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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bizarre Ausrede vor Gericht Angeklagter: "Ich war am Hansaring mit Prostituierten"
In Köln hat am Dienstag das Verfahren gegen einen Mann begonnen, der eine 63-Jährige sexuell genötigt haben soll. Teile der Aussage machen den Richter fassungslos.
"Die Beweislage ist relativ erdrückend", kommentierte der Vorsitzende Richter der 13. Großen Strafkammer am Kölner Landgericht bereits kurz nach Verlesung der Anklage. Die Staatsanwaltschaft wirft einem 45-Jährigen vor, am 18. Oktober 2024 gegen 5 Uhr morgens in die Wohnung einer 63-Jährigen eingebrochen zu sein und sich an der Frau sexuell vergangen zu haben.
Sie habe in ihrer Wohnung bei geöffnetem Fenster und mit Ohrstöpseln geschlafen. Als der Eindringling sich zwischen sie und die Wand legte, habe sie zunächst geglaubt, dass es sich um ihren Sohn handle. Auch nachdem er zudringlich wurde, identifizierte sie ihn laut Anklage zunächst nicht als einen Fremden, sondern nahm die Ohrstöpsel heraus, wehrte ihren vermeintlichen Sohn ab und fragte, ob er "spinnen" würde.
Opfer hielt Angreifer zunächst für den eigenen Sohn
Sie habe geglaubt, dass ihr Sohn unter dem Einfluss von Rauschmitteln stehe, und gesagt, wenn er bei ihr schlafen wolle, werde sie jetzt eine Matratze für ihn aus dem Keller holen. Der Täter habe sie jedoch am Aufstehen gehindert und ihr mit der Hand auf den Hals gedrückt. Dann soll er gegen ihren Willen sexuelle Handlungen vorgenommen haben, wogegen sie sich gewehrt habe. Erst im Laufe der Auseinandersetzung habe sie gemerkt, dass der Mann ein Einbrecher war und um Hilfe geschrien. Das habe schließlich ihr Enkel gehört, der den Angreifer aus der Wohnung vertrieben habe.
Dem Vorsitzenden Richter zufolge wurden in der Wohnung und auf der Fensterbank Zigarettenkippen gefunden, an denen die DNA des Angeklagten gesichert wurde. Der Mann ist Bürger eines anderen EU-Landes und gibt an, seit der Corona-Zeit immer wieder für Arbeitsaufenthalte nach Deutschland gekommen zu sein. Dabei ist er mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten – auch wegen Sexualdelikten.
Köln: Angeklagter nennt Opfer "eine Tote"
Die sexuelle Nötigung, die ihm nun zur Last gelegt wird, bestreitet der Angeklagte. Richtig sei, dass er durch das offene Fenster in die Wohnung eingebrochen sei. Zuvor habe er zwei Steine in die Wohnung geworfen, um zu sehen, ob jemand zu Hause ist. Auf die Steinwürfe habe niemand reagiert. Nachdem er in keinem der zwei Zimmer der Wohnung etwas zum Stehlen gefunden habe, habe er verschwinden wollen. Die Frau sei aber aufgewacht und habe ihn angebrüllt. Dann habe er sie geschlagen.
Den sexuellen Übergriff aber streitet der Anklagte zum Prozessauftakt ab. "Ich war am Abend vorher am Hansaring mit Prostituierten", sagt er: Warum solle er sich also an "einer Toten" vergehen, so nennt er die 63-Jährige. Die Vorstellung sei für ihn "eine Katastrophe".
Richter: "Es bleibt einem die Spucke weg"
"Sie geben den Einbruch, Schläge und einen Steinwurf zu, und dann nennen sie sie hier eine Tote?", hielt der Vorsitzende dem Angeklagten vor, der bei seiner Aussage bleibt und erklärt, dass das Opfer und ihr Enkel den Übergriff erfunden hätten. "Sie wollen mich verhaftet sehen", sagte er. "Es bleibt einem so ein bisschen die Spucke weg, wenn Sie das so erzählen", kommentiert der Richter die Einlassungen des Angeklagten.
Für das Verfahren sind fünf Verhandlungstage angesetzt, als Nächstes sollen der Enkel der Betroffenen und das Opfer selbst aussagen. Das Urteil wird für den 25. Februar erwartet.
- Reporterin vor Ort