Nach Massenschlägerei in Essen Clan-Kriminalität: Experten fordern härtere Gesetze
Der nordrhein-westfälische Landtag diskutierte nach einer massiven Schlägerei in Essen intensiv das Thema Clan-Kriminalität. Experten fordern nun härtere Gesetze und Polizeigewerkschafter mehr Personal.
Im Sommer 2023 stand Essen wegen einer Massenschlägerei bundesweit in den Schlagzeilen. Zwei Gruppen syrischer und libanesischer Herkunft gerieten damals vor einem Restaurant aneinander. Am Donnerstag debattierte der Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags aufgrund der Vorfälle zum Thema "Clan-Kriminalität".
Experten betonten vorab, dass der Staat auf kriminelle Strukturen reagieren muss. Mahmoud Jaraba vom Erlanger Forschungszentrum für Islam und Recht in Europa wies jedoch auch darauf hin, dass die Forderung der AfD, neue Zuwanderungsgruppen systematisch in das Lagebild aufzunehmen, das Risiko einer Stigmatisierung ganzer Bevölkerungsgruppen birgt.
AfD gegen "Kuscheljustiz" der Landesregierung
Hierauf entgegnete Markus Wagner, Vorsitzende der AfD im NRW-Landtag am Donnerstag in Düsseldorf, dass diese Forderung gar nicht gestellt worden sei. Die AfD wolle nicht pauschal Bevölkerungsgruppen aufnehmen, sondern nur kriminelle Strukturen, die sich ethnokulturell oder familiär identifizieren und darauf Hierarchien in geschlossenen Systemen aufbauen.
Insgesamt wendet sich die AfD-Opposition mit einem 25 Punkte umfassenden Forderungskatalog gegen die aus ihrer Sicht "Kuscheljustiz" der Landesregierung. Aus Sicht der Sachverständigen sind aber mehrere Forderungen der AfD, etwa zur Ausweisung krimineller Clan-Mitglieder oder Grenzkontrollen unter NRW-Beteiligung, rechtlich so nicht umzusetzen.
Klar ist, die Experten sehen in ihrem Gutachtachten Handlungsbedarf in Sachen Clan-Kriminalität in der Justiz: "Der Eindruck ist: Das deutsche Gesetz erschreckt die Kriminellen nicht", so Jaraba. "Sie werden abgeschoben, aber kommen morgen zurück. Das ist keine Konsequenz."
Bund Deutscher Kriminalbeamter sieht Handlungsbedarf
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter sieht ebenfalls Handlungsbedarf. Landeschef Oliver Huth schlägt die Einführung eines spezifischen Gesetzes vor, das ähnlich wie der Anti-Mafia-Paragraph in Italien Strukturen des "Gesetzes des Schweigens" in Deutschland bekämpfen soll. Zudem brauche es unbedingt polizeilichen, internationalen Austausch über Europol. Kripo-Gewerkschafter Huth forderte am Donnerstag zudem von der Politik, die Kriminalpolizei kommissionsfähig aufzustellen. Hierzu benötige es vor allem Personal.
Bei der Massenschlägerei vor einem Essener Restaurant, die sich vermutlich aus einem Familienstreit in Castrop-Rauxel entwickelt hatte, waren weit mehr als hundert Menschen aneinandergeraten. Es gab mehrere Verletzte, darunter auch Polizisten. Nach der Schlägerei hatten Zeugen keine Angaben mehr gemacht oder waren erst gar nicht zu Vernehmungen erschienen, wie aus einem Bericht des NRW-Innenministeriums hervorgeht.
Ein effektiveres Konzept für den Umgang mit abgeschotteten Milieus fordert auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG). Die Polizeiarbeit jedoch zentral auf NRW zu konzentrieren, "wäre eine Totalaufgabe im Kampf der organisierten Kriminalität", sagte der stellvertretende Bundesvorsitzender Manuel Ostermann am Donnerstag.
Deswegen sehe er hier die Bundesregierung in Verpflichtung, zudem müsse die Polizei mit den europäischen Nachbarn noch viel enger zusammenarbeiten. Um Erkenntnisse über die Strukturen im Bereich syrischer Migranten zu gewinnen, fordert auch Ostermann mehr Personal und Mittel seitens der Politik.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Livestream des Innenausschusses vom 31. Oktober vom 2024