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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Weniger Corona-Beschränkungen Mehr Freiheiten für Geimpfte – das sagen Kölner
Für Geimpfte gelten viele Corona-Beschränkungen nicht mehr. Das sorgt für Diskussionsstoff, denn Impfstoff ist knapp und viele müssen noch lange auf ihre Impfung warten. Wie finden das Kölnerinnen und Kölner?
Je mehr Leute geimpft sind, desto größer wird der Drang, wieder zum normalen Leben zurückzukehren. Die Geimpften dürfen sich laut einem bundesweiten Beschluss wieder uneingeschränkt mit anderen Geimpften treffen und ohne Test shoppen gehen.
Wenn Kneipen und Theater öffnen, genießen sie auch dabei Vorteile. Ungerecht finden das diejenigen, die noch länger auf ihre Impfung warten müssen. So wie Patrick: "Man fühlt sich wie ein Mensch zweiter Klasse", sagt der 33-Jährige. "Man braucht ewig, um einen Impftermin zu bekommen."
Ähnlich sieht das eine Frau, Mitte 40, die anonym bleiben will. Sie findet die Erleichterungen für Geimpfte verfrüht, denn solange es noch nicht genug Impfstoff für alle gebe und man dadurch gezwungen sei, sich Astrazeneca spritzen zu lassen, sei das Vorgehen vom Bund unfair. Das habe auch nichts mit Impfneid zu tun.
Der 19-jährige Cem spricht sogar von Impfzwang durch die Hintertür, wenn bald nur noch diejenigen reisen dürften, die gegen Corona geimpft seien.
"Ich freue mich für meine Oma"
Die meisten Kölner scheinen allerdings solidarisch mit den schon Geimpften zu sein und gönnen den zumeist älteren Bürgern ihre "neuen" alten Freiheiten. "Ich freue mich, dass sich meine Oma wieder mit anderen treffen kann", sagt die 26-jährige Kira. "Es ist jedem zu gönnen. Das macht die Situation normaler."
Der 55-jährige Uwe sagt, nur weil sich einzelne nicht impfen lassen wollten oder könnten, müssten die Geimpften ja nicht noch länger auf ihr normales Leben warten. "Für die jungen Leute fände ich es gut, wenn die mal wieder mehr Bewegungsfreiheit haben", sagt die 76-jährige Maria. "Ich selbst vermisse diese Freiheiten nicht so sehr."
Mathis ist dagegen eher geduldig. Der 15-Jährige sagt, solange die anderen Ungeimpften genauso wenig dürften wie er, fühle er sich nicht benachteiligt.
Ein ethisches Dilemma
Der Ethiker Georg Marckmann von der Ludwig-Maximilians-Universität in München betrachtet die Diskussion gegenüber differenzierter. Er stellt die Frage, ob es vor dem Hintergrund zunehmender Durchimpfung und sinkender Infektionszahlen überhaupt noch lange Freiheitseinschränkungen geben sollte.
Dennoch sieht er auch das ethische Dilemma: "Auf der einen Seite sind wir verpflichtet, Freiheitseinschränkungen möglichst bald zurückzunehmen, wenn sie für die Kontrolle der Pandemie nicht mehr erforderlich sind. Auf der anderen Seite sollten pandemiebedingte Freiheitseinschränkungen nach Möglichkeit für alle Menschen gleichermaßen gelten, da sonst Ungleichheiten in den Lebenschancen entstehen", so der Wissenschaftler.
Welche Ungleichbehandlung ist vertretbar?
Um aus diesem Dilemma herauszukommen, schlägt er vor, dass man auch Möglichkeiten in Betracht ziehen sollte, Menschen mehr Freiheiten zu geben, auch wenn sie nicht geimpft sind. Möglich sind hier beispielsweise Schnelltests, die im Tübinger Modell schon sehr viel bewirkt hätten.
Auch wenn Menschen mit Impfung immer noch schneller und einfacher ins Kino kommen würden, sei diese Ungleichbehandlung ethisch vertretbar. Wie das allerdings bei privaten Treffen umgesetzt werden kann, muss der Gesetzgeber noch regeln. Hier gilt nach wie vor eine Kontaktbeschränkung und das gleiche gilt auch für die Ausgangsbeschränkung. Beide Regeln fallen bisher nur für Geimpfte und Genesene.
"Aus meiner Sicht kann diese Diskussion beendet werden, wenn man die richtige Frage in den Vordergrund stellt", sagt der Ethiker. "Ist es unter den gegebenen Umständen noch gerechtfertigt, die Freiheitseinschränkungen für Nicht-Geimpfte aufrechtzuerhalten?"
Würde man den Nicht-Geimpften eine gut begründete Antwort auf diese Frage geben, dann dürfte es auch für sie noch leichter sein, die Einschränkungen geduldig zu ertragen. Diese Frage werde seiner Meinung nach allerdings zu wenig diskutiert.
- Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern
- Interview mit Ethiker Georg Marckmann