Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Simone Standl erhebt Vorwürfe WDR sortiert Moderatorin aus: "Hier herrscht Jugendwahn"
17 Jahre lang moderierte Simone Standl die "WDR-Lokalzeit" aus Köln. Nun ist Schluss. Sie hätte gerne noch länger gearbeitet. Doch das wollte der Sender nicht.
Mitten in der Pandemie teilte der Sender WDR der Moderatorin Simone Standl mit, dass Ende Juni Schluss sei. "Es gab ein einziges Gespräch, in dem man mir mitteilte, dass in sieben Monaten Schluss ist. Niemand hat nach meiner persönlichen Situation gefragt. Ich habe zwei Töchter, die beide im Studium sind. Heute steht man doch mit 59 Jahren noch voll in Lohn und Brot und denkt nicht an Rente. Ich hätte gerne noch ein paar Jahre moderiert, vielleicht bis 65", sagt sie im Gespräch mit t-online. In der Presse habe damals gestanden, Standl möchte mit 59 Jahren andere Wege gehen, erinnert sie sich – und nennt das "Bullshit".
"Man wird behandelt wie ein Lehrling"
Beim WDR bestätigt man das Aus. "Unter den 'Lokalzeit'-Moderatoren und Moderatorinnen gibt es immer wieder Wechsel. Das ist normal – und das wissen auch die Moderatoren und Moderatorinnen. Die Sendung lebt davon, dass sie in regelmäßigen Zeiträumen Neues ausprobiert", teilt Sprecher David Hebing auf Anfrage mit.
Wie die meisten Moderatorinnen und Moderatoren arbeitet Simone Standl nicht als Angestellte, sondern als freie Journalistin. Ein hauseigener Vertrag sichert sie nur wenig ab. Ihr selbst habe der Sender gesagt, er müsse "diverser" werden. Dies ginge nur mit neuen Gesichtern. "Mich hat niemand nach meinen Wünschen gefragt. Man wird behandelt wie ein Lehrling, der die Probezeit nicht bestanden hat", beschrieb Standl im "Kölner Stadt-Anzeiger" ihre Gefühle.
Das Wort Alter nimmt der WDR ungern in den Mund. "Trotzdem kann man an vielen Stellen Altersdiskriminierung heraussehen", sagt Simone Standl. Als ihr ungewollter Abschied im Sender die Runde machte, setzten Kolleginnen und Kollegen eine Protestnote auf. 50 unterschrieben, viele aber auch nicht. "Ich kann diese Kolleginnen und Kollegen verstehen. Sie haben Angst um ihre Existenz", sagt Standl.
"Stimmung auf dem Tiefpunkt"
Mittwochabend stand Standl, sonst gerne in farbenfrohe Kleider gehüllt, in schwarzer Hose und schwarz-weißem Pullover im Lokalzeit-Studio, moderierte die Beiträge an. Es war ihr letzter Auftritt in der Sendung. Am Ende stieß Kollege Henning Quanz (53) dazu, teilte den Zuschauern mit, dass dies die letzte Sendung der Kollegin sei. Ein kleines Filmchen folgte, das Standl bei ihrer ersten Moderation vor 17 Jahren zeigte. Auch ihre Einsätze bei der Fußball-WM 2006 oder im Karneval kamen darin vor.
"Hier herrscht Jugendwahn"
Weggefährten ballten im Hintergrund die Fäuste, tuschelten. "Die Stimmung ist auf einem absoluten Tiefpunkt. Viele ältere Kollegen fragen sich, wer der nächste ist, der aus Altersgründen gehen muss. Hier herrscht Jugendwahn", berichtet ein langjähriger Mitarbeiter, der nicht genannt werden möchte.
Simone Standl ist nicht die erste Moderatorin, die beim WDR unfreiwillig ausscheidet. Im vergangen Jahr musste WDR-Urgestein Stephan Pinnow mit 51 Jahren gehen. 13 Jahre hatte er die Nachrichtensendung "Hier und Heute" und das Reisemagazin "Wunderschön!" moderiert. Mit "konzeptionellen Änderungen" begründete der WDR damals das Aus für den langjährigen Mitarbeiter.
Die unsichtbare Altersschranke bekam auch die Tierärztin und langjährige Moderatorin des Magazins "Tiere suchen ein Zuhause", Claudia Ludwig, zu spüren. 2012 musste sie ihren Platz für Simone Sombecki räumen. Zehn Jahre lang hatte die Diplom-Pädagogin zuvor zum Moderatoren-Team des Shopping-Senders "QVC" gehört.
Reaktionen im Netz: "Unmoralisch, brutal und eiskalt"
Unterdessen schlägt das Aus der beliebten Moderatorin in den sozialen Medien hohe Wellen. Hunderte von Mail und Posts sind bei Simone Standl eingegangen. "Sie sind alle sehr wertschätzend. Das tut unglaublich gut". Auch der Kölner Musiker Peter Brings hat ihr geschrieben und sein Bedauern ausgedrückt. "Darüber habe ich mich riesig gefreut", sagt Standl.
Auch Facebook-User bekunden öffentlich ihr Bedauern über die Entscheidung des Senders. "Buhrow war ein guter Amerika Korrespondent. Hätte er gerne bleiben können", schreibt zum Beispiel ein User. Ein weiterer Nutzer postet: "Unglaublich, der WDR hat sich sehr gewandelt in den letzten Jahren, leider nicht zum Vorteil. Simone Standl, danke für die stets kompetente und erfrischende Moderation der 'Lokalzeit'". Eine andere Userin schreibt: "Dann ignoriere ich in Zukunft WDR".
Viele kritisieren die mangelnde Wertschätzung des Alters. Eine Facebook-Userin denkt, dass man es beim WDR ab einem bestimmten Alter schwer hat: "Der Fall erinnert mich an die erste Moderatorin von 'Tiere suchen ein Zuhause' (Claudia Ludwig). Das war auch so unmoralisch, brutal und eiskalt".
Deutlich jüngere Kollegin übernimmt den Job
Ab Mitte Juli übernimmt die deutlich jüngere Kollegin Sümeyra Kaya den Job von Simone Standl. Standl hat der WDR angeboten, künftig Lokalnachrichten im WDR2-Hörfunk zu sprechen. "Ich werde jetzt erst einmal durchatmen und mich sortieren. Im August geht es dann mit Hörfunk weiter", sagt die Fernsehmoderatorin.
Einen kleinen Grund zur Freude hatte sie immerhin am Mittwochabend, den die Zuschauerinnen und Zuschauer jedoch nicht sehen konnten: "Die Kollegen haben mir einen wunderschönen Blumenstrauß geschenkt. Mein Kollege hat nur vergessen, ihn mir vor der Kamera zu übergeben."
- Eigene Recherche
- Interview mit Simone Standl
- Auskunft Pressestelle WDR
- Gespräch mit WDR-Mitarbeiter (Name der Redaktion bekannt)
- "Kölner Stadt-Anzeiger": Lokalzeit-Moderatorin wehrt sich gegen WDR-Rauswurf wegen Diversität