunkt jedoch ab. Das Verfahren wird fortgesetzt. Das Urteil ist für den 25. Mai anberaumt.
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