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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Geleaktes RKI-Dokument Übermittlungsfehler bei Gesundheitsämtern?
Ein internes RKI-Dokument soll einen Softwarefehler belegen, der Corona-Statistiken in Niedersachsen verfälscht haben soll. Das Gesundheitsamt weist die Vorwürfe zurück.
Ein internes Dokument zu möglichen Übermittlungsfehlern von einer von Gesundheitsämtern genutzten kommerziellen Software an die Software des Robert-Koch-Insituts sorgt aktuell in den sozialen Medien für Aufruhr. In der Passage des am Montag auf Twitter veröffentlichten Gesprächsprotokolls heißt es, es sei bei der Übermittlung von Daten von Corona-Fällen zu Fehlern gekommen. Konkret gehe es um 70.000 Fälle allein in Niedersachsen.
Viele Twitter-Nutzer mutmaßen darin einen Beleg dafür, dass die Corona-Pandemie zumindest in dem Land erheblich milder verlaufen ist, als von offizieller Stelle kommuniziert. Ein Sprecher des Landesgesundheitsamts und eine Sprecherin des RKI bestätigten die Echtheit des Dokuments, wiesen entsprechende Interpretationen allerdings entschieden zurück: "Die Fehler in den Datensätzen haben nach aktueller Kenntnis des RKI keinen Einfluss auf die Covid-19-Todesfallstatistik", sagte eine RKI-Sprecherin auf t-online-Nachfrage.
"Es handelt sich um einen technischen Fehler innerhalb der Meldedatensätze, der bei der Evaluierung der Meldedaten aufgefallen ist", sagte auch Holger Scharlach, Sprecher des niedersächsischen Landesgesundheitsamts. Demnach sei durch den Fehler bei der Übermittlung von den Gesundheitsämtern an die Landesstelle auch bei nicht verstorbenen Covid-19-Meldefällen durch die Software ein Datum im Feld "verstorben am" gesetzt worden.
Behörde: Übertragung in offizielle Statistik nicht möglich
In dem veröffentlichten Abschnitt heißt es, dass bei der Übermittlung von Fällen von der Software Äskulab nach Survnet "Fehler im Status verstorben 'nein'" aufgetreten seien. Einige Personen seien tatsächlich verstorben, jedoch nur wenige an Covid-19 und einige gar nicht.
"Damit ein Todesfall in die Statistik aufgenommen wird, müssen allerdings weitere Angaben vorhanden sein", sagte Scharlach. Konkret habe der Fehler nur die Datumsangabe des vermeintlichen Todestags betroffen. Der Fehler habe allerdings keine Auswirkungen auf die veröffentlichten oder an das RKI übermittelten Zahlen gehabt. Das bestätigt auch die RKI-Sprecherin: "Es wurden aufgrund dieses Fehlers also keine Todesfälle zu viel erfasst."
Allerdings heißt es in dem Dokument auch, dass die hohe Anzahl fehlerhafter Fälle und die Aussagekraft der Daten daher "beunruhigend" sei. Doch diese Formulierung gebe "den Sachverhalt aufgrund der protokolltypischen Verkürzung nur unzutreffend" wieder und reiße ihn aus dem Zusammenhang, so die RKI-Sprecherin.
Woher stammt das Dokument?
Laut der RKI-Sprecherin handelt es sich offenbar um eine Fotografie eines Bildschirms, auf dem ein Ausschnitt von Protokollnotizen der Epidemiologischen Lagekonferenz vom 7. Februar dieses Jahres abgebildet ist.
Wie die RKI-Sprecherin weiter erklärt, soll konkret eine Schnittstellenproblematik ursächlich für das Problem sein. Während das RKI die Standard-Software Survnet nutzt, greifen einzelne Landesbehörden auf kommerzielle Lösungen wie Äskulab zurück – so auch das Gesundheitsamt in Hannover. "Bei der Übermittlung von Daten aus einer kommerziellen Software an die RKI-Software können Fehler auftreten", so die Sprecherin.
Behebung des Software-Fehlers bereits veranlasst
Damit seien die internen Details zu einzelnen Covid-Infizierten zwar in etwa 70.000 Fällen falsch bearbeitet worden, doch die am Ende veröffentlichte Todesfallstatistik stimmten. Es handelt sich demnach nur um einen internen Fehler.
Behördensprecher Scharlach teilte mit, dass die Korrektur in der Software bereits veranlasst worden ist. "Der für die Todesfallstatistik unerhebliche Übertragungsfehler wird u. a. vom RKI, der Landesbehörde und Gesundheitsämtern weiter analysiert", sagte die RKI-Sprecherin. Auch die Softwarehersteller würden einbezogen werden.
- Schriftliche Anfrage beim Gesundheitsamt Niedersachsen
- Schriftliche Anfrage an das Robert-Koch-Institut
- Twitter-Account von holmenkollin
- Eigene Recherche