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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Petition fordert Enteignung Protest gegen russische Geisterhäuser – "Muss endlich was passieren"
Drei Geisterhäuser in Köln-Sülz sorgen für Unmut, die Stadtverwaltung sieht keine Handhabe. Nun formiert sich deutlicherer Protest, es gibt auch eine Petition. Damit hat auch der Krieg in der Ukraine etwas zu tun. Denn: Die Häuser gehören dem russischen Staat.
Gut zwei Dutzend Menschen haben sich am Morgen in der Kälte versammelt. Es soll der Auftakt zu wöchentlichen Mahnwachen werden. Seit mehr als einem Jahr protestieren sie immer wieder gegen den Leerstand in drei großen Wohnkomplexen.
"Es kann doch nicht sein, dass in Zeiten unglaublicher Wohnungsnot Gebäude einfach leer stehen", sagt Rainer Kippe. Der Mann kämpft mit der "Sozialistischen Selbsthilfe Köln" (SSK) seit Jahren gegen Obdachlosigkeit und setzt sich dafür ein, dass in Köln keine Gebäude länger ungenutzt herumstehen. An der Sülzer Liegenschaft beißen sich er und seine Unterstützer bisher aber die Zähne aus.
Eigentlich könnte alles so einfach sein: Die städtische Kölner Wohnraum-Schutzsatzung sieht vor, dass Hausbesitzer, die Wohnungen ungenutzt lassen, sanktioniert werden können. Im Fall der Häuser an der Friedrich-Engels-Straße ist aber alles schrecklich kompliziert.
Stadt Köln: "Keinerlei belastbaren Verhandlungsstrukturen"
Zwei von ihnen sollen überwiegend Bürogebäude der ehemaligen "Handelsmission" sein, eines besteht vor allem aus Wohnungen. Diese ganze Siedlung gehört wohl einer Firma des russischen Staats. Und die lässt nach Darstellung der Stadt Köln nicht mit sich reden. "Es gab in der Vergangenheit konsularische Gespräche", heißt es auf Anfrage: "Hieraus sind aber bisher keinerlei belastbare Verhandlungsstrukturen beim Eigentümer entstanden."
In den vergangenen Monaten ist das Haus immer wieder besetzt worden. Die Polizei fertigte Strafanzeigen, der Staatsschutz übernahm die Ermittlungen. "Für die Räumung und die Anzeigen muss doch jemand im Auftrag des Eigentümers verantwortlich sein", argumentiert Kalle Gerigk. Der Mieter-Aktivist hofft jetzt darauf, dass im Zuge staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen die Kontaktdaten der Zuständigen auftauchen und einen Ansatzpunkt bieten.
Engagierte Kölnerinnen und Kölner haben im Internet eine Petition zum Thema gestartet, die sich an Henriette Reker richtet: "Frau Oberbürgermeisterin, bitte handeln Sie jetzt, zögern Sie nicht länger!" Aktueller Aufhänger ist der Krieg in der Ukraine. Die Unterzeichner fordern, die leer stehenden Wohnungen Geflüchteten aus der Ukraine zur Verfügung zu stellen. "Damit könnte Russland ein winziges Stück Verantwortung dafür übernehmen, dass es Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertreibt, Not, Elend und Krieg zu den Menschen bringt", heißt es weiter.
Wohnung ist nicht gleich Wohnung
Man müsse eine Enteignung anstreben, heißt es in der Petition. Und: "Es wäre nicht nur eine schöne Pointe, Russland die Häuser wegzunehmen, um sie zunächst notdürftig instand zu setzen und ukrainischen Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen." Wenn es weiterhin keinen Ansprechpartner auf russischer Seite gebe, könne eine "Zustellung im Zweifel auch durch eine öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden". Innerhalb von einer Woche haben 5.570 Menschen die Eingabe unterzeichnet, 6.000 Unterschriften sollen gesammelt werden.
Bis 2018 wurde zumindest eines der Gebäude noch zu Wohnzwecken genutzt. Die städtische Wohnungsgesellschaft GAG hatte einen Mietvertrag, der 2017 durch ein Staatsunternehmen der Russischen Föderation gekündigt wurde. Es gab ein langes juristisches Hin und Her mit Zwangsverwaltungen und -versteigerungen, letztlich scheint aber erneut der russische Staat die Häuser zu halten – und verfallen zu lassen.
Schon 2017 sei eine Sanierung der Gebäude dringend nötig gewesen, argumentiert die Stadt Köln. So gebe es allein an dem reinen Wohnhaus "enorme Instandhaltungsrückstände" am Dach und an der "überdimensionierten Heizanlage, die eigentlich für alle drei Gebäude, ein Schwimmbad und eine Turnhalle gedacht war".
13 Jahre lange hatte die GAG die Wohnungen angemietet und Menschen zur Verfügung gestellt, die dringend eine Unterkunft brauchten. Dem "allgemeinen Wohnungsmarkt" hätten die Räumlichkeiten auch nie zur Verfügung gestanden, argumentiert die Stadt rein formal. Deshalb gelte auch die Wohnraum-Schutzsatzung nicht. Trotzdem fordert die Linke im Kölner Stadtrat nun, die Häuser einfach zu beschlagnahmen. "Längst ärgern sich über den Leerstand in bester Wohnlage nicht nur ein paar Aktivisten", meint Rainer Kippe: "Jetzt muss endlich etwas passieren!"
Russische Staatsfirma antwortet nicht
Kippe will mit Kalle Gerigk und weiteren Unterstützern nun wöchentlich vor den Häusern in Köln-Sülz demonstrieren. Sie fordern, dass in den Wohnungen Obdachlose und Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht werden. "Die Wohnungen sind gar nicht so marode, wie es von der Stadt frech dargestellt wird", erzählt ein früherer Bewohner, der 2018 zu den letzten Mietern gehörte, die die Räume verlassen mussten.
Wie schwierig es ist, mit den Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen, zeigen nicht nur die zahllosen Erklärungen der Stadtverwaltung gegenüber der Politik in den vergangenen Monaten: Eine Presseanfrage für diesen Bericht an das russische Staatsunternehmen, das 2017 der GAG den Mietvertrag für die Wohnungen gekündigt hatte, blieb unbeantwortet.
- Recherche vor Ort
- Gespräch mit einem ehemaligen Bewohner
- Anfrage an die Stadt Köln
- Anfrage an die russische Staatsfirma
- Petition auf Campact: "Russische Häuser in Köln für Ukrainer-Innen"
- Mitteilung der Polizei Köln
- Mitteilung der Fraktion Die Linke