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Köln: Wie ein Stalker mutmaßlich zum Mörder wurde – 22-Jährige getötet


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Mordprozess in Köln
Tonaufnahme mit Stimme des Opfers abgespielt


Aktualisiert am 23.02.2021Lesedauer: 4 Min.
Der Angeklagte mit seiner Verteidigerin Monika Troll (li.) und Dolmetscherin Gemila von Seckendorff.Vergrößern des Bildes
Der Angeklagte (Mitte) mit seiner Verteidigerin Monika Troll (li.) und Dolmetscherin Gemila von Seckendorff: Am Freitag begann in Köln der Mordprozess. (Quelle: Johanna Tüntsch)
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Im vergangenen Sommer wurde die 22-jährige Hanna mit 31 Dolchstichen ermordet. Vor dem Kölner Landgericht läuft das Verfahren gegen den mutmaßlichen Täter. Am Montag sagte unter anderem Hannas beste Freundin als Zeugin aus.

"Ich habe noch nie so ein liebes Mädchen gesehen. Ich vermisse noch immer ihr Lächeln." Mit dieser Aussage eines 39-Jährigen lässt sich zusammenfassen, welche Lücke der Tod der jungen Hanna (22) in ihrem Freundeskreis hinterlassen hat, nachdem sie im Sommer 2020 mit 31 Dolchstichen aus dem Leben gerissen wurde. Vor dem Kölner Landgericht läuft derzeit das Verfahren gegen den Mann (48), der die Tat zu verantworten hat. Er hat bereits ein Geständnis abgelegt.

Am Montag wurde unter anderem ihre frühere Mitbewohnerin (22) als Zeugin gehört. Als sie nun im Gerichtssaal dem Peiniger ihrer besten Freundin gegenüberstand, entfuhr ihr ein unterdrückter Schrei, bevor sie in Schluchzen ausbrach und sich bemühte, ihn mit der schmalen Hand vor ihren Augen aus ihrem Gesichtsfeld auszublenden.

"Ich wollte ihm helfen"

Die beiden bewohnten in Leverkusen gemeinsam eine Wohnung. "Wir haben uns zusammen durch die Schule gekämpft, um einen Abschluss zu machen", berichtete sie. Als könne sie den Tod der Freundin bis heute noch nicht fassen, wechselte sie beim Erzählen immer wieder zwischen Gegenwart und Vergangenheit: "Wir sind sehr gläubig. Deswegen gehen wir jeden Samstag in die Kirche und jeden Sonntag zu einer Versammlung für Jugendliche. Bis sie starb, waren wir immer zusammen. Sie war wie eine Schwester für mich. Jetzt bin ich allein". Bei diesem Satz krümmte sie sich zusammen; die schmalen Schultern zitterten hilflos, dann straffte sie sich wieder, um die Fragen des Gerichts über den Angeklagten zu beantworten.

Der Angeklagte habe in der Nachbarschaft gewohnt und sie manchmal gegrüßt, aber sie habe meist nicht reagiert, erklärte sie: "Weil es für mich dauert, bis ich jemanden kenne." Mit der Zeit wurde es immer schwieriger für sie, ihm auszuweichen, da er ihr regelrecht auflauerte: "Er weiß immer, wo wir sind. Er sagte, er wollte mich wegen Hanna kennenlernen."

Vielfach sei sie ihm ausgewichen, doch irgendwann, so die Zeugin weiter, stieg er in den Bus, mit dem sie zur Kirche fuhr, und redete dort auf sie ein. Er habe gesagt, dass er mit Hanna befreundet gewesen sei, sie aber nun keinen Kontakt mehr mit ihm haben wolle. "Ich wollte ihm helfen", so die 22-Jährige: "Ich habe zu Hanna gesagt: 'Rede mit ihm'. Aber sie wollte nicht. Sie meinte: 'Das habe ich schon so oft gemacht! Was er sagt, ist Quatsch. Ich habe ihm nie Hoffnungen gemacht'".

Zurück bleiben Trauer und Vorwürfe

Nach der Schilderung einer anderen langjährigen Freundin lernte der Angeklagte auch Hanna im Bus kennen, als sie auf dem Weg zur Kirche war: "Er sagte ihr, dass er in unsere Kirche gehen wolle, um die Bibel zu studieren und Gott mit uns anzubeten, und sie sagte: 'Okay'". Monatelang sei der Mann jeden Samstag in der Kirche aufgetaucht und habe sich schließlich sogar taufen lassen.

Die Freundin, die der gleichen Gemeinde angehört wie Hanna und ihre Mitbewohnerin, macht sich selbst Vorwürfe: "Wegen Corona hatte ich Sorge um meine Kinder. Sonst hätte ich ihr gesagt, dass sie zu uns kommen kann. Sie hatte so große Angst."

Nachdem der Angeklagte der Gemeinde angehörte, fing er an, Hanna offen Avancen zu machen, doch sie lehnte eine Beziehung ab. Auf Drängen ihrer Mitbewohnerin hin soll Hanna sich Ende Februar 2020 einmal darauf eingelassen, ihren hartnäckigen Verehrer in einem Café zu treffen, um ihn dort – bewusst in einem öffentlichen Raum mit vielen Menschen – noch einmal aufzufordern, sie in Ruhe zu lassen.

Opfer zur Verlobung gezwungen

"Hinterher war sie völlig aufgelöst", sagt die Zeugin weinend. Und weiter: "Sie meinte: 'Du hast mir gesagt, ich soll dahingehen und ich wäre beinahe tot gewesen'" Auf dem Weg nach Hause habe der Angeklagte in einem Waldstück Hanna in die Knie gezwungen, sie mit einem Hammer bedroht und so ihre Einwilligung zu einer Verlobung erzwungen. Seit jenem Tag bestimmte die Angst vor dem Stalker das Leben der beiden Freundinnen. Hanna wurde so ängstlich, dass sie Schlafstörungen entwickelte, das Haus kaum noch verließ und eines Tages von der Freundin im Keller gefunden wurde, wo sie versucht hatte, sich das Leben zu nehmen.

Auf das Drängen eines Freundes hin suchte Hanna Hilfe bei der Polizei. Um ihre Not zu beweisen, hatte sie Telefonate aufgezeichnet, in denen sie den Angeklagten zur Rede stellt. Ihre Mitbewohnerin legte den Kopf in die Hände, als die Stimme der toten Freundin vom Richterpult her aus einem Lautsprecher erklang. "Im Wald wolltest du mich mit dem Hammer erschlagen. Hättest du das wirklich getan?" Es folgt ein langes Ausatmen, dann Worte, die ein Dolmetscher übersetzt mit: "Weiß ich nicht. Ich wollte jemanden verschwinden lassen und selbst auch verschwinden."

Verteidigungskurs "Totschlag" wird schwierig

Mit deutlichen Worten bezieht das spätere Opfer Stellung zur erzwungenen Verlobung: "Das ist nur Zwang, nicht Liebe. Ich habe das nicht freiwillig getan, ich habe nur Angst, dass du jemandem oder dir selbst etwas antust. Du musst leben, wegen deiner Kinder. Aber was habe ich dir getan, dass du mir jetzt so etwas antust?"

Der Angeklagte ist in der Aufnahme damit zu hören, dass sein Leben anderenfalls keinen Sinn mehr habe: "Ich habe dir gesagt, entweder zusammen leben oder zusammen verschwinden." "Verschwinden", das stellt der Dolmetscher auf Nachfrage des Staatsanwaltes klar, sei in der Art, wie es hier verwendet würde, mit "sterben" gleichzusetzen.

Die Verteidigerin des Angeklagten hatte sich im Prozessauftakt bemüht, die Tat nicht als Mord, sondern als einen ungeplanten Totschlag darzustellen: "Aus Panik" habe ihr Mandant zugestochen, weil die junge Frau bei seinem Anblick so geschrien habe. Angesichts der Gesprächsprotokolle dürfte es für sie schwierig sein, diese Argumentation aufrecht zu erhalten. Das Urteil wird in den nächsten Tagen erwartet.

Verwendete Quellen
  • Anwesenheit im Gerichtsprozess
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