Zeitreise mit Virtual Reality So sah das Köln der Zwanzigerjahre aus
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wie wäre es, einmal in eine andere Zeit zu reisen? Die neue Produktion der Firma "Timeride" macht es möglich. Mithilfe von digitaler Technik entführt sie in das Köln des Jahres 1926. Es ist ein Wiedersehen mit einer Stadt, die es längst nicht mehr gibt.
Den Rosenmontag des Jahres 1926 feiern die Kölner noch verhalten. Das englische Militär, das nach dem Ersten Weltkrieg in Köln für einige Jahre das Sagen hatte, ist gerade abgezogen. Den Karneval hatten die Besatzer verboten, nun trauen sich einige Kölner wieder verkleidet auf die Straßen.
Ab Samstag entführt die neue Produktion der Firma "Timeride" am Alten Markt in das Köln jenes denkwürdigen Rosenmontags. Höhepunkt der 45-minütigen Zeitreise ist eine virtuelle Straßenbahnfahrt quer durch die Kölner Innenstadt vom Alten Markt bis zum Neumarkt.
Zahlreiche Gebäude digital rekonstruiert, die im Krieg zerstört wurden
Es ist ein wehmütiges Wiedersehen mit einer Stadt, die es so nicht mehr gibt. Laut Produktdirektorin Lisa Schulz wurden unter anderem 1.200 Gebäude in mühevoller Recherche- und Entwicklungsarbeit digital rekonstruiert, damit die Straßenbahn durch möglichst authentische Kulissen rollen kann. Heute existierten davon noch genau 26 Gebäude. Gerade von der Kölner Altstadt ist nach dem Zweiten Weltkrieg nicht viel übrig geblieben.
Zuletzt wurden die Zeitreisenden in die Zeit Kaiser Wilhelms II. katapultiert, nun also geht es in die "Goldenen 20er-Jahre" der Weimarer Republik. Erst mit dem Abzug der Besatzer sei 1926 für die Kölner der Erste Weltkrieg zu Ende gewesen, so "Timeride"-Gründer Jonas Rothe bei der Vorab-Vorstellung des neuen Programms.
Dazu kamen die überstandene Spanische Grippe und die wirtschaftliche Erholung: "Man hatte diese Aufbruchstimmung." Insofern gebe es Parallelen zur Jetztzeit mit ihren (hoffentlich) überstandenen Corona-Lockdowns. Auch "Timeride" musste wegen der Pandemie rund ein Jahr lang pausieren.
Geschichtsstunde mal anders und auf Kölsch
Der Besucher von "Timeride" wird zunächst in einem kleinen Kino auf die zeitlichen Umstände eingestimmt. Im Schnelldurchlauf werden mit Originalaufnahmen der Erste Weltkrieg, die Hyperinflation 1923 und die Einweihung der Petersglocke ("Dicker Pitter") am Dom im Jahr 1924 abgehandelt.
Danach geht es in den Hutmacherladen des fiktiven Charakters Tessa, die in die extravagante Mode der 1920er-Jahre einführt. Als virtuelle Figur taucht Tessa später wieder auf, wenn Bahnfahrer Pitter in Richtung Neumarkt rollt und aus seinem offenen Führerstand so manche Kostprobe kölschen Sprachgebrauchs liefert.
Wer will, kann die Fahrt auch auf Englisch und komplett auf Kölsch wählen. "Mein Favorit ist wirklich die Version auf Kölsch", sagt Musiker Björn Heuser, der Pitter dank moderner Digitaltechnik Stimme und Statur verliehen hat. Hutmacherin Tessa hingegen wird von Schauspielerin Anne K. Müller verkörpert.
VR-Brillen machen Zeitreise möglich
Die Welt der beiden Hauptfiguren betreten die Zeitreisenden mithilfe von Virtual Reality-Brillen, die es erlauben, sich frei in den Straßenschluchten des alten Kölns umzuschauen. Die real existierende Straßenbahn-Attrappe rumpelt leicht, als sie plötzlich wieder da sind: die Prachtbauten, die es längst nicht mehr gibt. Der Hauptbahnhof mit seinem 42 Meter hohen Turm etwa, das Hotel "Ewige Lampe" am Dom, dessen Brauhaus einst Karl Marx und Komponist Jacques Offenbach besuchten. Oder das neugotische Wallraf-Richartz-Museum auf dem Grundstück des ehemaligen Minoritenklosters.
Ohne den Dom geht es natürlich auch nicht. Wer genau hinschaut, kann am Straßenrand nicht nur Schlägereien und Kinder mit spitzen Karnevalshüten erkennen, sondern auch die Bandmitglieder von Brings und Pläsier. Kleinere Spielereien mit Gegenwart und Vergangenheit gehören eben auch zum sehr liebevoll gestalteten Programm.
Zeitzeuge: "Sehr präzise und authentisch"
Als Pitter schließlich am Neumarkt ankommt, biegt der Karnevalsprinz in der Kutsche um die Ecke. Der Tag ist sonnig und die Kölner haben ihren Karneval endlich wieder. Doch das Schlusswort von Krätzchensänger Ludwig Sebus, der ebenfalls einen kurzen Auftritt im Film als Kind bekommt, lässt nichts Gutes erahnen. "Damals war nicht auszudenken, dass Köln schon in wenigen Jahren in Schutt und Asche versinken würde", sagt der fast 96-Jährige am Ende der Zeitreise.
An die späten 1920er-Jahre kann sich die Karnevalslegende noch erinnern. Dem Film bescheinigt er, "sehr präzise und authentisch" zu sein: "Der Kölner Alltag zeigt sich in seiner ganzen Breite." Aber Ludwig Sebus weiß eben auch, dass nach den goldenen Jahren schon bald dunkle Jahre für Köln anbrechen sollten.
- Teilnahme an Pressevorführung und Pressegespräch am 26. August