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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kölner Urgestein Köln nimmt Abschied von "Karate Jacky"
Mit einem letzten Gruß nahmen Dutzende Menschen in Köln Abschied von der Milieugröße Jakob Franzen, genannt "Karate Jacky". Wer war der Mann?
Anfang April starb Jakob Franzen alias "Karate Jacky". Der Tod des ehemaligen Türstehers und Bodyguards löste in Köln ein großes Echo an Anteilnahme aus. Schließlich verliert die Domstadt mit Franzen eine der letzten Größen des ehemaligen "Miljös", das Köln trotz – oder gerade wegen – seiner Anrüchigkeit maßgeblich prägte.
Aus einem Lautsprecher tönt "Eye Of The Tiger" über den Westfriedhof in Köln-Vogelsang, während sich rund 200 Trauergäste um eine festlich geschmückte Grabstätte versammeln. Unter der bestmöglichen Einhaltung der Corona-Regeln und der Überwachung durch das Ordnungsamt wollen sie Abschied von dem Kölner Urgestein Jakob Franzen nehmen, der unter seinem Alias "Karate Jacky" zur lokalen Legende geworden ist.
Der Weltmeister der Straße
In den 80er Jahren gehörte Franzen zu den berühmtesten Persönlichkeiten des "Miljös", wie die einstige Rotlichtszene der Domstadt bis heute genannt wird. Zu einer Zeit, in der Köln als kriminellste Stadt Deutschlands noch den Beinamen "Chicago am Rhein" trug, arbeitete der gelernte Maschinenschlosser als Türsteher und Personenschützer in Kölns Halbwelt, seine Kampffertigkeiten brachten ihm bald den Namen "Karate Jacky" ein.
Der sogenannte Weltmeister der Straße besaß den schwarzen Gürtel in drei asiatischen Kampfkünsten, war Auswahlkämpfer des Deutschen Judoverbandes und sogar für den Deutschen Olympiakader nominiert – bis ihm die Nominierung auf Grund seiner Nähe zum "Miljö" wieder entzogen wurde. Auf der Straße aber brachte seine körperliche Fitness dem jungen Kampfsportler schnell einen Ruf ein, der bis heute nachhallt.
Franzen starb im Alter von 60 Jahren
Franzen teilte aber nicht nur aus, sondern musste auch selbst einiges einstecken: Für kurze Zeit führten ihn seine halbseidenen Wege ins Gefängnis, zuletzt lebte er mittellos im Annoheim in der Südstadt, einer Unterkunft für Obdachlose. Nicht weil er keine Freunde oder Familienangehörige gehabt hätte, die sich um ihn kümmern wollten: Franzen wollte keine Hilfe haben. Am 1. April starb er in seinem Zimmer des Wohnheimes eines natürlichen Todes. Er wurde 60 Jahre alt.
Alter Wegbegleiter nehmen Abschied
Die Zahl der Menschen, die ihm auf dem Westfriedhof die letzte Ehre erweisen, zeugt dabei noch einmal von dem großen Rückhalt und der Beliebtheit "Karate Jackys". So sind auch viele ehemalige Wegbegleiter zu Franzens Begräbnis erschienen, die ihn noch aus der gemeinsamen Zeit im "Miljö" kennen. Anton Claaßen etwa, der mit seinem Spitznamen "De lange Tünn" selbst zu Berühmtheit gelangte.
"Der Jakob war ein Eigenbrötler, der sich nicht helfen lassen wollte”, verkündet Claaßen der Trauergemeinde mit erstickter Stimme, "aber ich weiß, dass er seine Familie über alles geliebt hat". Mehrfach unterbricht der jahrzehntelange Freund seine Rede, um sich für seine Tränen zu entschuldigen: "Er war nicht nur stark, sondern auch liebevoll und aufrichtig. Der Jacky war ein super Kerl und er wäre sehr dankbar für diese Trauerfeier."
"Mein Vater wäre stolz"
Auch Franzens Sohn Mario ist von der enormen Anteilnahme der Kölnerinnen und Kölner ergriffen: "Ich möchte mich bei allen bedanken, dass ihr so zahlreich erschienen seid", erklärt er, "mein Vater wäre sehr stolz, wenn er das sehen könnte". Dass Franzen mehr gewesen ist, als der 'beste Straßenkämpfer des Miljös'" und auch eine andere, eine zarte Seite hatte, wird bei den Worten des Sohnes schnell ersichtlich: "Meinen Vater hat eine ganz spezielle Magie umgeben. Wenn er in den Raum kam, strahlte er immer so eine Wärme und Energie aus."
Bestatter erlässt Familie die Kosten
Im Vorfeld der Beerdigung hatten der lange Tünn und Franzens Freunde vom Motorradclub "Die Tafelrunde" eine Spendenaktion ins Lebens gerufen, um der einstigen "Miljö"-Größe eine würdevolle Trauerfeier geben zu können. An der Spendenaktion hatten sich über 500 Personen beteiligt, dabei kostet die Beerdigung Franzens Familie am Ende keinen Cent: Gökhan Yüksel vom Bestattungsunternehmen Paulinenhof erlässt den Angehörigen die Kosten für die Trauerfeier.
"Auch ich habe meinen Vater verloren", sagt er in Richtung von Franzens Sohn Mario, "und jetzt durchlebe ich diese schwere Zeit mit euch noch einmal". Yüksel, dem die Familie Franzen über die letzten Wochen ans Herz gewachsen sei, verzichte deswegen auf seine Bezahlung: "Egal wie viel Geld ich kriegen würde, ich könnte dir deinen Vater nicht wiederholen", so der Bestatter, der "Karate Jacky" selbst noch "von der Straße" kannte. Nun sollen die gesammelten Spenden an soziale Initiativen gehen, um sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen.
Franzen bleibt in Erinnerung
Nacheinander treten die Trauernden an das Urnengrab, um sich von ihrem Verwandten, Freund und Weggefährten zu verabschieden. Die Musiker Stefan Dahm und J.P. Weber begleiten die Zeremonie musikalisch. Franzen, so scheint es, wird den Kölnern wohl noch für eine lange Zeit in Erinnerung bleiben: Franzen, der Straßenkämpfer. Franzen, der Freund und Vater. Franzen, der den schwersten Kampf seines Lebens schlussendlich mit sich selbst ausfechten musste. "Just a man and his will to survive."
- Anwesenheit bei der Beerdigung
- Eigene Recherchen