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Studierenden-Oscar-Gewinner: Kölner Filmemacher Jens Kevin Georg irritiert


Kölner Studenten-Oscar-Gewinner im Interview
"Etwas finden, was man mit der Welt teilen möchte"


24.10.2024 - 14:44 UhrLesedauer: 5 Min.
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Jens Kevin Georg. Der Kurzfilm "Kruste" entstand in Kooperation mit dem Sender 3sat. (Quelle: Soeren Stache/dpa)

Der Kölner Filmstudent Jens Kevin Georg hat den Studenten-Oscar in Silber gewonnen. Im Interview spricht er über den Zugang zur Filmbranche und warum er Filme aus Berlin nicht mehr sehen kann.

Als der Kölner Filmstudent Jens Kevin Georg zum vereinbarten Treffpunkt für ein Interview erscheint, wirkt er immer noch etwas angestrengt von den Ereignissen der vergangenen Tage und Wochen. Kaum verwunderlich, hat er doch seit seiner Rückkehr aus London mehrere Gespräche mit Zeitungen, Sendern und Fachmagazinen geführt, um über sich und seinen prämierten Kurzfilm "Kruste" zu sprechen. Am Abend muss er noch zu einer "Producer Party" im Rahmen des Film Festival Cologne. In seinen jugendlichen Gesichtszügen zeichnet sich nicht nur Freude darüber ab, sondern auch eine leichte Überforderung.

Der Studenten-Oscar, offiziell Student Academy Award, ist eine Auszeichnung der Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS). Sie wird seit dem Jahr 1973 für Kurzfilme von Studierenden aus der ganzen Welt vergeben. Der Preis ist eine der renommiertesten Nachwuchs-Ehrungen der Filmindustrie. In diesem Jahr hat Jens Kevin Georg die Jury mit seinem Werk überzeugt.

t-online: Herr Georg, am vergangenen Montag haben Sie in London den Studenten-Oscar in Silber gewonnen. Was geht einem auf der Bühne dann durch den Kopf?

Jens Kevin Georg: Mir war es sehr wichtig, bei der Preisverleihung im Moment zu sein. Also das, was da passiert, wirklich bewusst aufzunehmen und zu genießen. Das ist mir erstaunlich gut gelungen. Ich glaube, das liegt auch daran, dass die Preisverleihung groß und emotional aufgeladen inszeniert wurde. Auf der anderen Seite empfinde ich aber auch eine Art Irritation bei solchen Preisverleihungen, weil ich Arbeiterkind bin und nur mit Leuten aufgewachsen bin, für die niemand geklatscht hat, wenn sie gearbeitet haben.

Was bleibt von dem Abend noch in Erinnerung?

Ich habe Jason Reitman, den Regisseur von Juno getroffen, der hat meinen Namen falsch ausgesprochen, als er die prämierten Filme verkündet hat. Das fand ich ziemlich witzig.

Auf der Bühne haben Sie gesagt: "Filmemachen ist etwas für reiche Leute. Ich möchte alles dafür tun – mit meiner Arbeit, meiner Stimme und mit Unterstützung für junge Filmemacher –, dass sich das ändert." Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, um jungen Filmemachern den Einstieg zu erleichtern?

Wenn du auf dem Land aufwächst und/oder nicht aus einer Filmschaffenden-Familie kommst, startest du im Verhältnis zu anderen oft mit angezogener Handbremse. Denn da fängt es schon an – wie schnell kommst du an ein Set? Wie schnell lernst du die Branche kennen? Filmschulen nehmen dich in den meisten Fällen nicht direkt nach dem Abitur auf. Das heißt, du musst dir vorher ein Portfolio aufbauen.

Oft fehlt es an Zugängen, und die Filmschulen müssten dafür sensibilisiert werden, mehr auf Potenzial zu schauen und nicht nur auf fertige Produkte. Ich komme aus einem Arbeitermilieu, und es ist mir wichtig, dass meine Geschichte nicht als Paradebeispiel gezeigt wird, nach dem Motto: 'Sieh mal, es geht doch.' Vielmehr sollten wir überlegen, wie wir es leichter machen können, an die Filmindustrie heranzukommen. Es sind diese Perspektiven, die wichtig sind. Es tut mir leid, aber ich ertrage keine Filme mehr aus Berlin. Wir haben genug davon.

Weil man die Berliner Perspektive schon in- und auswendig kennt?

Ja, es ist immer dasselbe. Und dann gibt es noch Filme, die das Land- und Arbeiterleben überromantisieren. Wenn Städter Filme über das Dorf machen, wird das oft von oben herab dargestellt. Das finde ich fast noch schlimmer als Stadtfilme, weil es nichts mit der Realität zu tun hat. Ich will niemandem verwehren, Geschichten über Milieus zu machen, aus denen sie nicht stammen. Mit Recherche und Empathie geht das. Aber es gibt eben auch tolle Künstler und Künstlerinnen, die sehr authentisch über ihre eigenen Lebensrealitäten abseits der mittelständischen Normgesellschaft erzählen können und wollen. Und leider fehlt oftmals genau hier der Zugang.

Lassen Sie uns kurz über Ihren prämierten Kurzfilm "Kruste" sprechen. Da geht es im Kern ja ums Erwachsenwerden und die Identität.

Es geht um Fabi, der als Familienmitglied erst dann akzeptiert wird, wenn er sich eine Wunde, eine Narbe hinzufügt. Ein auslösender Moment für die Filmidee war, als ich über meine erste Narbe nachgedacht habe. Die habe ich beim Schlittschuhlaufen bekommen, als mich einer meiner besten Freunde mit seiner Kufe ans Schienbein getreten hat. Ich war früher sehr weinerlich, aber in diesem Moment, als ich 13 war, habe ich diese Wunde als "männlich" angenommen – ohne emotionale Reaktion. Beim Schreiben von "Kruste" habe ich mich gefragt, ob ich in diesem Moment etwas von mir verloren habe und vor dieser Narbe jemand anders war als danach. Über diese Verhärtung und Vernarbung habe ich nachgedacht und dann das Drehbuch geschrieben.

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Studenten-Oscar (Symbolbild). Für Studenten wird der Preis seit 1973 verliehen. (Quelle: IMAGO/Jakub Porzycki/imago)

Was ist der Studenten-Oscar?

Der Studenten-Oscar, offiziell Student Academy Award, ist eine Auszeichnung der Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS), die seit 1973 für herausragende Kurzfilme von Studierenden aus der ganzen Welt vergeben wird. Er dient als Sprungbrett für junge Filmemacher und ist eine der renommiertesten Ehrungen in der Filmindustrie für den Nachwuchs.

In welchem Zeitraum ist der Film entstanden?

Die Idee entstand im April 2021. Die erste Drehbuchfassung war im Oktober 2021 fertig. Danach gab es viele Überarbeitungen, und wir haben den Film im Sommer 2022 gedreht. Fertig war der Film dann im Oktober 2023. Es hat insgesamt also zweieinhalb Jahre gedauert.

Als Nächstes planen Sie einen Langfilm. Worum geht es in dem Projekt?

Der Stoff spielt in Siebenbürgen und ist lose von Erzählungen meiner Eltern inspiriert. Ich komme aus einer Familie der Siebenbürger Sachsen. Das ist eine deutsche Minderheit, die für 800 Jahre im heutigen Rumänien gelebt und über diese Zeit hinweg eine eigene Kultur, Sitten und Bräuche entwickelt hat. Am Ende der rumänischen Diktatur in den 90er-Jahren hat sich diese Gemeinschaft in großen Teilen aufgelöst. Mein Film spielt genau in dieser Zeit, zwischen der Revolution und dem Massenauszug der Siebenbürger Sachsen.

Was möchten Sie mit dem Film erzählen?

Einerseits ist es mein persönlicher, familiärer Zugang. Meine Vorfahren haben 800 Jahre lang in Siebenbürgen gelebt. Ich war dieses Jahr dort und habe an einem Ort Musik gemacht, an dem meine Vorfahren vor Jahrhunderten Musik gemacht haben. Das hat mich emotional sehr bewegt und mir ein Gefühl der Zugehörigkeit gegeben. Gleichzeitig interessiert mich das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft. Was passiert mit einem Individuum, das in einer Gemeinschaft aufgewachsen ist, wenn diese Gemeinschaft plötzlich nicht mehr da ist?


Quotation Mark

Ich glaube schon, dass man in sich nach etwas suchen sollte, was man mit der Welt teilen möchte.


Regisseur Jens Kevin Georg


Öffnen sich nach so einer Auszeichnung jetzt mehr Türen für Sie? Spürt man da schon eine Veränderung, etwa im Mail-Postfach?

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Ja, schon. Mit dem Gewinn des Studenten-Oscars und auch anderen Nominierungen habe ich jetzt die Möglichkeit, mein nächstes Filmprojekt vorzustellen – vor Leuten aus der Branche. In Kombination mit dem Preis und anderen Nominierungen fühle ich, dass die Leute unser Team und auch mich anders wahrnehmen. Und das freut mich, weil ich weiß, was all die Menschen, mit denen ich gearbeitet habe, leisten können. Hoffentlich ergeben sich in der Zukunft daraus Projekte für uns. Wir alle wollen einfach einen Fuß in diese doch recht verschlossene Branche hereinkriegen und arbeiten.

Was würden Sie heute jungen Menschen raten, die sich für Film und für das Filmemachen interessieren?

Habt Geduld. Außerdem sollte man sich nicht andauernd vergleichen, vor allem nicht, wenn es einen herunterzieht. Zudem halte ich es für wichtig, dass man Filme auch für andere Menschen macht. Filmemachen ist Kommunikation. Ich glaube schon, dass man in sich nach etwas suchen sollte, was man mit der Welt teilen möchte. Aber am Anfang sollte man auch experimentieren, sich inspirieren lassen und ruhig auch mal von anderen klauen. Wichtig ist, dass man Filme liebt und die Freude daran nicht verliert.

Der Kurzfilm "Kruste" entstand im Rahmen einer Zusammenarbeit von 3sat und der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf und ist hier abrufbar.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Jens Kevin Georg
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