Wegen sexueller Vorlieben? Karnevalsverein wählt schwulen Vorsitzenden überraschend ab
Der offen homosexuelle Vorsitzende des Ründerother Karnevalsvereins muss mitten in der Session seinen Hut nehmen. Er wirft dem Verein Intoleranz vor.
Ründeroth, ein Ortsteil der Gemeinde Engelskirchen: Knapp 3.500 Menschen leben hier, 40 Kilometer östlich von Köln. Es gibt einige Sportvereine, vier Einrichtungen der katholischen Kirche und seit 1975 auch den Ründerother Karnevalsverein (RKV). Der hat nun mitten in der Session seinen offen homosexuellen Präsidenten Gabriel Geishüttner abgewählt – wegen dessen sexueller Vorlieben, wie der 19-Jährige sagt. Zunächst hatte der "Kölner Stadt-Anzeiger" berichtet.
Auch Geishüttners Familie erhebt schwere Vorwürfe: Ihr Sohn sei wegen seiner Homosexualität von der Mitgliederversammlung abgewählt worden, behauptet Mutter Karina. Der Verein widerspricht in einem Facebook-Beitrag: Geishüttners Homosexualität sei schon bei seiner Wahl bekannt und nie ein Problem gewesen. Das Fass zum Überlaufen gebracht habe aber ein Instagramfoto des 19-Jährigen, auf dem er eine Hundemaske und Narrenkappe trägt.
"Wir sind dazu nicht tolerant"
Das Foto sei im Kontext des "Pupplays" entstanden, ein Lebensstil, bei dem sich Menschen als Hunde verkleiden und der als sexueller Fetisch gilt. Das Bild ist nicht mehr bei Instagram zu finden und stand laut Geishüttner auf einem Profil, das nicht über seinen echten Namen zu finden ist. Er glaubt, Opfer eines Komplotts geworden zu sein. "Das auszuleben ist für mich so etwas wie Urlaub im Kopf", sagte er dem "Express". "Ich wurde aber in die verschiedensten verdorbenen Schienen geschoben. Es reicht."
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All das habe seinen Tiefpunkt in einer Vorstandssitzung am 12. Januar gefunden, in deren Verlauf man ihm den Rücktritt nahegelegt hatte. "Wir stehen nicht hinter dir", soll ein Vorstandsmitglied gesagt haben, "Wir sind im oberbergischen Kreis dazu nicht tolerant" ein anderes. Man wolle nicht während einer Sitzung angebellt werden. Geishüttner zitiert ein weiteres Vorstandsmitglied: "Trete zurück, ich habe keinen Bock, den ganzen dummen Mitgliedern zu erklären, was da gelaufen ist, damit sie dich abwählen."
"Nicht erwünscht" und "abartig"
Später habe man ihm empfohlen, mit Polizeischutz zur Mitgliederversammlung zu erscheinen. Ein solches Problem hätte man "damals" anders gelöst. Er sei "hier nicht erwünscht" und "abartig".
Wurde Geishüttner abgewählt, weil er seine Sexualität offen ausleben wollte? Nein, schreibt der RKV auf Facebook. Unstimmigkeiten zwischen dem Vereinsvorstand und dem jungen Präsidenten seien das Problem gewesen. Ein Votum von 76 der 80 bei der Mitgliederversammlung anwesenden Mitglieder gegen Geishüttner sollte diesem "doch zu denken geben". Ob die von Geishüttner angeführten Aussagen gefallen sind, will der Karnevalsverein weder bestätigen noch dementieren.
Der RKV als Sprungbrett nach Köln?
Man habe sich zunächst nicht äußern wollen – um eine "öffentliche Schlammschlacht" zu vermeiden, "aus Rücksicht auf den Mensch Gabriel Geishüttner und vor allem zum Schutz unseres Vereins". Es habe bereits bei seiner Wahl Vorbehalte gegen ihn gegeben, allerdings aufgrund seiner Jugend und Unerfahrenheit, nicht wegen seiner Sexualität. Und doch wurde er gewählt. "In einem homophoben Verein wäre dies sicherlich so nicht passiert. Der RKV ist tolerant und bunt."
Im Verein zählten die Liebe zum Karneval, Engagement und Teamfähigkeit. "Leider zählte gerade der letzte Punkt nicht zu Geishüttners Stärken." Er habe sich über Absprachen hinweggesetzt, Kritik an seiner Person nicht gelten lassen und Vereinsmitglieder beleidigt. Außerdem soll er gesagt haben, der RKV sei für ihn ein Sprungbrett in den Kölner Karneval. Das zeuge "nicht von einer besonders großen Verbundenheit mit dem Verein".
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Das Foto "war da nur ein kleines Puzzleteil, welches das Fass zum Überlaufen gebracht hat." Und auch hier gehe es nicht darum, welche Vorlieben der inzwischen ehemalige Präsident pflege. "Öffentliche Darstellungen des Vereins außerhalb des Karnevals sind im Vorstand abzusprechen" – und auf dem Foto sei nun mal die Jacke des RKV zu sehen gewesen. Geishüttner widerspricht dieser Darstellung allerdings auf seiner privaten Facebook-Seite: "Bei dem Foto war keine Vereinszugehörigkeit für Dritte erkennbar."
"Rufmord an Privatpersonen"
Was der Ex-Präsident nun tue, sei "Rufmord an Privatpersonen, die mitten im Leben stehen, die Familien haben, die sich im Job zu Unrecht erklären müssen für Aussagen, die sie nie getroffen haben, die sich einfach nur für ihren Verein einsetzen wollten". Die Drohungen, von denen Geishüttner rede, habe es nie gegeben. "Geht es nun darum, maximalen Schaden für den RKV zu verursachen? Wir werden dies nicht mit uns machen lassen. Wir tragen Verantwortung für unsere Mitglieder."
Doch auch Geishüttner denkt nicht daran, die Sache auf sich sitzen zu lassen. "Diese Unterstellungen, ich sei nicht teamfähig, die kann ich so nicht stehen lassen", sagt der 19-Jährige im Gespräch mit t-online. "Es geht hier ja auch darum, dass Arbeitgeber das lesen. Der Verein schiebt jetzt eben Gründe vor, wegen derer man mich angeblich abwählen musste."
"Die Grenze dessen, was man sich als Ehrenamtler antun muss, ist für uns überschritten", schreibt dagegen der RKV. "Für uns ist die Diskussion hier beendet und sie ging eigentlich schon viel zu weit." Man wolle die Energie nun in die laufende Karnevalssession stecken: "Für unsere Vereinsmitglieder, alle Ründerother und für die vielen Jecken, die zu den Auftritten unseres Prinzenpaares oder zum Karnevalszug durch die Perle des Aggertals kommen. Für die Kinder, die tanzen wollen."
- Telefonat mit Gabriel Geishüttner
- facebook.de: Beitrag des RKV vom 30. Januar 2023
- facebook.de: Beitrag von Gabriel Geishüttner vom 27. Januar 2023
- ksta.de: "Ründerother Karnevalisten wählen schwulen Präsidenten wegen "Unstimmigkeiten" ab" vom 28. Januar 2023
- express.de: "Schlammschlacht im Karneval" vom 29. Januar 2023