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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kölner Gourmetrestaurant Wie ein Elektroniker zum zweifachen Sternekoch wurde
Wer in Köln auf höchstem Niveau speisen möchte, ist zum Beispiel im Rheinauhafen an der richtigen Adresse: Das "Ox & Klee" konnte seinen zweiten Michelin-Stern verteidigen. Ein Besuch in der Spitzenküche.
Um kurz vor 19 Uhr steigt die Anspannung in der Küche spürbar. Was gleich beginnt, haben die elf schwarz gekleideten Männer und Frauen an den Arbeitsflächen zwar wieder und wieder geprobt. Und doch bedarf es jeden Abend größter Konzentration, um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden.
In einer langen Reihe stehen Brettchen mit kleinen Betonelementen. Darauf finden kunstvoll inszenierte Appetizer ihren Platz: Tacos aus Lorbeer, kombiniert mit Bittersalaten und Grapefruit zum Beispiel, oder gebackene Cannelloni mit einem Ragout aus Grilltomate, gewälzt in Macadamianuss-Spänen.
Es ist das Entree für ein kulinarisches Orchesterwerk, für das die Gäste, die jetzt im Minutentakt eintreffen, nicht selten lange Wege in Kauf genommen haben.
Köln: Eine der bestbewerteten Küchen der Stadt ist im Rheinauhafen
Wer im mittleren der drei mächtigen Kranhäuser des Rheinauhafens die Stufen in den ersten Stock erklommen hat, betritt die Kölner Spitzen-Gastronomie. Hier ist das "Ox & Klee" zu Hause, das neben dem "Le Moissonnier" am Ebertplatz kürzlich seinen zweiten Stern des "Guide Michelin" verteidigen konnte. Eine noch besser bewertete Küche findet sich nicht in der Stadt.
Chefkoch und Betreiber Daniel Gottschlich sitzt an einem der modern durchdesignten Tische mit Blick auf die kühle Architektur des Rheinauhafens und spricht über seinen Aufstieg in den Gourmet-Olymp. Noch dauert es zwei Stunden, bis die heiße Phase des Abends beginnt, die eigens für das Restaurant komponierte Hintergrundmusik einsetzt und das 20-köpfige Team aus Köchen und Servicekräften ein Programm abfeuert, das Daniel Gottschlich "Experience Taste" getauft hat.
Es ist eine kulinarische Reise durch die sechs Geschmacksrichtungen süß, sauer, bitter, salzig, umami und fettig. Mehr als 850 Zutaten finden Eingang in das vegetarische Menü "Klee", das derzeit auf der Karte steht. Für jeden der insgesamt 15 Gänge informieren eigens kreierte Karten darüber, welche Zutaten welchen Geschmack repräsentieren.
Sternekoch mit einer Leidenschaft fürs Komponieren
Daniel Gottschlich ist ein unkomplizierter Sternekoch mit großen Tattoos auf den Armen. In seiner knapp bemessenen Freizeit spielt der 39-Jährige Schlagzeug. Die Welt, in die er seine Gäste entführen möchte, vergleicht er mit einer musikalischen Komposition: "Ich will im Menü eine Dramaturgie wie in einem Orchesterstück erschaffen", sagt der Kölner. Das heißt für ihn: "Nicht nur jedes einzelne Gericht muss stimmig und perfekt sein, sondern es muss auch in der Gesamtheit eine stimmige Reise sein." Dazu gehört für ihn, auch beim Design und beim Service nichts dem Zufall zu überlassen.
In seinem ersten Beruf war Gottschlich Energieanlagenelektroniker. Ein Job, der ihn von Anfang an genervt habe. Weil er schon als Zehnjähriger gern Lebensmittel auf dem Markt kaufte und zubereitete, sattelte er auf Koch um, machte eine Lehre im Hotel Petersberg in Königswinter und eröffnete 2010 sein erstes eigenes Restaurant unter dem Namen "Ox & Klee", damals noch an der Richard-Wagner-Straße in Köln.
Irgendwann stellte er sich die Frage: "Will ich mich weiter auf Bratwurst mit Kartoffelpüree konzentrieren oder will ich tiefer in die Materie einsteigen?" Der Mann mit dem ausgeprägten Qualitätsbewusstsein entschied sich für den zweiten Weg. Sogar wissenschaftlich näherte sich der gebürtige Troisdorfer der Frage, was ein gutes Menü ausmacht, wie Geschmack entsteht und welche Wirkung Form und Farbe des Essens auf den Gast entfalten.
2016 der erste Stern, 2019 der zweite
Und doch habe er lange Zeit nicht daran zu denken gewagt, einmal in der obersten Liga der deutschen Gastronomie mitspielen zu dürfen. Der erste Stern 2016 war dann auch eine Überraschung. 2019 folgte der zweite, der nun erneut bestätigt wurde. Es läuft also rund für Daniel Gottschlich und sein Team. Das Ende der Corona-Beschränkungen ist für ihn ein weiterer Grund zum Feiern: "Bei den Menschen ist wieder mehr Freude, auszugehen."
In der Küche mit der riesigen Fensterfront zum Speiseraum verteilt Hannes Radeck mit der Pinzette winzige Szechuanpfeffer-Kresse-Blättchen in kleinen Bechern mit Gurken-Rettich-Salat und Apfelgel. Später wird sich Süßkartoffeleis und durch Stickstoff gefrorenes Maltodextrin aus Basilikum dazu gesellen. Der 30-Jährige ist Chef-Patissier und steuert den Service, wenn die Gäste eintreffen.
Das heißt, er sorgt dafür, dass die Gänge pünktlich hinausgehen, wenn Restaurantleiter Rosario Salvatori sie auf dem großen Plan an der Wand neben der automatischen Glastür abruft. Alle Abläufe und Handgriffe funktionieren wie ein großes Räderwerk, schon am Mittag haben die Vorbereitungen für den Abend begonnen. Es ist erstaunlich ruhig im Maschinenraum des "Ox & Klee", konzentriertes Arbeiten ist angesagt, Hektik und Gebrüll wären ein Zeichen dafür, dass etwas schiefläuft. "Jeder weiß zu 1.000 Prozent, was er zu machen hat", sagt Daniel Gottschlich und wiederholt: "1.000 Prozent."
Kölner Gourmetrestaurant: Der dritte Stern ist fest im Blick
Hannes Radeck hat hier vor fast vier Jahren begonnen. Damals hatte das Restaurant nur einen Stern. Mit dem zweiten Stern habe der Stress nicht gerade nachgelassen, sagt der Kölner Koch. Die Gäste seien anspruchsvoll und zahlten viel Geld – 230 Euro kostet das komplette Menü, Getränke kommen extra. Von Druck will Daniel Gottschlich nicht sprechen: "Aber wir pushen uns extrem hart, um weiterzukommen und möchten keinen Schritt zurückgehen."
Neben einem neuen Restaurant am Alter Markt, das demnächst öffnen soll, heißt das für ihn: Der dritte Stern für das "Ox & Klee" muss kommen. Irgendwann jedenfalls. Ein Zurück gebe es nicht mehr. "Wenn man irgendwann in dieser Sterne-Riege ist, dann möchte man die nicht verlieren." Das große Ziel sei erreichbar, da ist der Chef sicher. Für ihn ist es nur noch eine Frage harter Arbeit.
- Gespräche und Beobachtungen vor Ort