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Hannover: Jüdin spricht über Erfahrungen mit Antisemitismus | Interview


Jüdin über ihren Alltag
"Ich gehe jeden Morgen durch eine Sicherheitstür"

  • Claudia Zehrfeld
InterviewVon Claudia Zehrfeld

Aktualisiert am 23.10.2023Lesedauer: 3 Min.
Interview
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Rebecca Seidler beim InterviewVergrößern des Bildes
Rebecca Seidler (43) ist Jüdin und Vorsitzende der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover. (Quelle: Julian Stratenschulte/dpa/dpa)

Die Terrorattacken der Hamas auf Israel haben auch Auswirkungen auf die jüdische Gemeinschaft in Deutschland. Im Interview spricht eine Jüdin über ihre Erfahrungen mit Antisemitismus.

Nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel sorgen sich die jüdischen Gemeinden in Deutschland, wie sich die Situation nun hierzulande entwickeln könnte. Bei pro-palästinensischen Demonstrationen wurden bereits antisemitische Parolen gerufen. In Berlin warfen Unbekannte Molotowcocktails auf eine jüdische Gemeinde. Zudem wurden Häuser, in denen Juden wohnen, mit dem Davidstern markiert.

Wie fühlt es sich an, in diesen Zeiten jüdischen Glaubens zu sein? Welche Auswirkungen hat der Krieg in Israel auf den hiesigen Alltag? t-online hat darüber mit Rebecca Seidler gesprochen. Sie ist Geschäftsführerin der Liberalen Jüdischen Gemeinde in Hannover und Vorsitzende des Landesverbandes der Liberalen Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen.

t-online: Wie haben Sie den Angriff der Hamas auf Israel erlebt?

Rebecca Seidler: Der Angriff der Hamas am 7. Oktober hat uns zutiefst erschüttert und verängstigt. Seither befinden wir uns in einem regelrechten Ausnahmezustand, weil wir in Israel Freunde und Familie haben. Wir blicken mit großer Fassungslosigkeit und Sorge nach Israel.

Welche Folgen haben die Angriffe für Ihre jüdische Gemeinde?

Wir haben die Sicherheitsvorkehrungen aufgerüstet: Es gibt mehr Polizeischutz und auch das interne Sicherheitsteam unserer jüdischen Gemeinde wurde vergrößert. Aber das Unsicherheitsgefühl bleibt. Zumal viele Jüdinnen und Juden im Alltag – sei es am Arbeitsplatz, im Sportverein oder in der Schule – auf sich allein gestellt sind und keinen Polizeischutz haben. Das hat zur Folge, dass manche Familien ihre Kinder aktuell nicht in die Schule schicken oder nicht in den jüdischen Kindergarten. Viele habe die Befürchtung, dass auch hier in Niedersachsen etwas passieren könnte.

Befürchten Sie das auch?

Für mich persönlich ist es eine große Herausforderung. Einerseits tue ich alles Mögliche, um den Schutz zu gewährleisten, andererseits kann ich nicht alle Sorgen nehmen. Natürlich bin ich persönlich auch sehr in Sorge.

Haben Sie bereits Antisemitismus erleben müssen?

Ja – da kenne ich keine Jüdin und keinen Juden, die beziehungsweise der das nicht hat. Das gehört zum Jüdischsein mit dazu.

Was ist Ihnen widerfahren?

So detailliert möchte ich nicht darüber sprechen. Aber von verbalen Sprüchen über Zuschriften, die ich erhalten habe, bis hin zu direkten Bedrohungen war alles dabei.

(Quelle: privat)

Zur Person

Rebecca Seidler ist deutsche Jüdin. Die 43-Jährige arbeitet als Geschäftsführerin der Liberalen Jüdischen Gemeinde in Hannover und ist Vorsitzende des Landesverbandes der Liberalen Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen.

Passiert das häufig?

Ja. Antisemitismus ist für Jüdinnen und Juden Alltag. Das ist der Grund, warum viele sich außerhalb der jüdischen Community gar nicht erst als Juden "outen". Viele erzählen auf der Arbeit nicht, dass sie jüdisch sind. Kinder erzählen in der Schule nicht, dass sie jüdisch sind. Da ich aber auch für Öffentlichkeitsarbeit zuständig bin, ist es bei mir natürlich etwas anderes. Diese Arbeit möchte nicht jeder machen.

Haben die Anfeindungen gegen Sie seit den Angriffen der Hamas auf Israel zugenommen?

Ja. Gleichzeitig möchte ich aber betonen, dass wir als jüdische Gemeinde und ebenso ich persönlich auch eine ganz große Solidarität erleben: Nicht-jüdische Freundinnen und Freunde melden sich und politische Akteure nehmen Kontakt auf. Das finde ich sehr berührend und stärkend. Zu merken, das wird wahrgenommen und man ist eben nicht allein. Wir haben auch den Support innerhalb der Zivilgesellschaft.

Was unterscheidet Ihren Alltag von dem jener Menschen, die eine andere Religion haben?

Mein Büro ist in der jüdischen Gemeinde. Mein Weg morgens ist somit der, dass ich zur jüdischen Gemeinde fahre und als Erstes am Polizeiwagen vorbeigehe, als Zweites durch Sicherheitstüren gehe und mich den ganzen Tag in einem hoch geschützten Objekt aufhalte.

Welche Dinge prägen den Alltag jüdischer Menschen noch – und gibt es aktuell vielleicht einen anderen Umgang mit diesen?

Die Männer tragen ja häufig eine Kopfbedeckung, die Kippa. Derzeit nehme ich wahr, dass diejenigen, die diese tragen, ein Cap darüber machen oder etwas anderes, sodass die Kippa an sich nicht sichtbar ist. Ich selbst trage eine Davidsternkette, die würde ich nie ablegen. Aber im Moment trage ich sie auf der Straße nicht ohne Schal. Ich achte darauf, dass man das draußen jetzt nicht auf den ersten Blick sehen kann.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Seidler.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Rebecca Seidler
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