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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kurz vor der EM im eigenen Land Hitzlsperger spricht bei Lit.Cologne über sein Outing
Vor ausverkauftem Haus spricht der frühere Nationalspieler über Homosexualität im Profifußball. Das Thema ist nach den jüngsten Schmähgesängen in Stadien aktueller denn je.
Zehn Jahre ist es her, dass sich der ehemalige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger geoutet hat. Nun sprach er im Rahmen der Lit.Cologne mit der Autorin und Publizistin Carolin Emcke über sein Buch "Mut proben", in dem er sein Coming-out sowie die Höhen und Tiefen seiner sportlichen Laufbahn verarbeitet hat.
Emcke hatte 2014 gemeinsam mit Moritz Müller-Wirth das Interview mit Hitzlsperger geführt, in dem dieser erstmals offen über seine Homosexualität gesprochen hatte. Moderiert wurde die "Lit.Cologne"-Veranstaltung von Christoph Biermann, Autor verschiedener Fußballbücher (u. a. "Um jeden Preis – Die wahre Geschichte des modernen Fußballs von 1992 bis heute").
Emcke betonte, dass vor zehn Jahren niemand habe wissen können, wie Hitzlspergers Coming-out aufgenommen werden würde. Der Server der "Zeit", die das Interview veröffentlichte, sei kurz darauf zusammengebrochen. Hitzlsperger verriet bei der "Lit.Cologne", dass er sich auf den medialen Ansturm vorbereitet habe. "Es war schwer. Ich habe mich auch beraten lassen, was ich in so einem Interview sagen kann und was nicht", erzählte der ehemalige Nationalspieler. Er sei sich dennoch sicher gewesen: "Die Option, darüber nicht zu sprechen, ist die schlechtere Option."
Klare Worte an Ex-Liverpool-Spieler Henderson
Bevor er mit dem Interview den Schritt an die Öffentlichkeit ging, hatte er sich zunächst vor seinen Eltern geoutet. Über Gefühle oder Privates habe man in seinem Elternhaus nie gesprochen. Das sei auch so geblieben, es herrsche stillschweigende Akzeptanz, so Hitzlsperger. Allgemein seien die meisten Reaktionen positiv gewesen, aber viele hätten die Sorge geäußert: "Was heißt das für den Fußball?" und ihm abgeraten.
Klare Worte fand Hitzlsperger für den Wechsel von Jordan Henderson nach Saudi-Arabien. Henderson hatte sich während seiner Zeit beim FC Liverpool als Fürsprecher der LGBTQ-Community inszeniert. Dass ausgerechnet er in ein Land wechselte, in dem Homosexualität illegal ist und sogar mit der Todesstrafe geahndet wird, hatte viel Kritik nach sich gezogen. Hitzlsperger hat ebenfalls kein Verständnis: "Wenn du für dich aus Marketingzwecken ein Thema entdeckst, dann bitte bleib dabei und zieh auch die Konsequenzen, wenn's um den Geldbeutel geht."
Der ehemalige Nationalspieler erzählte, dass andere Prominente, die sich geoutet haben, ihm sehr geholfen hätten. Er wünsche sich, dass er Menschen helfen könne, mit diesem schweren Thema umzugehen. "Wir haben uns damals alle erhofft, dass es mit Thomas' Entscheidung einfacher würde, darüber zu sprechen", sagte Emcke.
Ernüchternde Realität
Doch die Realität sah gerade auch in den Wochen vor Hitzlspergers Auftritt in Köln ernüchternd aus: Homophobe Gesänge sind in Fußballstadien nach wie vor Thema. Beim Wiener Derby zwischen der FK Austria Wien und dem SK Rapid Wien stimmten mehrere Rapid-Spieler (darunter der Mannschaftskapitän und ehemalige Schalke-Stürmer Guido Burgstaller) homophobe Schmähgesänge an. In diesem Fall gab es einen medialen Aufschrei, der österreichische Verband reagierte mit harten Strafen. Der Verein erhielt einen Punktabzug, der zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die beteiligten Spieler wurden für mehrere Spiele gesperrt und bei der jüngsten Kadernominierung von Nationaltrainer Ralf Rangnick nicht berücksichtigt.
- Reporter vor Ort