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Frankfurt: Warum illegale Straßenprostitution weiter boomt


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Trotz Bordell-Öffnung
Warum in Frankfurt illegale Straßenprostitution boomt

Von Johanna Wendel

Aktualisiert am 03.03.2022Lesedauer: 4 Min.
Das Rotlichtviertel in Frankfurt (Archivbild): Obwohl die Bordelle wieder geöffnet sind, bieten Prostituierte ihre Dienste auf den Straßen an.Vergrößern des Bildes
Das Rotlichtviertel in Frankfurt (Archivbild): Obwohl die Bordelle wieder geöffnet sind, bieten Prostituierte ihre Dienste auf den Straßen an. (Quelle: Arnulf Hettrich/imago-images-bilder)

Obwohl die Bordelle im Frankfurter Bahnhofsviertel nach der Corona-Pause seit einigen Wochen wieder geöffnet sind, bieten Prostituierte ihre Dienste auf der Straße an. Was steckt dahinter?

Es ist 19 Uhr im Frankfurter Bahnhofsviertel, die roten Lichter der Laufhäuser leuchten. Unweit des Rotlichtviertels in der Elbestraße stehen vor zwei Hotels jeweils drei Frauen mit mehreren Metern Abstand. Aus dem Eingang eines der Hotels treten ein Mann mit einem grauen Vollbart und eine Frau mit hohen Stiefeln und langen blonden Haaren heraus.

Ihre Wege trennen sich: Er steigt in sein Auto, sie läuft die Elbestraße Richtung Kaiserstraße hinunter, bleibt wenige Meter weiter stehen und zündet sich eine Zigarette an. Darüber sprechen, was gerade passiert ist, will sie nicht. Die Frau winkt ab und verschwindet um eine Straßenecke.

Es ist Alltag im Bahnhofsviertel, obwohl die Bordelle seit einigen Wochen wieder geöffnet sind. Die illegale Straßenprostitution ist geblieben. Bis Anfang Februar waren die Bordelle für vier Wochen geschlossen. Weil die Inzidenz in Frankfurt am Main wochenlang deutlich über 350 lag, griffen die Hotspot-Regelungen des Landes Hessen. Manche Frauen fuhren in ihre Herkunftsländer, andere aber blieben – und boten wieder ihre Dienste auf der Straße an.

Prostitution in Frankfurt: Sexarbeiterinnen verdienen in Hotels mehr Geld

Erlaubt ist das nicht. Denn laut dem Prostituiertenschutzgesetz der Stadt Frankfurt dürfen sexuelle Dienstleistungen im Bahnhofsviertel nur in Laufhäusern angeboten werden.

Viele Frauen konnten unter der 2G-plus-Regelung in die Bordelle zurückkehren, doch nicht jede scheint das zu wollen. Nadine Maletzki, Betreiberin eines Bordells auf der Moselstraße, sagt: "Die Hotels bieten ihre Zimmer günstiger an und die Preise auf der Straße steigen. Ein Hotelzimmer bekommen die Frauen für 30 bis 50 Euro, im Laufhaus zahlen sie dafür im Schnitt 140 Euro am Tag."

"Im Prinzip hat sich nichts geändert", erzählt Maletzki. "Während des ersten Lockdowns hat sich alles auf die Straße und in die Hotels verlagert. Als wir von Ende Juni 2020 bis Anfang Januar 2021 öffnen durften, sind die Frauen lieber auf der Straße geblieben." Und auch im Jahr 2022 hat sich dieses Bild nicht verändert.

Bordellbetreiberin: "Die Hotels sind illegale Prostitutionsstätten"

Als Betreiberin könne und dürfe sie aufgrund des Prostitutionsschutzgesetzes keine Preisvorgaben machen, um dem etwas entgegenzusetzen. "Wir haben hohe Auflagen, müssen Zuverlässigkeitsprüfungen über uns ergehen lassen und ein Notrufsystem in jedem Arbeitszimmer installiert haben." Die Hotels seien dagegen nichts anderes als illegale Prostitutionsstätten.

Anwohnende scheinen seit Kurzem jedoch weniger Frauen auf der Straße wahrzunehmen, sagt etwa der Besitzer eines Döner-Restaurants auf der Taunusstraße. "Es sind bestimmt 40 Prozent weniger Frauen, die hier auf der Straße stehen. Während der Schließungen kam häufig die Polizei und hat die Frauen mitgenommen. Meistens waren sie aber am nächsten Tag schon wieder da."

Bahnhofsviertel in Frankfurt: Ordnungsamt sieht Rückgang seit Lockdown

Auch das Ordnungsamt bestätigt einen Rückgang, eine offizielle Erfassung existiere jedoch nicht. "Wir zählen momentan etwa 15 bis 25 Sexarbeiterinnen am Tag, die sich hier auf den Straßen im Bahnhofsviertel bewegen. Während des ersten Lockdowns waren es mindestens doppelt so viele", teilt zudem ein Sprecher der Polizei mit.

An diesem Abend sind ebenfalls etwa 15 Frauen zu sehen, hauptsächlich auf der Elbe- und Kaiserstraße. Anders als in der Woche zuvor, als auf der Moselstraße zwei Gruppen von Polizisten patrouillierten, sind nun keine Sicherheitskräfte im Bahnhofsviertel unterwegs. Die Frauen gehen das Risiko anscheinend ein.

Es sind zwar offenbar weniger Prostituierte in den Straßen, aber die grundlegenden Probleme für die Frauen ändern sich dadurch nicht. Die Zuhälter etwa, sagt Maletzki, seien daran interessiert, dass die Frauen weiter auf der Straße arbeiteten – so hätten sie eine bessere Kontrolle über deren Einnahmen. Und in den Hotels überprüfe niemand die Corona-Auflagen, genauso wenig wie den Impfstatus oder die Kontaktdaten des Freiers.

Frankfurter Security-Mitarbeiter: "Die Frauen sind wie Sklaven"

Zwei Sicherheitsmänner aus der Kaiserpassage beobachten solche Vorgänge täglich. "Gegenüber von den Frauen auf der anderen Straßenseite stehen die Männer und warten darauf, abzukassieren. Die Frauen sind wie Sklaven, aber wenn sie mit ihren Familien telefonieren, stellen sie sich vor den Supermarkt und tun so, als würden sie dort arbeiten", erklärt einer der Männer.

Das weitere Abrutschen der Prostitution in illegale Strukturen durch die Maßnahmen der hessischen Landesregierung kritisiert auch der Verein "Frauenrecht ist Menschenrecht" (FIM). "Die Frauen sind noch weniger sichtbar. Dadurch sind sie weniger geschützt und Gewalt stärker ausgesetzt. Klientinnen berichten uns, dass Freier die Bezahlung verweigern oder sogar versuchen, ihnen ihre Einnahmen abzunehmen", sagt Shirin Moghaddari von FIM.

Zudem führe die Kontaktdatenerfassung in den Bordellen dazu, dass die "guten", also vertrauenswürdigen Freier wegblieben. "Die Frauen stehen so sehr unter Druck, trotzdem Geld zu verdienen, dass in der Not auch die Bereitschaft wächst, Dienstleistungen zu erbringen, die sie vor Corona nicht angeboten hätten, wie beispielsweise Sex ohne Kondom", führt Moghaddari aus.

Eine Verbesserung der Situation durch die erneute Öffnung der Prostitutionsstätten erwartet sie ebenfalls nicht. Das liege nicht zuletzt daran, dass gerade die Kontaktdatenerfassung für viele Freier abschreckend sei. "Wir gehen deshalb davon aus, dass die Prostituierten weiter in illegale Wohnungs- und Hotelprostitution ausweichen, auch wenn sie gewalttätigen Freiern so viel stärker ausgeliefert sind."

Ordnungsamt: Strafanzeige erst nach viertem Vergehen möglich

Vonseiten der Stadtpolizei sind die Sexarbeiterinnen auf der Straße weiterhin Sanktionen ausgesetzt. Diese seien jedoch nur möglich, wenn man die Prostituierten direkt bei Anbahnungsgesprächen und dem Betreten des Hotels mit einem Freier beobachte. "In den ersten drei Fällen werden Ordnungswidrigkeitsanzeigen von 120 Euro erstellt", teilt das Ordnungsamt mit. "Wird der oder die Prostituierte zum vierten Mal angetroffen, folgt eine Strafanzeige."

Doch gerade die Bedingung des sogenannten Anbahnungsgesprächs mache es schwierig. Das alleinige Herumstehen auf der Straße sei schließlich nicht verboten, bestätigt auch ein Polizeisprecher.

Die Frauen lassen sich an diesem Abend auf keine Gespräche ein, die ihre illegalen Tätigkeiten aufdecken könnten. Zu groß scheint die Gefahr, in eine Falle zu tappen. Und selbst in einem Kiosk auf der Taunusstraße will man sich lieber nicht zur Straßenprostitution äußern. "Ich weiß von nichts, ich habe nichts gesehen", sagt ein junger Mann hinter dem Verkaufstresen mit einem verkrampften Lächeln. Sein Kollege teilt dagegen in lockerem Ton beiläufig mit: "Acht, neun Frauen sind es hier auf der Straße noch."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Nadine Maletzki
  • E-Mail-Korrespondenz mit dem Ordnungsamt Frankfurt
  • Gespräch mit Shirin Moghaddari
  • Gespräch mit der Polizei Frankfurt
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