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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach Vorstoß in Bezirk Kommt bald Tempo 30 in ganz Köln?
Fast überall Tempo 30 in einer Millionenstadt? In Köln könnte genau das Realität werden. Im Bezirk Nippes soll der Verkehr bald nur noch auf wenigen Hauptachsen schnell rollen. Die Grünen wollen das auf die ganze Stadt ausweiten.
In der Bezirksvertretung Nippes hat seit der Kölner Kommunalwahl des vergangenen Jahres ein außergewöhnlich buntes Parteienbündnis das Sagen: Unter der Führung der größten Fraktion, den Grünen, gehören dazu mehrere Einzelmandatsträger – von der FDP, der Linken sowie den Wählergruppen GUT und den "Klimafreunden".
Vor Kurzem hat dieses Bündnis ein ambitioniertes Vorhaben auf den Weg gebracht: Im gesamten Stadtbezirk Nippes soll künftig Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit gelten. Hierfür soll Nippes als Modellstadtbezirk ausgewiesen werden. Mit 50 soll es dann nur noch auf den wenigen Schnellstraßen vorangehen, wo Fuß- und Radverkehr baulich von der Fahrbahn getrennt sind, etwa auf der Militärringstraße in Longerich oder der Amsterdamer Straße in Riehl.
Ein Signal für die ganze Stadt? Immerhin leben in Nippes mehr als 100.000 Menschen. Für Lars Wahlen, dem verkehrspolitischen Sprecher der Grünen im Kölner Stadtrat, ist der Weg, den der Bezirk geht, der richtige. "Wir würden es sehr befürworten, wenn in großen Teilen der Stadt Tempo 30 eingeführt werden würde", sagt Wahlen.
Initiative für Tempo 30 auch mit Köln?
Sieben Städte, darunter Aachen, Leipzig und Hannover haben bereits eine Bundesinitiative für Tempo 30 gestartet. Denn: Dass Stadtbezirke oder gar ganze Städte zur Tempo-30-Zone werden sollen, ist gesetzlich gar nicht vorgesehen. Die Städte wollen dieses Recht den Kommunen geben. In Nippes ist man sich dessen bewusst: "Darum haben die Fraktionen den Antrag auch sehr detailliert ausgearbeitet und etwa mit der Nähe von Wohnungen und Kitas argumentiert, das ist bereits von Regelungen abgedeckt", erklärt Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert (Grüne).
Bei den Grünen im Stadtrat überlegt man unterdessen bereits, sich der Initiative der sieben Städte anzuschließen. Die aktuelle Lage mache es aus städtebaulicher Sicht oft schwer: Im Umkreis von Kitas und Altenheimen etwa dürfe zwar Tempo 30 ohne Weiteres eingeführt werden – liege aber zwischen zweier solcher Einrichtungen zu viel Platz, dürfe der Verkehr dazwischen wieder mit Tempo 50 rollen. "Da sind die Leute dann eher verwirrt, welches Tempo dann gilt, sagt Lars Wahlen.
Für ihn ist deshalb klar: Wie die Höchstgeschwindigkeit in einer Stadt geregelt werden soll, das gehöre in die Hand der Kommune. "Die haben die Verkehrsdaten und wissen, wo etwas aus städtebaulicher Sicht Sinn ergibt." Und: Die Möglichkeit, flächendeckende Tempo-30-Zonen bestimmen zu können, bedeute ja nicht, dass auf allen Straßen automatisch nur noch so schnell gefahren werden dürfe. Dennoch erhofft er sich davon die Möglichkeit, Tempo 30 in vielen Straßen umzusetzen.
CDU: "Nicht alle können auf ÖPNV oder Fahrrad umsteigen"
Doch bei der CDU, Koalitionspartner der Grünen im Kölner Stadtrat, hält man davon wenig. "Ich bin kein Freund davon, zu sagen, wir haben jetzt durchgängig Tempo 30", sagt Teresa De Bellis-Olinger, verkehrspolitische Sprecherin der Partei. An manchen Stellen sei das sinnvoll, dennoch seien auch leistungsstarke Straßen wichtig. "Nicht alle haben die Möglichkeit, auf öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad umzusteigen."
Stattdessen setzt sie auf das neue Grundnetz für den motorisierten Individualverkehr. Darin sollen Verkehrsachsen definiert werden, auf denen künftig Autos Vorrang haben – abseits davon sollen vor allem Radfahrer, Fußgänger sowie Stadtbahnen und Busse Platz bekommen. Das Grundnetz hat der Rat bereits im Juni beschlossen. Die Verwaltung sei gerade dabei, dieses zu erarbeiten, mit Ergebnissen rechne sie zum Ende des Jahres, so De Bellis-Olinger.
Zustimmung für Tempo 30 in Nippes
Im Kölner Bezirk Nippes glaubt man, die Bürger bei dem Vorhaben auf seiner Seite zu haben. "Sicherheit ist allen wichtig. Und es ist einfach wichtiger, sicher über die Straße zu kommen, als Tempo 50 fahren zu dürfen", ist Bezirksbürgermeisterin Siebert überzeugt.
Tatsächlich stößt die Idee bei Bewohnern der betreffenden Viertel auf Zustimmung. "Wir begrüßen es sehr", sagt etwa Najib Ramz vom Bürgerverein Für Nippes e.V. "Man sieht einfach, dass Fußgänger und Radfahrer sich in Tempo-30-Zonen freier bewegen." Auch Florian Dickmeiß, Anwohner der stark befahrenen Niehler Straße in Nippes und selbst Autofahrer, hat "nichts dagegen, Tempo 30 zu fahren", wie er sagt. "Das ist zwar anstrengender, aber effektiv ist man bei dem Verkehr ja heute schon nicht schneller."
Robert Stollwerk, wie Dickmeiß Familienvater, wohnt im weiter auswärts gelegenen Longerich, das von Einfamilienhaussiedlungen geprägt ist. Auch er nutzt hauptsächlich das Auto, "deshalb hätte ich persönlich einen Nachteil daraus", räumt er ein. "Dennoch finde ich es nicht falsch. Wenn es zu weniger Unfällen und geringerem CO2-Ausstoß führt, sollte man es machen."
Reker wollte Tempo 30 bereits im letzten Jahr
Ob und wann es in Köln nur noch auf den großen Verkehrsachsen schnell zugehen wird, ist derzeit noch völlig unklar. Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte sich bereits im vergangenen Jahr während der Hochphase der Corona-Pandemie für ein flächendeckendes Tempo 30 in der Innenstadt ausgesprochen – allerdings war dies wohl nur vorübergehend gedacht und wurde auch nie umgesetzt.
Sollte künftig das Recht, flächendeckende Tempo-30-Zonen einzuführen, bei der Stadt liegen, würden die Grünen jedenfalls rasch Änderungen herbeiführen wollen. "Sobald es die gibt, kann das ganz schnell passieren", ist sich Lars Wahlen sicher. Dass der Koalitionspartner dabei mitzieht, scheint jedoch unwahrscheinlich. Einig sind sich die Parteien aber in einem: dass die Autos aus den Veedeln zurückgedrängt werden sollen.
- Ratsinformationssystem der Stadt Köln
- Pressemeldung der Grünen Nippes
- Telefonate mit Lars Wahlen und Teresa De Bellis-Olinger
- Gespräch mit Diana Siebert
- Gespräche mit Najib Ramz, Florian Dickmeiß und Robert Stollwerk