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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Auf Celler Bierfest Blinder Mann von Party ausgeschlossen: Diskriminierung oder Fürsorge?
Ein sehbehinderter Mann wird mit seinen Freunden von einem Bierfest ausgeschlossen. Er erhebt nun Vorwürfe der Diskriminierung. Doch der Veranstalter widerspricht.
Im Stadtpalais Celle war am Wochenende jede Menge los. Die Gaststätte am Rande des Französischen Gartens hatte zum dreitägigen Celler Bierfest geladen. Am Samstagabend ist die Hütte voll. Auch der sehbehinderte Christopher Bohlen und seine Begleiter feiern zu Livemusik vom "Bierkapitän" und Mallorca-Hits vom Band.
Kurz vor Mitternacht passiert dann etwas, das der 33-Jährige in dieser Form bislang nicht erlebt hat: "Die Türsteher wollten uns alle nicht mehr hineinlassen", sagt er t-online. "Aus meiner Sicht hat hier eine starke Diskriminierung stattgefunden", so Bohlen.
Auch auf Facebook macht er seinem Ärger Luft. In verschiedenen Gruppen wird sein Beitrag mit Schilderungen der Geschehnisse aus seiner Sicht Hunderte Male geteilt.
Doch was war vor der Tür im Stadtpalais geschehen?
Türsteher nur um Sicherheit besorgt?
Schon beim Betreten des Lokals hätten die Türsteher bemerkt, dass die Gruppe "sichtlich angetrunken" war, sagt Sicherheitschef Ferhat Baysar t-online. Nach einer halben Stunde sei eine der sehbehinderten Personen mit Problemen aufgefallen, sich in der Menge zu bewegen und zu stehen. "Er musste dann später von einem meiner Mitarbeiter gestützt werden und zum Ausgang begleitet werden", so Baysar. Ein anderer sei gegen eine Glasscheibe gelaufen, weil die Begleitperson nicht aufgepasst habe.
Als die Gruppe das Fest erneut betreten wollte, hätten die Türsteher von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht.
Ein Sprecher der Polizei Celle bestätigte auf t-online-Nachfrage den Alkoholvorwurf: "Auf hinzugerufene Polizisten haben zwei Personen alkoholisiert gewirkt." Daraufhin sei die Begleitperson von der Feier ausgeschlossen worden – gegen sie hätten sich auch die Vorwürfe der Türsteher gerichtet, nicht aber gegen die sehbehinderten Personen.
"Es war eine Ballermann-Party. Natürlich wird dort getrunken", sagt Bohlen. Zudem sei während der Diskussion an der Tür auch nie der Alkohol der Begleitperson, sondern die Sicherheit der Sehbehinderten im Club selbst ausschlaggebend gewesen. "Es drehte sich einzig darum, dass unsere Begleitperson angeblich nicht auf uns aufpassen konnte", sagt Bohlen.
Recht auf Bier und Party
"Im Jahr 2023 habe auch ich als behinderter Mensch das Recht, am Leben teilhaben zu dürfen. Dies beinhaltet auch den Besuch von Kneipen, Clubs und Diskotheken", so Bohlen.
Zu gefährlich offenbar für die Palais-Betreiber: "Direkt im vollen Eingangsbereich gehen an beiden Seiten steile Treppen zum Keller und den Toilettenbereichen zur Seite ab. Es ging uns um die Sicherheit von Herrn Bohlen", sagt Betreiber Markus Wehmeier t-online. Er war selbst zur Tür geeilt, als er Polizisten im Eingangsbereich bemerkt hatte.
Vorwürfe der Diskriminierung weist Wehmeier dagegen deutlich zurück: "Wir hatten der Gruppe an dem Abend zu Beginn Einlass gewährt. Sie konnten wie alle anderen Gäste bei uns feiern", so der Location-Chef. Mehr noch: Eine Mitarbeiterin habe sich die Zeit genommen und die Gruppe auf dem Gelände herumgeführt. Zusätzlich stelle sich die Frage der Haftbarkeit, wäre jemand von ihnen versehentlich die Kellertreppe hinuntergestürzt, so Wehmeier weiter.
Diese Hilfe hätte die Gruppe um Bohlen dann aber mit den Worten "Wir sind ein eingespieltes Team" zurückgewiesen, sagt Wehmeier.
Reine Vorsichtsmaßnahme statt Diskriminierung?
"Ich benötige weder großartige Hilfe noch muss man gesondert auf mich aufpassen", sagt Bohlen. Im Alltag arbeite er in einem Vollzeitjob als Physiotherapeut. "Es ist geradezu absurd, mir den Besuch einer Kneipe absprechen zu wollen, weil sie zu voll ist und man meine Sicherheit nicht garantieren kann."
Bohlen bleibt auch bei der Gegendarstellung des Veranstalters in den sozialen Netzwerken unversöhnlich: "Wenn es ihm nur um die betrunkene Begleitung gegangen wäre, hätte man ihm den Eintritt verbieten können. Man hat uns allerdings insgesamt von der Party ausgeschlossen", sagt er weiter.
Unterstützung auf Social Media
Viele Nutzer unterstützen Bohlen. Sie schreiben dem Veranstalter öffentlich: "Sie sprechen Gästen mit Sehbehinderung die Fähigkeit ab, selbstständig entscheiden zu können, ob sie einer wie von Ihnen geschilderten Situation eines vollen Lokales gewachsen sind oder nicht. Wenn dies nicht einwandfrei einen diskriminierenden Hintergrund hat, was denn sonst?", schreibt einer. Andere werfen dem Palais Fadenscheinigkeit vor: Schließlich sei die Begleitung mit den Sehbehinderten in die Nacht weggeschickt worden. Hier hätte die Veranstalter die Sicherheit der Sehbehinderten nicht gekümmert.
Auch Bohlen sieht das so: "Jeder andere Gast hätte ebenfalls diese Kellertreppen herunterfallen können – gerade wenn Alkohol im Spiel ist. Wenn dem Betreiber wirklich etwas an meiner persönlichen Sicherheit gelegen wäre und nicht bloß an seiner Haftung, hätte er einfach unsere Begleitung ausschließen können." Er selbst sei aufgrund seiner Sehbehinderung schließlich jedem Tag Gefahren ausgesetzt – schon allein beim Überqueren von Straßen.
Für Wehmeyer sei die Erfahrung mit der Gruppe bei vollem Haus dagegen neu gewesen. Das Palais habe nur für die Sicherheit der Gruppe sorgen wollen. Dass Bohlen die Vorsichtsmaßnahmen als Diskriminierung empfunden habe, täte ihm leid: "Das war so nicht gewollt!"
- E-Mail-Austausch und Telefonat mit dem Stadtpalais Celle
- Telefonat und Nachrichtenaustausch mit Christopher Bohlen
- Telefonische Anfrage bei der Polizei Celle
- Facebook-Beitrag von Christopher Bohlen