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Bahlsen: Keks-Konzern mit dunkler Vergangenheit – Studie zeigt neues Ausmaß


Studie deckt auf
Bahlsen: Keks-Konzern mit dunkler Vergangenheit

Von dpa
Aktualisiert am 22.08.2024Lesedauer: 2 Min.
Ein goldener "Leibniz Keks" hängt am Bahlsen-Stammhaus. Am 21. August erscheint das Buch "Die Geschichte des Hauses Bahlsen", das sich mit NS-Vergangenheit des Konzerns auseinandersetzt.Vergrößern des Bildes"Leibniz Keks" am Bahlsen-Stammhaus. Am 21. August erschien das Buch "Die Geschichte des Hauses Bahlsen", das sich mit der NS-Vergangenheit des Konzerns beschäftigt. (Quelle: Julian Stratenschulte/dpa)

Beim Namen Bahlsen denken viele an "Leibniz Keks" und Pick-up-Riegel. Doch den Konzern umgibt eine dunkle Vergangenheit – dunkler, als zuvor angenommen.

Einer wissenschaftlichen Studie zufolge hat der Gebäckhersteller Bahlsen in der NS-Zeit mehr Zwangsarbeiter eingesetzt als bislang bekannt. Von 1940 bis 1945 haben nach Unternehmensangaben mehr als 800 ausländische Arbeitskräfte Zwangsarbeit für Bahlsen geleistet. Zuvor war man von mehr als 200 Menschen ausgegangen. Bahlsen zufolge handelte es sich zumeist um Frauen aus Polen und der Ukraine.

Fünf Jahre nach den empörenden Aussagen der Firmen-Erbin arbeitet das Familienunternehmen seine Geschichte auf. Verena Bahlsen hatte viel Kritik auf sich und das Unternehmen gezogen, als sie 2019 behauptete, man habe Zwangsarbeiter bei Bahlsen während der NS-Zeit "gut behandelt". Kurz danach hatte sie sich entschuldigt und von einem Fehler gesprochen. Doch der Name Bahlsen stand plötzlich nicht mehr nur für Leibniz-Keks und Pick-up-Riegel.

Bahlsen unterstützte Naziregime und profitierte vom System

Nun bietet eine Studie der beauftragten Historiker Manfred Grieger und Hartmut Berghoff einen Einblick in die damalige Zeit. Entstanden ist ein 600 Seiten starkes Buch mit dem Titel "Die Geschichte des Hauses Bahlsen", das sich mit den Jahren von 1911 bis 1974 beschäftigt. Das Ergebnis: Der Konzern unterstützte das Naziregime und profitierte vom System, insbesondere durch den Einsatz von Zwangsarbeitern. Die Geschäfte im Nationalsozialismus zogen gewaltig an.

Zwangsarbeiter unterlagen in Deutschland weitreichenden rassistisch motivierten Diskriminierungen, schrieben Grieger und Berghoff. Polinnen und Polen mussten eine violett-gelbe P-Raute auf ihrer Kleidung tragen, die sie als rassistisch diskriminierte Personen erkennbar machte – auch bei Bahlsen. Sie erhielten geringere Löhne, kleinere Lebensmittelrationen und eine schlechtere medizinische Versorgung. Der Studie zufolge waren sie in Baracken untergebracht und vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Sozialer Kontakt zu Deutschen war ihnen verboten. Polnischen Männern, denen sexuelle Kontakte zu deutschen Frauen nachgewiesen wurden, drohte die Hinrichtung.

"Wir bedauern das Unrecht zutiefst"

Die Wahrheit über die damaligen Ereignisse sei unbequem und schmerzhaft, teilte die Familie mit. "Wir bedauern das Unrecht, das diesen Menschen bei Bahlsen geschehen ist, zutiefst. Auch bedauern wir, dass wir uns dieser schwierigen Wahrheit nicht früher gestellt haben." Die öffentlichen Diskussionen im Jahr 2019 hätten dazu geführt, dass sich intensiv mit der Vergangenheit auseinandergesetzt wurde. "Viele Details aus der Unternehmensgeschichte waren uns nicht bekannt und die Wahrheit ist, dass wir auch nicht nachgefragt haben."

Für das am 21. August erschienene Buch sei das Unternehmensarchiv erstmals vollständig geöffnet worden. Bahlsen habe das Projekt großzügig finanziert, aber keine inhaltlichen Vorgaben auferlegt, schrieben die Autoren. Ein besonders enger Kontakt habe zu Werner M. Bahlsen und seiner Tochter Verena bestanden.

Jahrzehntelang habe das Unternehmen seine Erinnerung an Zwangsarbeit im eigenen Haus auf das Narrativ eines einvernehmlichen Miteinanders in schweren Zeiten reduziert. Heute bekenne man sich zu seiner Geschichte. "Es ist an uns, diese Erinnerung wachzuhalten und dafür zu sorgen, dass sich diese Geschichte des Nationalsozialismus nie wiederholt", steht auf einer Erinnerungstafel im Foyer des Stammhauses.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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