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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Friedensrichter unter den Verdächtigen Razzia bringt Rocker- und Clanverbindungen ans Licht

Es geht um Drogen, Corona-Betrug und mehr: Die Polizei hat bei einer Großrazzia in NRW Objekte vom Handyshop bis zum Sportboot durchsucht. Die Beschuldigten pflegen enge Verbindungen zu Hells Angels und Clans.
Mehr als 120 Polizisten sind am Donnerstag unter Beteiligung von Spezialkräften zu einer Großrazzia im Rheinland ausgerückt. Am Freitag präsentierten Polizei und Staatsanwaltschaft in Düsseldorf die Ergebnisse. Dabei wurden enge Verbindungen der Beschuldigten zu Clans und Rockern offenbart.
Im Visier standen drei Hauptverdächtige sowie neun weitere Beschuldigte. Sie sollen unter anderem im großen Stil mit Marihuana gehandelt, aber auch ansonsten enorme kriminelle Energie an den Tag gelegt haben – und zwar "quer durch das Strafgesetzbuch", wie Einsatzleiterin Heike Schultz am Freitag bei einer Pressekonferenz sagte.
Polizei las verschlüsselte Kommunikation mit
Insgesamt durchsuchte die Polizei 24 Objekte in sieben Städten, vom Handyshop in Düsseldorf bis zum Sportboot. Zwei Eigentumswohnungen und ein Grundstück wurden gesichert, elf Konten, 266.000 Euro Bargeld sowie elf Kilogramm Cannabis beschlagnahmt. Die Beschuldigten waren bei der Durchsuchung teilweise bewaffnet, trugen Messer und Schlagringe. Außerdem wurde scharfe Munition gefunden.
Ein 29-jähriger Hauptbeschuldigter, gegen den ein Haftbefehl vorlag, wurde festgenommen. Die französische Polizei war ihm auf die Spur gekommen. Sie hatte seine verschlüsselte EncoChat-Kommunikation mitgelesen. Darin sprach der 29-Jährige vollkommen offen über seine Drogendeals, im Chat wurden etwa Erhalt von Geld und Drogen quittiert.
Ein Beschuldigter ist Friedensrichter im Clan-Milieu
Dem Mann wird vorgeworfen, von Mai 2020 bis April 2021 rund 1,5 Millionen Euro mit Drogen umgesetzt zu haben. Es gebe Hinweise, dass er neben 350 Kilo Marihuana auch Kokain und Heroin angekauft und weiterverbreitet habe, hieß es. Den Gewinn, so nehmen die Fahnder an, investierte er in Immobilien.
Einer seiner Komplizen ist den Ermittlern zufolge ein 32-jähriges Mitglied der Rockergruppierung Hells Angels. Er soll außerdem 9.000 Euro Corona-Hilfen ergaunert haben. Ein weiterer Beschuldigter soll als Friedensrichter im Clan-Milieu aktiv sein. Alle insgesamt zwölf Beschuldigten seien entweder miteinander verwandt oder befreundet. Einsatzleiterin Schultz: "In diesem Fall handelt es sich nicht um klassische Clankriminalität, aber die Bezüge zu Großfamilien sind deutlich."
Ausschweifender Lebensstil fast nur durch Straftaten finanziert
Besonderen Fokus legten die Ermittler auf ein Mobilfunkgeschäft in Düsseldorf. Vor dem Laden standen häufig teure Autos, die Leute, die dort ein- und ausgingen, trugen hochwertige Kleidung und gingen in gehobenen Restaurants essen.
Im Handyladen sollen unter anderem Provisionsbetrug und Urkundenfälschung betrieben worden sein: Die Beschuldigten sollen mithilfe eines Computerprogramms SIM-Karten aktiviert haben, die auf falsche Dokumente ausgestellt wurden. Pro SIM-Karte gab es rund ein bis zwei Euro Provision von den jeweiligen Providern. Schultz: "Beinahe täglich wurden 1.500 bis 2.000 SIM-Karten aktiviert. Im Februar wurde so ein Mindestumsatz von 30.000 Euro gemacht."
Die Auswertung aller sichergestellten Beweismittel werde noch Monate dauern, hieß es aus Ermittlerkreisen. Die Verdächtigen seien kaum einer regulären Arbeit nachgegangen, sie hätten ihren ausschweifenden Lebensstil fast ausschließlich durch Straftaten finanziert.
- Besuch der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa