Frankfurt am Main Bildungsstätte: Verschärfte Situation nach Hanau-Anschlag
Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, hat davor gewarnt, den rassistisch motivierten Anschlag von Hanau als Einzelfall abzutun. "Sonst haben wir aus dieser Tat rein gar nichts gelernt: Solche Radikalisierungsbiographien entwickeln sich niemals isoliert, sondern werden immer von gesellschaftlichen Diskursen genährt und befeuert", sagte er am Mittwoch, kurz vor dem zweiten Jahrestag des Anschlags mit neun Toten am 19. Februar 2020.
Grund zur Entwarnung gebe es nicht, im Gegenteil: "Wir müssen leider feststellen, dass sich seit den rechtsextremen Attentaten von Halle und Hanau und dem Mord an Walter Lübcke die gesellschaftliche Situation noch verschärft hat: Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich die verschwörungsideologische Szene radikalisiert, Rechtsextreme mischen mit, antisemitische und rassistische Ressentiments machen die Runde – egal ob auf Demos, bei YouTube oder in Chatgruppen bei Telegram", betonte Mendel.
"Die Morde von Hanau sind als Botschaftstat zu lesen, die sich an ganz bestimmte Gruppen und Communities richtet – das hallt bis heute vielfach nach und hat zu einer massiven Erschütterung des Zugehörigkeits- und Sicherheitsgefühls geführt", sagte Liisa Pärssinen, Leiterin der in der Bildungsstätte angesiedelten Beratungsstelle response. Nicht nur das Attentat von Hanau, auch der Anschlag kurz zuvor in Halle war nach ihren Worten eine derartige Botschaftstat. Beide Täter hätten ihre Ziele bewusst gewählt: die Synagoge der Stadt Halle, in Hanau suchte sich der Täter gezielt Menschen und Orte wie zum Beispiel eine Shishabar aus.
Pärssinen kritisierte eine Lücke bei der langfristigen Versorgung von Betroffenen: Auch zwei Jahre nach dem rechtsterroristischen Anschlag müssten die Betroffenen sich mit Anträgen für medizinische Reha, Erwerbsminderungsrenten, Opferentschädigungsleistungen, Sozialleistungen, Begutachtungen und vieles mehr quälen, sagte sie.