Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Vortrag von Krone-Schmalz in Köln Ein gefährlicher Mix
Rund 450 Menschen kamen zu einer umstrittenen Veranstaltung mit Gabriele Krone-Schmalz. Die angekündigte differenzierte Analyse blieb aus. Ein Kommentar von Tim Hildebrandt.
Ist der Versuch, etwas "verstehen zu wollen" heutzutage schon ausreichend, um von Mitmenschen beleidigt zu werden? Fragt man den "Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln-Wolgograd", dann lautet die Antwort: Ja, ist es. Schon im ersten Satz der Veranstaltungsankündigung zum Vortrag "Russland und Ukraine – und wie weiter?" bricht der Verein eine Lanze für alle, die sich in ihrer Meinungsfreiheit beschränkt sehen. "Verstehen wurde in der deutschen veröffentlichten Meinung zunehmend zum Schimpfwort degradiert", steht dort.
Um für das "Verstehen" zu werben, lud der Verein Gabriele Krone-Schmalz ein. Die ehemalige Moskau-Korrespondentin der ARD und Autorin schaute am Donnerstagabend im Saal der Katholischen Pfarrgemeinde St. Bruno in Sülz vorbei. Der bereits im Vorfeld – vor allem über Twitter – heftig diskutierte Vortrag – schaffte es dabei aber nicht, klar zwischen Meinungsbildung und detaillierter Analyse zu trennen.
Einseitigkeit mit Einseitigkeit bekämpft
Fast eineinhalb Stunden referierte Krone-Schmalz über die Verfehlungen des Westens – anstatt ehrlich über Missverständnisse und die Abwägung westlicher und östlicher Perspektiven zu sprechen. Der Vortrag bot zwar jede Menge Lösungsansätze, wie beispielsweise alle möglichen Dialogforen zu reaktivieren. Dennoch schuf Krone-Schmalz mit einem gefährlichen Mix aus Fakten, Spekulationen und Meinungsmache ein Bild des Ukraine-Krieges, an dem allein der Westen die Schuld trage – beispielsweise durch den Bau von Nato-Stützpunkten an der Grenze Russlands. Dass diese gebaut wurden, ist Fakt. Aber die Schlussfolgerung ist problematisch. Schützt Russland seine Grenzen wirklich nur aus einer Position der Schwäche heraus?
"Ich finde diesen Krieg schrecklich", sagte Krone-Schmalz zwar, kritisierte jedoch mit keinem Wort die Führung Russlands, führte keinen Verweis auf Putin oder auf das Verhalten des russischen Außenministers Sergej Lawrow. Beinahe schien es, als hätte die Russland-Expertin Angst, ebenjene Namen auszusprechen.
Wer – wie der einladende Verein und die Referentin – Schwarz-Weiß-Denken beklagt und dann ein schwarz-weißes Bild zeichnet, riskiert seine Glaubwürdigkeit. Dass rund 450 Kölnerinnen und Kölner diesem Vortrag viel Beifall spendeten, obwohl das Faktische mehrfach ins Spekulative abdriftete, gibt zu denken. Schwach auch die Reaktion von Krone-Schmalz auf die erste kritische Nachfrage des Abends nach der Propaganda in Russland. Das könne man so auf die Schnelle nicht seriös beantworten, so die Vortragende, und sowieso habe man auch gar nicht die Zeit, um die inneren Verhältnisse in Russland zu besprechen. Schade. Denn die sind ja nicht unerheblich, wenn man Russland "verstehen" will.
- Reporter vor Ort