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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Buden aus dem Pott Vegan, stylisch, "Bild"-Verbot: Trinkhallenkultur auf neuen Wegen
Brause-Ufos gibt es noch – dennoch: Einiges hat sich an den Buden im Pott verändert. Das "Kiosk Einundachtzig" ist ein Beispiel: Hier gibt es die süße Tüte jetzt vegan.
An der Frage, was in eine gemischte Tüte gehört, scheiden sich die Geister. Manche sind ganz sicher, dass Brause-Ufos und Cola-Kracher nicht fehlen dürfen, andere schwören auf Lakritzschnecken und Schaumgummi-Frösche. Wie auch immer: Der Erfolg der gemischten Tüte ist am Kiosk unvergleichbar – noch heute und auch im Kiosk von Franziska Czilwik (32) und Lukas Stalter (29).
Vor weniger als zwei Jahren haben die Bochumer einen Kiosk nahe der Innenstadt eröffnet. Dass es ein Kiosk geworden ist, war eigentlich Zufall. Es hätte genauso gut ein Café oder ein Plattenladen werden können. Doch dann wurden die Räumlichkeiten eines ehemaligen Hundefriseurs frei und die Freunde wussten: Das wird unser Kiosk. Einen gemeinsamen Laden wollten die beiden nämlich schon seit Langem eröffnen.
Veganes für die "süße Tüte"
Doch auch, wenn rot-weiße Lollis, saure Schnüre, Zeitschriften, gekühlte Bierdosen und Hubba-Bubba-Kaugummis bei so manchen für nostalgische Momente sorgen mögen: In vieler Hinsicht ist frischer Wind gegenüber den alteingesessenen Trinkhallen eingezogen. Dass der Kiosk "Einundachtzig" – ein Bezug zur Hausnummer an der Hattingerstraße – bei Instagram vertreten ist und eine eigens designte Postkarte hat, sind nur zwei dieser Punkte.
"Wir haben gekennzeichnet, welche Süßigkeiten vegetarisch und vegan sind", sagt Statler und zeigt auf ein gelbes und grünes Herzchen über den Süßigkeitenboxen. Aus ethischen und religiösen Gründen würde das immer mehr nachgefragt. "Das kommt gut an", versichert der Inhaber, der sich selbst noch an die Momente erinnert, in denen er als kleiner Junge im Kiosk über die Ladentheke lugte.
Einige Unternehmen hat der Kiosk aus seinem Angebot verbannt
"In dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin, war unten auch ein Kiosk drin", erzählt Statler, der ursprünglich Verwaltungsfachangestellter ist. Als solcher hat er einst bei der Ausländerbehörde in Essen gearbeitet, doch das ist lange her. Heute verdient er sein Geld – neben dem Kiosk – vor allem als DJ auf Partys.
Nicht alle Produkte kann man im Kiosk kaufen: An der Tür prangt ein großes Schild, auf dem steht "Wir müssen draußen bleiben." Gemeint sind damit keine Hunde, sondern die Marken, deren Logos gleich daneben abgebildet sind: Coca-Cola, Red Bull, Nestlé. Auch die "Bild"-Zeitung gibt es beim Kiosk "Einundachtzig" nicht zu kaufen. Das habe politisch-ideologische Gründe, erklärt Statler.
Augenmerk auf stylischer Einrichtung
"Wir haben teilweise alternative Marken", sagt er. Je länger man sich in der Trinkhalle aufhält, desto mehr außergewöhnliche Details springen ins Auge: Da ist die Lampe über der Theke, die aus einem Gartenschlauch gebogen wurde, und das Aquarium, das auf der Getränkebar steht. Verkaufskörbe sind mit Lametta beklebt, eine Eistruhe liebevoll selbst bemalt und im Schaufenster steht ein Flamingo aus Plastik.
Der Boden ist schachbrett-artig gefliest, das Eis-Angebot von Calippo über Minimilk bis Riesenhappen auf eine Pinnwand gebastelt. Über dem Eingang hängen aus Buchstaben zusammengepuzzelt Songzitate, die regelmäßig ausgetauscht werden. Aktuell kann man schon von Weitem lesen: "Ich bin Arbeiter und arbeite in einer Staubsaugerfabrik."
Begegungsstätte im Quartier
"Eine stylische Einrichtung war uns wichtig, wir verbringen hier schließlich viel Zeit", sagt Statler. Der Fokus der Trinkhalle liegt auf dem Abendgeschäft, er hat täglich von 12 bis 24 Uhr geöffnet. Kein Wunder, dass Statler im Umkreis von einem Kilometer mittlerweile jeden Nachbar zu kennen glaubt.
Gespräche drehen sich etwa um den Immobilienmarkt, Musik, Partys. "Eine Begegnungsstätte ist der Kiosk längst geworden", ist sich Statler sicher. Und an diese Tradition der Trinkhallenkultur knüpft der Bochumer gerne an.
- Besuch im Kiosk Einundachtzig