Prozess startet in Düsseldorf Mutmaßlicher IS-Anhänger wegen Bluttaten vor Gericht
Ein 27-jähriger Syrer, der vor einem halben Jahr in Duisburg mit einem Messer gewütet haben soll, muss sich ab Montag vor Gericht verantworten.
Tagelang dachte niemand an islamistischen Terror: Nicht, als am 9. April in der Duisburger Altstadt ein 35-jähriger Partygast mit 28 Messerstichen niedergestochen wurde, und auch nicht, als neun Tage später ein Messerstecher in einem Duisburger Fitnessstudio wütete und vier Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzte. Erst als Zeugen auf den Bildern aus Überwachungskameras ihren schweigsamen Nachbarn erkannten, eine Spezialeinheit den Syrer festnahm und Ermittler seine Wohnung auf den Kopf stellten, wurde klar, welches Motiv hinter dem sinnlos anmutenden Blutrausch stecken könnte.
Inzwischen ist die Bundesanwaltschaft sich sicher, dass der heute 27 Jahre alte Angeklagte als Anhänger der Terrorgruppe "Islamischer Staat" mordete und es ihm darum ging, möglichst viele "Ungläubige" zu töten. Von diesem Montag an muss er sich im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts verantworten – wegen Mordes und dreifachen Mordversuchs.
Verteidiger will sich vorab nicht äußern
Sein Verteidiger, Christian Grotenhöfer aus Duisburg, will sich auf Anfrage vor dem Prozess nicht zur Sache äußern. Damit ist er auf einer Linie mit seinem schweigsamen Mandanten, der mit Ermittlern und Haftrichter ebenfalls nicht reden wollte.
Beweise, die den Angeklagten als Mitglied des IS ausweisen, oder einen Auftrag, die Taten zu begehen, haben die Ermittler nicht finden können. Demnach würde es sich bei ihm um einen sogenannten einsamen Wolf handeln, der sich über das Internet radikalisiert und auf eigene Faust zur Tat geschritten sein soll. Geheimdienste und Staatsschützer warnen seit Jahren vor diesem Typ Attentäter, weil ihm rechtzeitig kaum beizukommen ist.
Messerattacke im Fitnessstudio
Im Umkleide- und Duschbereich der Filiale einer bekannten Fitnessstudio-Kette soll der Syrer, der 2016 nach Deutschland kam, einen Asylantrag stellte und eine Aufenthaltserlaubnis erhielt, am 18. April nacheinander drei männlichen Studiobesuchern zum Teil mehrfach ein Messer in den Oberkörper gerammt haben. Einem Helfer, der hinzueilte, soll er noch zweimal in den Oberschenkel gestochen haben.
Die Sicherheitsbehörden lösten Großalarm aus. Der Tatort lag nur eine Straße vom Duisburger Rathaus entfernt. Spezialkräfte mit Maschinenpistolen riegelten das Fitnessstudio ab. Der Messerstecher konnte dennoch verschwinden, wurde aber Ermittlern zufolge von mehreren Überwachungskameras gefilmt: von einem Restaurant, einem Bekleidungsgeschäft und einer Straßenbahnhaltestelle in der Nähe des Tatortes.
Zeugen erkannten den bärtigen Mann
Eine Mordkommission namens "Schwan" fahndete mit Bildern aus den Überwachungskameras nach dem mutmaßlichen Täter. Der Tatort, das Fitnessstudio, liegt in der Schwanenstraße. Ein paar Tage nach der Blutorgie im Fitnessstudio hatte die Öffentlichkeitsfahndung Erfolg: Zeugen erkannten den bärtigen Mann "100-prozentig" und konnten die Ermittler zu seiner Wohnung führen. Es folgte ein SEK-Einsatz und eine Festnahme in einem Haus. Aber erst die Auswertung des Mobiltelefons und von Chat-Protokollen des Syrers erbrachte Hinweise auf die islamistische Motivation, von der die Ermittler sich inzwischen überzeugt zeigen.
Die Spurenanalyse brachte dann auch die Fitnessstudio-Attacke mit dem Mord in der Duisburger Altstadt zusammen. Durch eine DNA-Spur an einem Schuh geriet der Syrer zusätzlich als mutmaßlicher Mörder des 35-jährigen Partygastes unter Verdacht, der an Ostern mit 28 Messerstichen getötet worden war.
An dem Schuh des Angeklagten wurden sowohl DNA-Spuren des getöteten 35-Jährigen, als auch von einem der Opfer aus dem Fitnessstudio gefunden. Aufgefallen war der Syrer zuvor nur in zwei Fällen wegen kleinerer Vermögensdelikte. Beide Verfahren waren eingestellt worden. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht hat für den Prozess bis in den Januar 2024 hinein 18 Verhandlungstage angesetzt.
- Nachrichtenagentur dpa