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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Amtsgericht Hannover Anwalt baut riesigen Joint für Drogenprozess
Ungewöhnlicher Drogenprozess in Hannover: Ein Anwalt tauchte zusammen mit seiner Mandantin mit einem riesigen Joint vor dem Amtsgericht auf. Aber warum?
Mit einem Riesenjoint hat Rechtsanwalt Björn Nordmann im Amtsgericht Hannover für große Augen gesorgt. Die 70 bis 80 Zentimeter große "Tüte" war am Montag Bestandteil eines Drogenprozesses in der Landeshauptstadt. Eine 26-Jährige soll laut Anklage Kurierdienste beim Handel mit "nicht geringen Mengen" Cannabis geleistet haben. Strafverteidiger Nordmann stellt das infrage – und verdeutlicht seine Argumentation mit mehrstündiger Handarbeit.
Nordmanns Riesenjoint war allerdings nicht mit Cannabis gefüllt. Das hätte dem Rechtsanwalt vor Gericht wohl selbst Probleme beschert. Der "Joint" bestand aus Brennnesseltee. Zuerst hatte "Bild" über den Fall berichtet.
Was wird der Angeklagten vorgeworfen?
Die 26-Jährige soll für einen Bekannten insgesamt vier Postpakete angenommen haben, die ihr aus Italien zugeschickt wurden. Inhalt: "Insgesamt 44 Kilogramm Cannabis", sagt ein Gerichtssprecher t-online. Die Pakete soll sie weiter zu einer dritten Person transportiert haben. Damit stünde der Vorwurf der Beihilfe im Raum, so der Sprecher.
Rechtsanwalt Nordmann widerspricht der Anklage: Für die Strafverfolger wäre nicht die Menge des Cannabis entscheidend, sondern der Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC), der berauschenden Substanz der Droge, so Nordmann. "In den Paketen war CBD-Gras, das legal ist, oder Gras von wirklich extrem schlechter Qualität", sagt Nordmann t-online.
Anwalt: Verfahren kann nicht zur Verurteilung führen
"Der THC-Gehalt des sichergestellten Cannabis hat bei etwa 0,2 Prozent gelegen", so der Anwalt. Üblich sind laut Daten von Statista in Deutschland etwa 13,7 Prozent THC-Anteil – also ein Vielfaches dessen, was die Polizei in diesem Fall beschlagnahmt hat. Nordmann habe die Riesentüte aus zahlreichen einzelnen Zigarettenpapieren gebaut, um dem Gericht darzustellen, wie groß ein Joint mit diesem Material hätte sein müssen, um beim Konsumenten einen berauschenden Effekt herbeizuführen.
Zudem fordert Nordmann eine Einstellung des Verfahrens. "Es ist klar, dass dieses Produkt gar keine berauschende Wirkung hat. Darum kann hier gar kein Verfahren im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes zu einer Verurteilung führen."
Wie lief das Verfahren am Montag also ab? Gar nicht. Gleich mehrere Zeugen sind nicht erschienen. Ein Zeuge befindet sich laut Nordmann derzeit in einer Justizvollzugsanstalt und sei vom Gericht nicht rechtzeitig vorgeladen worden, um aussagen zu dürfen. Daher wurde am Montag auch die Anklage noch nicht verlesen. Stattdessen wurde ein neuer Prozesstermin für Januar 2023 angesetzt.
- bild.de (kostenpflichtig): "Nanu, wo kommt denn der Riesenjoint her?"
- Telefonat und E-Mailaustausch mit Rechtsanwalt Björn Nordmann
- Telefonat mit der Pressestelle des Amtsgerichts Hannover
- statista.com: "Entwicklung des THC-Gehalts von Marihuana für Kraut und Blüten in Deutschland in den Jahren 2006 bis 2020"