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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Geplanter Schnellweg-Ausbau Bleibt die Leinemasch?
Ein Naherholungsgebiet im Süden Hannovers erhitzt die Gemüter: Der Ausbau des Südschnellwegs ruft Aktivisten auf den Plan, die das Projekt stoppen wollen.
Der Protest gegen den geplanten Ausbau des Südschnellwegs in Hannovers südlicher Leinemasch hat begonnen. Wo vor einem Monat Menschen noch nach Abkühlung in den Kiesteichen suchten, soll es in Kürze ganz anders aussehen: 13 Hektar Bäume sollen Anfang Oktober fallen, der Schnellweg auf fast doppelte Breite ausgebaut werden. Das Wirtschaftsministerium will loslegen, Klimaaktivisten wollen das Projekt stoppen.
Vor einem Pavillon sitzen Menschen von der Initiative "Leinemasch Bleibt" in den wärmenden Sonnenstrahlen. Sie verteilen Flyer an Spaziergänger, die ihre Nachmittagsrunde durch das Naherholungsgebiet in Hannovers Süden machen.
"Wissen Sie, dass Sie da bald nicht mehr durchkommen?", ruft ein Aktivist einer Fahrradfahrerin zu, die gerade die Unterführung unter dem Südschnellweg nehmen will. Auf ihre Verneinung hin hat sie prompt einen Flyer in der Hand und bekommt schnell erzählt, worum es geht.
Südschnellweg-Ausbau nicht mehr zeitgemäß?
"Es ist auch ein Zeichen dafür, wie Katastrophen-blind Menschen sind, weil wir ja wissen, dass alles gerade kaputtgeht und eigentlich klar ist, was nicht passieren darf. Aber trotzdem passiert es einfach, weil es immer schon so passiert ist und alles einfach so weiter läuft", so Förster.
Die neue Planung sieht vor, dass der Schnellweg von 14,5 auf dann 25,6 Meter ausgebaut werden soll. Für Julia Förster, Sprecherin der Initiative "Leinemasch bleibt!", sind diese Ausbaupläne nicht zeitgemäß. "Du hast Ausschreibungen und Ideenwettbewerbe und Planungen, da kommt das Wort Klima nicht mal vor. Die Leinemasch ist die Bühne, wo sich dieses große Drama so richtig gut angucken lässt", sagt sie t-online.
Was plant das Verkehrsministerium?
Für den Ausbau des Südschnellwegs zwischen den Stadtteilen Ricklingen und Döhren sollen auf 3,8 Kilometern etwa 13 Hektar Grünfläche gerodet werden. Das sieht der Projektplan des Ingenieurunternehmens Schüßler-Plan vor, das von der Niedersächsischen Landesbehörde mit der Umgestaltung beauftragt wurde.
Während die Schnellwegbrücke über die Hildesheimer Straße abgerissen und durch einen Tunnel ersetzt wird, sollen auch die beiden anderen großen Brücken des Südschnellwegs, die Leine- und die Leineflutbrücke, saniert werden. Beide bleiben vorerst stehen und tragen den Verkehr, während bis Ende 2024 eine Hälfte der neuen Brücken entsteht.
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Über die neue Hälfte soll in den folgenden Jahren der Verkehr geführt werden, während die alten Brückenteile abgerissen und ersetzt werden. Wegen des Krieges in der Ukraine sind die Kosten für den Ausbau noch mal deutlich nach oben gegangen. Das Wirtschaftsministerium erklärt, dass unter anderem Stahlprofile eine Preissteigerung von über 88 Prozent haben. Genaue Zahlen nennt das Ministerium nicht, aber es erklärt, dass die Kosten im September 2021 vor dem Ausschreibungsverfahren mit knapp 400 Millionen EUR ermittelt wurden.
Wirtschaftsministerium steht hinter dem Projekt
Die Verantwortung für das Projekt liegt auf Landesebene. Das von Bernd Althusmann (CDU) geführte niedersächsische Wirtschaftsministerium hält den Ausbau für unausweichlich. Auf Anfrage von t-online teilt das Ministerium mit, dass die Verbreiterung vor allem von sicherheitsrelevantem Nutzen sei, da die zusätzlich entstehenden Rand- und Mittelstreifen es erleichtern würden, Rettungsgassen zu bilden.
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Für das Ministerium stellt der Südschnellweg die einzige leistungsfähige und hochwasserfreie Ost-West-Verbindung dar und wickelt, laut dessen Angabe, rund 50.000 Fahrten pro Tag ab.
Wann beginnen die Rodungsarbeiten?
Am 9. Oktober wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. Julia Förster gibt das noch mal ein wenig Hoffnung auf einen neuen Wirtschaftsminister, der im letzten Moment eingreift. Bereits am Dienstag, dem 4. Oktober, sollen die ersten Rodungsarbeiten beginnen. "Baurecht heißt erst mal nicht Baupflicht", sagt sie. "Es gibt ganz viele Gründe – auch durch die neue Situation –, die dafür sprechen, dass die Planung neu bewertet wird. Juristisch vielleicht nicht, aber ich glaube, politisch besteht noch eine Chance."
Die Mahnwache der Klimaaktivisten steht täglich an einem der vielen Wege durch die Leinemasch. Ab Oktober wollen sie rund um die Uhr da sein. "Das ist der Ort und der Moment, an dem wir Leuten klarmachen müssen, wenn wir uns jetzt nicht bewegen und hier aktiv werden, dann geht im Großen wie hier im Kleinen alles kaputt", schließt Julia Förster ab. Zum geplanten Rodungsstart haben die Aktivisten von "Leinemasch bleibt!" eine Demonstration angekündigt, die direkt in das betroffene Gebiet führen soll.
- Reporter vor Ort
- schuessler-plan.de: "Ausbau B3 Südschnellweg Hannover"
- E-Mail-Austausch mit dem niedersächsischen Wirtschaftsministerium
- ndr.de: "Ausbau von Südschnellweg: Stadt sieht Gefahren durch Flut"