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Aktion nach Flutkatastrophe: Heizungshelfer spenden Flutopfern Wärme


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Heizungs-Aktion nach Flutkatastrophe
Helfer im Ahrtal: "Schaut einfach brutal aus"

Von Tobias Christ und Thomas Banneyer (Fotos)

Aktualisiert am 19.01.2022Lesedauer: 6 Min.
Thomas Kaiser-Glodowski: Er harrte auf einem Hüttendach aus, als die Flut kam. Statt wie geplant auszuwandern, widmet er sich nun dem Wiederaufbau seines Hauses.Vergrößern des Bildes
Thomas Kaiser-Glodowski: Er harrte auf einem Hüttendach aus, als die Flut kam. Statt wie geplant auszuwandern, widmet er sich nun dem Wiederaufbau seines Hauses. (Quelle: Thomas Banneyer)

Ein halbes Jahr nach der Flutkatastrophe ist das Ahrtal noch immer außerhalb jeder Normalität. Der Wiederaufbau beschäftigt viele Betroffene tagtäglich, die Temperaturen machen ihnen zu schaffen. t-online war unterwegs mit freiwilligen Helfern, die ein bisschen Wärme unter die Leute bringen.

Es ist kalt im historischen Stadtkern von Bad Neuenahr-Ahrweiler. Fast null Grad zeigt das Thermometer. Die Wasserrohre in der Außenmauer der Erdgeschosswohnung, die Thomas Kaiser-Glodowski seit sechs Monaten nicht mehr nutzen kann, könnten leicht zufrieren in diesen Tagen. Bisher hat der 62-Jährige sie von innen mehr schlecht als recht mit einem Holzofen und einem Heizlüfter warmgehalten, damit er weiterhin Wasser hat auf seinem von der Flut verwüsteten Grundstück. Nun steht ein Handwerker im Innenhof auf einer Leiter und bohrt Löcher für eine Luft-Luft-Wärmepumpe. "Macht eine Sorge weniger", sagt Thomas Kaiser-Glodowski leise und dreht sich eine Zigarette.

Luft-Luft-Wärmepumpen sind Klimageräte, die nicht nur kühlen können, sondern auch heizen. Die Anlagen bestehen aus zwei Teilen, die auf beiden Seiten einer Außenwand angebracht werden. Sie brauchen wenig Energie, sind schnell montiert und kommen ohne Heizkörper aus. Gute Voraussetzungen also, um die vom Hochwasser und einem noch immer labilen Stromnetz gebeutelten Bewohner des Ahrtals über den Winter zu bringen.

Hilfe im Ahrtal: Das 1000. Heizgerät wird installiert

Viele fest installierte Heizungsanlagen seien noch immer nicht in Gang gesetzt, sagt Tobias Schott, einer der Organisatoren und Mitgründer der Initiative "Wärme für das Ahrtal". Wegen des enormen Fachkräfte- und Materialmangels werde der Aufbau auch noch ein Weilchen dauern. Die ehrenamtlichen Handwerker der Initiative sorgen deshalb seit fünf Monaten für unkomplizierte und kostenlose Übergangslösungen.

Um 8 Uhr haben sich an diesem Morgen rund 40 Männer und Frauen neben dem Zelt des Helfer-Camps "Die AHRche" in Bad Neuenahr-Ahrweiler im Kreis versammelt. Die Stimmung ist ausgelassen, in den kommenden Stunden werden die Handwerker das 1000. Gerät installieren.

Tobias Schott, der 2,10-Meter-Mann aus dem hessischen Rodgau, ist begeistert: "Es ist Wahnsinn, was geleistet worden ist." Dann packen die Helfer die Anlagen in ihre Transporter und machen sich auf den Weg in einen Landstrich, der auch ein halbes Jahr nach dem Hochwasser nicht zur Ruhe kommt.

"Hier sind gestandene Männer in Tränen ausgebrochen"

Die Idee zu dem Projekt hatte Klimatechniker Marco Eckel, der ebenfalls aus Rodgau stammt. Schon im Sommer packte er im Flutgebiet mit an, dann stellte er sich die Frage: "Was passiert eigentlich im Winter?"

Seitdem ist der 43-Jährige regelmäßig im Gebiet zwischen Sinzig und Blankenheim, Erftstadt und der Südeifel im Einsatz. Für das Klimaprojekt verzichtet er auf viel Freizeit und Privatleben. Es sei nicht nur die ehrliche Dankbarkeit der Betroffenen, die ihn immer wieder zurück an die Ahr treibe, sagt Marco Eckel.

Auch die Schicksale der Menschen hier ließen ihm zu Hause keine Ruhe. Viele Flutopfer erzählen den Monteuren haarklein, was ihnen in der Nacht widerfuhr, als das Wasser kam. "Am Anfang war es so, dass man bei den Beratungsgesprächen kurz hinter das Haus musste und eine Viertelstunde für sich allein gebraucht hat", sagt Marco Eckel: "Hier sind abends gestandene Männer in Tränen ausgebrochen."

Oft gehe es in den Geschichten um Überlebenskämpfe, Tote und den Verlust der gesamten Existenz: "Und dann guckst du eben, wie du wieder Freizeit zusammenkriegst, damit du wieder da hochkommst."

Manchmal schweigen die Betroffenen auch lieber. Linda T. aus dem Stadtteil Heppingen steht neben ihrer Doppelhaushälfte und ringt immer wieder um Fassung. Drei Jahre habe es gedauert, dieses Haus zu bauen, sagt sie: "In drei Stunden war alles kaputt." Noch immer sei es für sie schwer, über diese Stunden zu erzählen, sagt die 43-jährige Mutter von drei Kindern: "Richtig schwer." Aber so viel stehe fest: "Es war eine schreckliche Nacht."

Ein provisorisches Leben mit gespendeten Möbeln

An den Außenmauern der Häuser hier ist abzulesen, wie hoch das Wasser stand. Schlamm und Unrat sind nach wie vor alltägliche Begleiter im Straßenbild. Manchmal gelinge es ihr, durch Arbeit alles zu vergessen, sagt Linda T. hinter ihrem Mundschutz. Aber dann gebe es eben auch die anderen Tage. Finanziell sei es eng, sagt sie, eine Elementarversicherung gab es nicht.

Das Haus, in dem sie mal glücklich war, ist nur noch in den oberen Räumen nutzbar. Die Familie kocht und wohnt nun in der Garage nebenan. In dem geräumigen, aber fensterlosen Provisorium stehen gespendete Möbel und ein paar Küchengeräte. Gemütlich ist es nicht, aber immerhin ist der kleine Radiator zum Heizen nicht mehr nötig. An diesem Vormittag ist Monteur Florian Niemeyer mit seinem Team gekommen, um eine Luft-Luft-Wärmepumpe anzubringen. Linda T. ist gerührt: "Ich kann nur sagen: Dankeschön."

Jede der durch Spenden finanzierten Anlagen hat laut Tobias Schott einen Wert von rund 3.500 Euro und muss später von keinem Betroffenen zurückgegeben werden. Nur eine Gewährleistung auf die Geräte kann die Initiative nicht bieten. Anfangs sei den Monteuren viel Ungläubigkeit ob des großzügigen Angebots entgegengeschlagen, sagt der 33-jährige Unternehmer, der seit Tag zwei nach der Flut im Ahrtal unterwegs und mittlerweile hervorragend vernetzt ist: "Jetzt sind die Helfer bekannt."

Helfer aus Bayern "geflasht"

Die ehrenamtlichen Kräfte melden sich über Verbände, Innungen und die sozialen Medien aus ganz Deutschland. Während ihrer meist mehrtägigen Einsätze übernachten sie in Containern, Wohnmobilen und Jugendherbergen.

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Michael Brand ist am Vortag zusammen mit Florian Grabmaier aus Bayern gekommen. 700 Kilometer haben die beiden Kälteanlagenbauer in ihrem Handwerkertransporter zurückgelegt. Vom Anblick des Ahrtals sei er bei der Ankunft "a bissl geflasht" gewesen, gesteht Michael Brand. Dass es nach einem halben Jahr noch immer so mitgenommen aussieht, damit habe er nicht gerechnet: "Des schaut einfach brutal aus."

Bei Thomas Kaiser-Glodowski sah es nach dem 15. Juli ebenfalls brutal aus. Etwa zwei Meter hoch stand das Ahrwasser in den teils mehr als 100 Jahre alten Gebäudeteilen seines verwinkelten Grundstücks. Am Katastrophentag befand er sich im Innenhof und rettete sich auf das Dach einer massiv gebauten Holzhütte, als die Fluten kamen. Stunden harrte er hier aus, eingewickelt in eine irgendwie trocken gebliebene Decke. Von dort sah er, wie sich die Müllsäcke im Wasser drehten und ein Auto durch die schmale Einfahrt geschwommen kam.

Angst habe er dennoch nicht gehabt, sagt der Ruheständler in entspanntem Tonfall. Früher sei er Berufssoldat gewesen, Anfang der 1990er-Jahre auch in Kambodscha: "Ich bin für Krisen ausgebildet."

Wiederaufbau beschäftigt Anwohner jeden Tag

Dennoch spricht er von der "zweiten und dritten Katastrophe" nach der Flutnacht. Soforthilfen vom Kreis und Gelder aus dem staatlichen Wiederaufbaufonds seien in seinem Fall zwar zügig geflossen. In praktischen Dingen habe es aber erstaunlich wenig Unterstützung von öffentlicher Seite gegeben. Fast alles sei in privater Initiative abgearbeitet worden.

Selbst die Schrottautos habe er zusammen mit Freunden aus dem Innenhof schaffen müssen. Der Wiederaufbau beschäftige ihn noch immer jeden Tag. Zum Glück seien die Gebäude versichert. Aber eigentlich habe er doch etwas ganz anderes vorgehabt: "Ich wollte für ein paar Jahre nach Griechenland auswandern."

"Generation Nachkriegszeit ist es nicht gewohnt, Hilfe anzunehmen"

Tobias Schott, den sie hier wahlweise "Krisenmanager" oder den "Riesen aus dem Ahrtal" nennen, kennt Menschen, die erst jetzt von Hilfsorganisationen betreut werden. Kurz vor Weihnachten etwa habe er eine 84-jährige Frau kennengelernt, deren Enkel sich an die Initiative gewandt hatte: "Da lag sie unter vier Decken eingepackt und hatte nur einen kleinen Elektroheizer." Die alte Dame selbst hätte sich wohl nie gemeldet: "Die Generation Nachkriegszeit ist es nicht gewohnt, Hilfe anzunehmen, die frieren lieber, als sich helfen zu lassen", sagt Tobias Schott.

Dennoch habe die Nachfrage nach den Luft-Luft-Wärmepumpen in letzter Zeit nachgelassen. Das sei eine durchaus gute Nachricht: "Das ist für uns ein Anzeichen, dass wir es geschafft haben, obwohl es saumäßig kalt ist." Fast jeder im Ahrtal habe mittlerweile eine "Heizungssituation" gefunden.

Ans Aufhören denkt Tobias Schott aber nicht – im Gegenteil. Zusammen mit seiner Freundin will er eine gemeinnützige Gesellschaft gründen, über die die Hilfskräfte versichert sind und auch Spenden angenommen werden dürfen. "Das generelle Helfen wird dann einfacher, das Helfen kriegt einen rechtlichen Rahmen", sagt Tobias Schott.

Die nicht geringen bürokratischen Hürden, mit denen auch die Ehrenamtlichen konfrontiert seien, könnten so besser gemeistert werden. Künftig will Tobias Schott nicht nur Heizgeräte unter die Leute bringen, sondern auch andere Gewerke für zerstörte Gebäude anbieten. Die Hilfs- und Spendenbereitschaft sei noch immer groß, sagt der "Riese aus dem Ahrtal": "Wir kriegen jeden Tag die Möglichkeit zu helfen. Wenn wir das nicht nutzen würden, würde es uns wehtun."

Verwendete Quellen
  • Beobachtungen und Gespräche vor Ort
  • Homepage "Wärme für das Ahrtal"
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