"Erpressung" oder wichtiger Dialog? Hannover dealt mit der "Letzten Generation"
Kommt ein "Gesellschaftsrat" gegen den Klimawandel? Nach einer Einigung zwischen der "Letzten Generation" und der Stadt Hannover hagelt es vor allem Kritik.
Die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" haben ihre umstrittenen Proteste im Stadtgebiet von Hannover gestoppt. Doch die Erfüllung ihrer Forderungen stößt auf scharfe Kritik: "Erpressung ist keine Ausdrucksform legitimen Protests", sagte der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Manuel Höferlin, der "Welt". Deshalb halte er es "für naiv und gefährlich, wenn einzelne Kommunen dieser Erpressung jetzt nachgeben. Denn die nächste Eskalation folgt bestimmt".
Die Gruppe "Letzte Generation" bietet einen Stopp ihrer Proteste im ganzen Land oder in einzelnen Kommunen an, wenn die jeweilige Regierung auf ihre Forderungen eingeht. In Hannover sollen die Aktionen enden – dort hatte Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) den Aktivisten nach einem Treffen versichert, deren Forderung nach einem "Gesellschaftsrat" mit einem Brief an die demokratischen Bundestagsfraktionen zu unterstützen. Ein solcher Rat aus zufällig ausgelosten Menschen soll nach den Vorstellungen der Klimaschützer Maßnahmen erarbeiten, wie Deutschland bis 2030 kein klimaschädliches CO₂ mehr ausstößt.
Onay: "Der Grat ist schmal"
Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) sagte Onay in einem Interview, dass er glaube, ein derartiges Gremium könne Anstöße geben und für bessere Repräsentativität sorgen. Onay wolle den Streit von der Straße holen, heraus aus der Polarisierung und stattdessen zu einer konstruktiven, zielführenden Debatte kommen. Hannovers Oberbürgermeister gegenüber der Zeitung: "Ich weiß, dass der Grat schmal ist." Trotzdem wäre es besser, miteinander zu sprechen als nicht miteinander zu sprechen. Das könne laut Onay aber nur funktionieren, wenn es keine weiteren Blockaden mehr im Stadtgebiet gibt – so wie vergangene Woche vereinbart.
Politische Entscheidungen würden in einem demokratischen System nicht von "Räten", sondern von den gewählten Volksvertretern getroffen, mahnte Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) in der Zeitung an. Friedliche Proteste seien ein wichtiges und legitimes Mittel, um Veränderungen anzustoßen, betonte sie. "Straftaten zu begehen, um ein Ziel zu erreichen, gehört ebenso wenig dazu wie Ultimaten oder Erpressungen."
Verständnis aus der SPD-Fraktion
SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte, es sei wichtig, den Dialog zu suchen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe bereits vor einem Jahr mit Vertretern der "Letzten Generation" diskutiert. Angesichts der Kooperation in Hannover gelte aber auch: "Politik darf sich nicht erpressbar machen." Der AfD-Rechtspolitiker Stephan Brandner sprach sich in der Zeitung für "gute Bildung, robustes Durchgreifen und schnelle, harte Strafen" gegen die vor allem durch Klebeaktionen bekannten Klimaschützer aus. Die Politik dürfe sich "weder erpressen noch nötigen lassen".
Auch der Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß (CDU): kritisierte den Deal: "Das Signal des Grünen-Politikers lautet: Wer Regeln bricht und Straftaten verübt, wird belohnt. So etwas beschädigt unsere Demokratie!", schreibt Ploß auf der Kurznachrichtenplattform Twitter.
- Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa
- Twitter-Account von Christoph Ploß
- faz.de: "Ich weiß, dass der Grat schmal ist" (kostenpflichtig)