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Zum journalistischen Leitbild von t-online.11.11. in Düsseldorf Menschenmassen am Marktplatz – "Geimpft fühlen wir uns sicher"
Die fünfte Jahreszeit hat begonnen: In Düsseldorf ist um 11.11 Uhr traditionell der "Hoppeditz" auf dem Rathausvorplatz erwacht. Passen Karneval und Corona-Bedingungen zusammen? t-online war vor Ort.
Inmitten steigender Corona-Zahlen mit zuletzt mehr als 50.000 Neuinfektionen haben am Donnerstag um 11.11 Uhr Tausende in Düsseldorf den Auftakt der neuen Karnevalssession gefeiert. Großflächig galt dabei die 2G-Regel: Auf den Marktplatz, in den Henkel-Saal und in die meisten Traditionskneipen kamen Jecken nur mit Impf- oder Genesungsnachweis.
Schon weit vor 11 Uhr füllt sich der Marktplatz in der Düsseldorfer Altstadt. Hier, unweit des Rheinufers, warten die Jecken auf das traditionelle Erwachen des Hoppeditz. Gudula Bucher und ihr Partner Horst warten in der meterlangen Schlange auf Einlasskontrolle: Ein negativer Corona-Test reicht hier nicht, um auf den Marktplatz zu kommen
Viele Jecken fühlen sich sicher
"Ich begrüße 2G, so fühlt man sich deutlich sicherer", sagt Bucher. Einen Mund-Nasen-Schutz tragen will das als Bienchen verkleidete Paar trotzdem – auch wenn es keine Vorgabe ist. "Man ist froh, dass überhaupt etwas stattfindet. Jeder muss sich der Verantwortung aber bewusst sein", sagt die Düsseldorferin.
Auch beim Karnevalszug zum Marktplatz ist die Vorfreude auf die Karnevalssaison groß. Etwa 900 Jecken aus 49 Vereinen marschieren hier dicht an dicht durch die Altstadt. "Das meiste findet ja draußen statt, deshalb fühle ich mich sicher", sagt Margret Hewing. Nach 40 ununterbrochenen Jahren voller Karnevalsfeierei ist die 67-Jährige froh, dass die Feierlichkeiten in diesem Jahr nicht abgesagt wurden.
Karneval in Düsseldorf: Mehrere 2G-Kontrollen
"Die Vereine sind für die Kontrolle der 2G-Regeln selbst zuständig und haben uns dann mitgeteilt, wie viele Einlassbändchen sie benötigen", sagt Dirk Abels, der die Karnevalisten als Zugleitung begleitet. "Normalerweise kommen etwa 1.200, aber der 11.11. fällt diesmal auch auf einen Wochentag", gibt er zu Bedenken.
Alle Personen vom Karnevalsumzug seien namentlich festgehalten. Auf dem Marktplatz allerdings ist das wieder vergessen: Hier stehen Zentimeter an Zentimeter Tausende Feierfreudige, auch solche, die zuvor nicht beim Umzug der Vereine mitgelaufen sind. An drei Kontrollpunkten sind sie auf das abgetrennte Feiergelände gekommen, für Bändchen-Träger geht’s durch die Fastlane.
Angst vor Superspreader-Event
"Wir gehen von 2.500 Karnevalisten aus, maximal passen 3.500 hier auf den Marktplatz", hieß es von Seiten der Düsseldorfer Polizei. Ein Alkohol- und Glasverbot gilt am Donnerstag nicht, es laufe aber auch alles "unproblematisch", die Feiernden akzeptierten die Regeln.
"Zugegeben: So wirklich sicher fühle ich mich nicht. Ich habe Angst, dass das ein Superspreader-Event werden könnte", sagt Daniel Geißenbeck, der als Hase verkleidet vor der Rathausabsperrung steht. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach teilt diese Befürchtung und warnte bereits vor einer "Riesengefahr" durch Karnevalsfeiern. Sein Appell: Veranstaltungen in Innenräumen vermeiden.
Ausgelassen, aber nicht unbefangen
Wiebke Oechler, die auf dem Marktplatz im Bierwagen arbeitet, ist ebenfalls nicht frei von Sorge. "Die Impfung wirkt schließlich nicht zu 100 Prozent, da ist man schon mit einem wachen Auge unterwegs", sagt sie. Alle Altersgruppen kämen beim Karneval zusammen. "Da bleibt die Sorge im Hinterkopf", ist sie sich sicher. Gleichzeitig weiß Oechler aber auch: Der Hunger nach Normalität ist groß.
Beim Karnevalslied "Wir feiern das Leben", dem Motto der diesjährigen Düsseldorfer Karnevalssaison, war das deutlich zu spüren: Dutzende Jecken tanzten ausgelassen mit. "Dieses Jahr bin ich ganz betört, jeder da, wo er hingehört!", rief der Hoppeditz, nachdem er seinen Kopf aus dem Senftopf gestreckt hatte.
Gastronomie ist vorbereitet
Vor der Traditionskneipe "Zum Schlüssel" sind die Würzburger Philipp Räder und Philipp Leinhens schon in Stimmung. "Endlich passt die Maske mal zum Kostüm", sagt einer der beiden, der als Intensivpfleger verkleidet ist. In den Gaststätten rechnen die Wirte derweil mit erhöhtem Andrang: Um kurz nach 12 wird bei Gastronom Swen Michels, Inhaber des Schlüssels, schon ordentlich geschunkelt.
"Wir hätten mit 3G öffnen dürfen, aber wir haben uns aus Sicherheitsgründen für 2G entschieden", sagt er. Im Außenbereich biete man Ungeimpften mit einem Stand die Möglichkeit zum Straßenkarneval. "Dafür kam völliges Verständnis", sagt der Wirt. "Sich impfen zu lassen ist eine Frage der Solidarität", findet Karnevalist Thomas Mertes, der als "bunter Hund" verkleidet ist. Die Lust zu feiern sei riesig.
Ordnungsamt kontrolliert vor Ort
Das Düsseldorfer Ordnungsamt hat ein besonderes Auge auf die Gastronomie geworfen. "Wir werden in Stichproben die Einlasskontrollen und die Gäste überprüfen", sagt Einsatzleiter Dirk Müller-Weidlich. Eintritt in Kneipen dürfe es nur mit einem PCR-Test geben, der nicht älter als 24 Stunden sei oder einem höchstens sechs Stunden alten Schnelltest. "Wir hoffen, dass es zu keinen Verstößen kommt und unterstellen erst mal keine zu große kriminelle Energie – Karneval soll schließlich den Frohsinn fördern", so der Ordnungsamtmitarbeiter.
Hinter den Kulissen ist die Anspannung indessen groß: Alex van Bernem, Betriebsleiter vom Henkel-Saal, gibt zu: "Es ist ein Riesenaufwand, die Regeln einzuhalten. Allein das Personal vom Sicherheitsdienst mussten wir verdoppeln". Im Henkel-Saal findet in diesem Jahr zum achten Mal der Karnevalsball statt. 750 Tickets sind verkauft worden.
Anspannung hinter den Kulissen
Die Mühe, Karneval auch unter Corona-Bedingungen zu feiern, ist es für van Bernem wert: "Wir freuen uns auf Karneval." Trotzdem: Die Angst vor einem erneuten Lockdown bleibt. Eigentlich, so sagt van Bernem, hätte er sich noch schärfere Kontrollen gewünscht: 2G plus Test. "Geimpfte können das Virus schließlich auch mitbringen und es gibt Impfdurchbrüche", sagt er. Bei 50.000 Neuinfektionen käme die Gefahr wieder näher.
Manche Aussagen von SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach seien dem Düsseldorfer aber sauer aufgestoßen: "Wir versuchen als Unternehmer zu überleben und fühlen uns dabei teilweise von der Politik alleingelassen", gibt er zu. Er wünsche sich mehr klare Vorgaben. "Ich muss das Personal täglich nach dem Impfstatus fragen, weil ich es nicht dokumentieren darf", klagt der Unternehmer.
Michael Laumen, Präsident des Düsseldorfer Carnevals Comitees zieht vorerst ein positives Fazit: "Der Auftakt ist bestens besucht. Stand jetzt kann bis Aschermittwoch alles wie geplant stattfinden – ohne erneuten Lockdown".
- Beobachtungen und Gespräche vor Ort