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Katholiken über die Krise im Erzbistum Köln: "Fühle mich betrogen":


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Katholiken berichten
Kirchen-Skandal in Köln: "Ich fühle mich betrogen"


Aktualisiert am 02.02.2021Lesedauer: 4 Min.
Der Kölner Dom an einem Wintertag. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki steht seit Monaten in der Kritik, weil er eiVergrößern des Bildes
Der Kölner Dom im Nebel an einem Wintertag 2021: Der Skandal um Kardinal Rainer Maria Woelki stürzt viele Christen in eine Glaubenskrise. (Quelle: Future Image/imago-images-bilder)

Eine Krise erschüttert das Erzbistum Köln: Der Umgang mit einem Missbrauchsgutachten treibt viele aus der Kirche. Was aber bewegt jene, die bleiben?

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ist in seinem eigenen Erzbistum zunehmend isoliert. Nach dem Diözesanrat distanzierte sich auch Stadtdechant Robert Kleine von ihm, der oberste Repräsentant der katholischen Kirche in der Stadt Köln. Termine für einen Kirchenaustritt beim Kölner Amtsgericht sind rar, was darauf hindeuten könnte, dass auch viele Gläubige sich abwenden. Doch es gibt auch jene, die bleiben – aus unterschiedlichen Gründen.

In Sachen Kirchenzugehörigkeit liegt hinter Ulrike Weinert (63) aus Köln ein Weg mit unterschiedlichen Abschnitten: Als Kind, im Ruhrgebiet katholisch getauft und erzogen, ist sie 1987 aus der Kirche ausgetreten. Der Grund: Empörung darüber, dass der Theologin Uta Ranke-Heinemann die Lehrerlaubnis entzogen wurde, nachdem sie öffentlich die biologische Jungfräulichkeit Marias angezweifelt hatte.

Zeitweise war Weinert Mitglied der evangelischen Kirche, doch das fühlte sich auf Dauer nicht richtig an. Wieder trat sie aus, entfernte sich aber nicht ganz vom kirchlichen Umfeld: Seit 2003 sang sie in einem Gospelchor der katholischen Gemeinde St. Anna im Kölner Stadtteil Neuehrenfeld. Dort lernte die Journalistin eine Frau kennen, deren schlichte, authentische Religiosität sie so beeindruckte, dass sie sich nach einigem Überlegen zum Wiedereintritt entschied.

"Ich lasse mir meinen Platz nicht nehmen"

Nun will sie bleiben. Auch, wenn sie nach dem anhaltenden Skandal immer wieder zweifelt: "Ich fühle mich betrogen. Aber ich versuche, damit klarzukommen. Ich trenne zwischen dem Glauben und der von Menschen gemachten Institution." Von der Institution ist sie enttäuscht – und findet doch, dass ein Austritt keine Lösung ist, denn: "Glauben und Gemeinschaft sind seit biblischen Zeiten miteinander verbunden. Ohne die Dynamiken und Energien untereinander sind wir Menschen nichts."

Deswegen sei sie froh darüber, in der katholischen Reformbewegung Maria 2.0 eine Art digitaler Gemeinde gefunden zu haben, in der andere für die gleichen Dinge kämpfen wie sie selbst: "Wir fordern die Offenlegung des Gutachtens. Opfer sollen eine Stimme bekommen, Täter und Vertuscher sollen benannt werden." Manchmal, das gibt sie zu, recherchiert sie Austrittstermine. Aber bislang sei immer genau dann irgendetwas aus der Gruppe Maria 2.0 gekommen, das ihr das Gefühl vermittelt habe: "Du hast hier einen Platz, und den lässt du dir nicht nehmen". Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki habe viel kaputt gemacht, findet sie.

Worum geht es?
Kardinal Rainer Maria Woelki, der auch Erzbischf von Köln ist, steht seit Monaten in der Kritik, weil er ein von ihm selbst in Auftrag gegebenes Gutachten zur Verantwortung hochrangiger Kirchenvertreter bei der Verfolgung von Fällen sexuellen Missbrauchs zurückhält. Dies begründet er mit rechtlichen Bedenken.

"Zum Guten gehört die Gemeinschaft vor Ort"

Ähnlich wie Ulrike Weinert empfindet es auch Susanne Brombach (41) aus der Gemeinde St. Pankratius in Köln-Junkersdorf. Die Juristin ist ebenfalls aktive Katholikin, engagiert sich ehrenamtlich als Taufkatechetin, bereitet also katholische Familien aus ihrem Stadtteil, die eine Taufe planen, auf dieses Fest vor.

Diese Gespräche bedeuten ihr viel. Zum einen, weil es ihr Freude macht, den Stolz der jungen Eltern zu erleben. Zum anderen, weil sie dadurch den Zusammenhalt im Viertel stärkt. "Die Taufe ist das eine, aber ich schaue auch: Wie bewege ich die Leute dazu, sich den Rest anzusehen? Zum Guten und Schönen der Kirche gehört die Gemeinschaft vor Ort.

Durch Woelkis Verhalten, insbesondere im Umgang mit dem strittigen Gutachten, werden unsere Bemühungen torpediert. Und diejenigen, die nicht so nah am Gemeindeleben dran sind, die treibt er noch weiter weg." Für die dreifache Mutter ist das aber erst recht ein Grund, sich als Katholikin zu engagieren, denn: "Einen Glauben ohne Kirche und ohne Menschen, die sich gegenseitig unterstützen, kann ich mir nicht vorstellen."

Ihr Mann Markus (45) ist seit 2012 im Kirchenvorstand. Als Architekt bringt er seine berufliche Fachkompetenz zu Fragen rund um die Kitas und andere Bauprojekte ein. In den vergangenen Jahren gab es verschiedene Maßnahmen, mit denen die Kitas der Gemeinde modernisiert wurden. Dadurch ergaben sich immer wieder Berührungspunkte mit dem Erzbistum. "Ich finde das Gesamtkonglomerat Kirche antiquiert und rückschrittlich.

Es gibt immer wieder Anlass für Ärger und Frust", bekennt er offen. Entmutigen lässt er sich davon nicht: "Der aktuelle Skandal tangiert nicht meine Arbeit vor Ort. Hier, in unserem kleinen Kosmos, können wir etwas bewegen. Retrospektiv sehe ich vieles, das wir schon geschafft haben. Ich erlebe eine wunderbare Gemeinschaft, von der ich mich abgeholt fühle. Das ist für mich der Grund, mich zu engagieren: Da kommt etwas wieder."

"Wir brauchen die Kirchengemeinden"

Religionslehrerin Kerstin Paulus (43) aus der katholischen Gemeinde St. Bruno in Köln-Klettenberg führt noch einen anderen Aspekt an: "Wenn die, die sich für die Kirche interessieren, jetzt austreten: Wer bleibt dann noch? Es gibt mir in unserer Gesellschaft zu viele Radikale, rechte wie linke. Wenn sie die einzigen sind, die sich noch engagieren, dann haben wir verloren. Wir brauchen die Kirchengemeinden."

Wie ihr Mann engagiert sich Kerstin Paulus in der Gemeindearbeit. Zwei ihrer Söhne sind vor einigen Jahren zur Kommunion gegangen, der jüngste bereitet sich jetzt darauf vor: Im Alltag der Familie spielt die Kirche eine Rolle. "Hier kann ich etwas bewirken", beschreibt sie. Damit meint sie nicht nur die aktive Gemeinschaft, etwa die Messgestaltung für Kinder oder die Kommunionsvorbereitung, sondern auch den Zugang junger Menschen zum Glauben: "Eine Geschichte, die 2.000 Jahre alt oder älter ist, hat erst einmal nichts mit uns zu tun. Aber dann sieht man zum Beispiel, dass es auch früher schon um Eifersucht unter Geschwistern ging, und Kinder merken: Ach, das hat doch etwas mit mir zu tun!" Wenn sie von den Eltern erfahre, dass ein Kind aus einem atheistischen Elternhaus beim Abendessen ständig fasziniert über die alttestamentliche Josefsgeschichte spreche, oder wenn ein anderes Kind getauft werden wolle, dann sei das einfach toll.

Weit weg ist der gegenwärtige Skandal für die Familie Paulus trotzdem nicht: "Wir diskutieren darüber, und natürlich ärgert es mich, was da passiert. Ich finde auch falsch, wie es läuft. Aber ich kann deswegen nicht aus der Kirche gehen", findet Kerstin Paulus: "Ich gebe auch nicht meinen deutschen Pass ab, wenn ich mit Entscheidungen der Bundesregierung nicht einverstanden bin, oder sage mich von meiner Familie los, wenn mir dort etwas nicht gefällt.“ Kirche, das sind für sie nicht nur Geistliche im direkten Umfeld des Erzbischofes Woelki, sondern das sind auch alle Gemeindemitglieder, die aktiv Kirche mitgestalten, der Diözesanrat und Pfarrer, die klar Stellung beziehen: "Das finde ich ermutigend, und darauf muss man auch gucken."

Verwendete Quellen
  • Persönliche Interviews mit Ulrike Weinert, Susanne und Markus Brombach sowie Kerstin Paulus
  • Eigene Recherchen
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