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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wasserschäden, Schimmel, dunkle Flure Entsetzen über Zustände an Kölner Förderschule
Schlechte Raumsituation, mangelnde Hygiene und außer Acht gelassene soziale Aspekte: Kölner Eltern zeigen sich entsetzt über die Zustände an der Förderschule ihrer Kinder. Auch ein zwischenzeitlicher Umzug hat die Situation nicht verbessert.
Anna-Joelle war so froh, dass sie nach der langen Zeit der Corona-Pandemie wieder regelmäßig in die Schule gehen konnte. Doch nach den Sommerferien ging es für die 16-Jährige anstatt in ihre Schule an der Sportplatzstraße im Kölner Stadtteil Porz-Wahnheide nach Mülheim. Der Grund: Raummangel. Mit katastrophalen Folgen.
An der Pestalozzischule, einer Förderschule für geistige Entwicklung, war schlichtweg kein Platz mehr. Deswegen wurden die Klassen der Berufspraxisschüler und -schülerinnen, die bald in Behindertenwerkstätten einer Arbeit nachgehen werden, ausgelagert. Ins über 16 Kilometer entfernte Mülheim.
Die Zustände, die sich den 21 Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Eltern in einem Nebengebäude des Genoveva-Gymnasiums boten, waren unzumutbar: Wasserschäden, ausdünstender Parkettkleber, Schimmel. Hinzu kamen dunkle Flure am helllichten Tag. Für das Licht auf dem Weg zur Toilette musste das Handy herhalten.
Förderschule in Köln: "Die Kinder standen im Wasser"
Auch stellte sich die Frage, ob das Trinkwasser aus den Leitungen auch wirklich trinkbar ist – untersucht worden war es nämlich nicht. Sicherheitshalber wurde von den Eltern ein Lieferdienst beauftragt, der Wasserkästen brachte.
Wolfgang Floßbach, dessen Sohn Nils ebenfalls nun in Mülheim unterrichtet wird, kommt aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. "Die Kinder standen in der Toilette im Wasser, es tropfte von der Decke." Zudem seien die Sanitäranlagen überhaupt nicht behindertengerecht. Pflegeliegen – Fehlanzeige. Dabei sind diese für manche der Schülerinnern und Schüler immer wieder nötig. Der Vater berichtet von übergelaufenen Toiletten, Fotos zeigen Wasser, das sich seinen Weg bis in die Klassenräume bahnt.
Die Räumlichkeiten befinden sich im dritten Stock. Und bergen damit die nächste Gefahr für die Schülerinnen und Schüler. Ein regelmäßiges Lüften der Räume, wie es im Rahmen des Infektionsschutzes vorgesehen ist, ist nur unter permanenter Aufsicht möglich. Zu groß die Gefahr, dass Kinder dort mehrere Meter in die Tiefe stürzen könnten.
Die Fenster wiederum können nicht abgeschlossen werden, da diese als Notausgang gekennzeichnet sind. Die Schülerinnen und Schüler sind jedoch nicht in der Lage, bei Feuer aus diesen Fenstern auf eine Leiter der Feuerwehr zu klettern. "Was man unseren Kinder, aber auch den Lehrkräften zumutet, ist ein Unding", schimpft Floßbach.
Neuer Standort in Mülheim: Rollstuhlfahrer konnten nicht mit umziehen
Anna-Joelles Mutter, Anja Müller, bringt es auf den Punkt: "Die Schule ist einfach nicht behindertengerecht." Damit sind nicht nur die Räume und Sanitäranlagen gemeint. Es ist der Standort selbst: Der Schulweg sei für die Schülerinnen und Schüler viel zu lang. Manche von ihnen, die vorher selbstständig mit dem Bus zur Schule gefahren sind, könnten das nicht mehr.
Schülerinnen und Schüler, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, konnten nicht mit nach Mülheim umziehen. Wegen der Stufen in den dritten Stock ist es dort nicht barrierefrei. "Der etablierte Klassenverband musste demzufolge aufgelöst werden“, so Müller. Und Floßbach ergänzt: "Von heute auf morgen sind die Schülerinnen und Schüler aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen worden. Manche Bezugspersonen wie Lehrer und auch Mitschüler fehlen am neuen Standort."
Auch entspreche der Schulhof in Mülheim den Eltern zufolge nicht den Voraussetzungen, die die Kinder der Förderschule brauchen, um sicher spielen zu können. Zudem sei er nicht gegen ein Weglaufen gesichert.
Behindertenbeauftrager: "Unzumutbare Unterbringung"
Mit dieser langen Mängelliste haben sich die Eltern an die Politik, Gremien und die Stadt gewandt. Auf Nachfrage von t-online, ob es nicht einen anderen Standort gegeben habe, um die Kinder unterzubringen, heißt es bei der Stadt Köln: "Aufgrund der angespannten gesamtstädtischen Schulraumsituation war der Standort Holweider Straße (...) die einzige alternative Unterbringungsmöglichkeit, um den Mehrbedarf der Förderschule Sportplatzstraße zu decken." Es wird aber eingeräumt, dass Sanierungen durchgeführt werden müssen.
In einem Schreiben aus dem Büro der Behindertenbeauftragten der Stadt heißt es: "Aus meiner Sicht handelt es sich hier um eine unzumutbare Unterbringung der Schülerinnen und Schüler mit Behinderung. Insbesondere die sanitären Anlagen, die Raumsituation und die hygienischen Bedingen machen ein unverzügliches Handeln des Schulträgers erforderlich."
Neuer Standort ebenfalls nicht behindertengerecht
Nach den Beschwerden ist die Stadt Köln tätig geworden – das kann Anja Müller bestätigen. Doch Freude will bei ihr nicht aufkommen. Zwar wurde für die Kinder der Förderschule ein neues Gebäude auf dem Schulareal am Standort Mülheim gefunden. Allerdings gibt es weiterhin Probleme: Das Gebäude ist ebenfalls nicht vollständig behindertengerecht und hat keine Toiletten. Die Pflegeliege für Schülerinnen und Schüler steht in einem kleinen Behinderten-WC neben der Turnhalle. Telefon und Internet gibt es nicht.
Die Küche ist aufgrund des Wasserschadens und des Schimmelverdachts im früheren Gebäude nicht nutzbar. Der zur Verfügung stehende Werkraum darf laut Aussage des Genoveva-Gymnasiums nicht von den Förderschülern genutzt werden, so Müller. Er fordert deshalb die kurzfristige Bereitstellung einer Lernküche sowie den Zugang zu den Werkräumen – auch um dem Gefühl der Ausgrenzung und Diskriminierung entgegenzuwirken.
Containerlösung kurzfristig nicht umsetzbar
Es müsse mittelfristig dringend eine Containeraufstellung an der Stammschule in Porz-Wahnheide bewilligt werden. Doch: "Die Aufstellung neuer Container für aktuelle Engpässe ist kurzfristig nicht umsetzbar, da vergaberechtliche Vorgaben, Genehmigungsverfahren und Aufstellung rund zwei Jahre in Anspruch nehmen", heißt es auf Nachfrage bei der Stadt.
Bleibt die Frage: Wenn der Bedarf an Förderschulplätzen derart gestiegen ist, dass der Platz einer Schule nicht ausreicht, sollte es da nicht Planungen geben, bestehende Förderschulen auszubauen oder gar eine neue Schule zu bauen? Von der Stadt heißt es dazu, die Verwaltung prüfe diesen Punkt aktuell intensiv. Und weiter: "Insbesondere bestehende Schulgebäude sind oft problematisch in Sachen Barrierefreiheit, die insbesondere für Förderschulen von elementarer Bedeutung sind." Das erleben einige Kölner Förderschülerinnern und -schüler gerade hautnah.
- Telefonat mit Wolfgang Floßbach
- Telefonat mit Anja Müller
- Schreiben des Behindertenbeauftragten der Stadt Köln
- Anfrage an die Stadt Köln