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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Frauen über Kirchenaustritt "Es war meine einzige Chance zu sagen: So nicht!"
Die katholische Kirche steht nicht erst seit dem Skandal um ein Missbrauchsgutachten in Köln in der Kritik. Für diese zwei Frauen war der Kirchenaustritt wie eine Befreiung – ihren Glauben hat das jedoch nicht gebrochen.
Die Krise im Erzbistum Köln spitzt sich wegen eines Gutachtens zu Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche zu. Der öffentliche Druck auf Kardinal Rainer Maria Woelki wächst. Zuletzt räumte der Erzbischof Fehler im Umgang mit einem Gutachten zu den Missbrauchsfällen ein. Für viele Katholiken kommt das zu spät – und hätte auch womöglich ohnehin nichts an ihrer Entscheidung geändert. Sie sind schon aus der Kirche ausgetreten. t-online hat mit zwei Frauen über ihre Beweggründe gesprochen – und was die Entscheidung zum Kirchenaustritt mit ihnen gemacht hat.
"Ich habe lange überlegt", erzählt Kerstin Völker-Stenzel über ihre Entscheidung, zum 1. Januar dieses Jahres die römisch-katholische Kirche zu verlassen. Immerhin sei sie in der katholischen Kirche sozialisiert und im christlichen Glauben fest verankert. "Die 2.000 Jahre alte Botschaft Jesu ist für mich Leitfaden und Lebenskraft."
Doch die vom Klerikalismus deformierte und starre Kirche wurde ihr immer fremder. Geldgier, Ignoranz, Selbstverliebtheit und Machtbesessenheit, eine sich selbst beweihräuchernde "Alte Männer-Kirche", die auf unzeitgemäße Moralvorstellungen baut und mit erhobenem Zeigefinger agiert, zwang sie die Reißleine zu ziehen und ihren Austritt einzureichen.
Der Umgang mit Frauen, die siebzig Prozent der ehrenamtlichen Arbeit in den Gemeinden leisten, ist oft geringschätzend und alles andere als auf Augenhöhe. Wenn man zudem bedenkt, dass nicht wenige Aktive das gleiche Theologiestudium absolviert haben wie die heutigen Priester, aber kein Priesteramt ausfüllen dürfen, weil sie eine Frau sind, ist das beschämend. Dabei herrsche doch offensichtlicher Priestermangel in der katholischen Kirche. Es störe sie, dass die Kirche ausschließlich von Männern geführt wird und die Gläubigen kaum Mitspracherecht haben.
Als anmaßend und herabwürdigend sieht Völker-Stenzel den Umgang mit Homosexuellen, Missbrauchsopfern und mit Geschiedenen. "Meine Vorstellung von Kirche heute ist die der einladenden, freundlichen und offenherzigen Art der Gemeinschaft für alle Christen, ganz egal welchen Familienstandes, ganz egal, welcher sexuellen Orientierung!"
"Ich würde es wieder so machen"
Ähnlich ging es auch Doris Bauer. Auch sie hat der römisch-katholischen Konfession 2020 den Rücken gekehrt, nach vielen Jahren ehrenamtlicher Tätigkeiten in ihrer Gemeinde. Auch sie hat ihre Beweggründe niedergeschrieben und auf die Missstände in ihrer Kirche hingewiesen. Das Schreiben wurde veröffentlicht und sorgte für große Wellen: Medien berichteten. Das ist nun mehr als ein halbes Jahr lang her.
Bauer ist weiterhin davon überzeugt, den für sie richtigen Weg gegangen zu sein: "Ich würde es wieder so machen", sagt sie. "Und ich würde es laut machen". Bauer ist ausgetreten, weil sie sich von der Kirche als Institution distanzieren wollte – und den "teilweise menschenunwürdigen und diskriminierenden Haltungen vieler Amtsträger", wie sie erklärt.
Auch der Umgang mit sexualisierter Gewalt durch Amtsträger und Priester war für sie ein Grund, aus der Kirche auszutreten. Bauer vermisse den konsequenten Willen vieler Geistlicher, Reformen und strukturelle Veränderungen tatsächlich auch umzusetzen.
In der Initiative Maria 2.0 hat sie sich wiedergefunden. "Es war für mich wie eine Erlösung", erzählt sie. Von Beginn an engagiert Bauer sich bei Maria 2.0, dem weltweiten Netzwerk Catholic Woman's Council und ist auch ihrer Gemeinde St. Agnes weiterhin verbunden. "Ich bin auch ohne das Label (römisch-katholisch, Anm. d. Redaktion) weiter Teil der christlichen Gemeinschaft. Mein Glaube bleibt von meinem Kirchenaustritt unberührt", sagt Bauer.
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