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Große Bauernproteste fangen jetzt auch in Deutschland an


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Auf bis zu 300 Brücken in Deutschland
Bauern protestieren bundesweit für niederländische Kollegen


Aktualisiert am 11.07.2022Lesedauer: 4 Min.
Bauern-Protest: Wie hier bei Hamburg standen am Sonntagabend auf mehren Hundert Brücken Landwirte und Unterstützer, zum Teil mit ihren Traktoren.Vergrößern des Bildes
Bauernproteste: Wie hier bei Hamburg standen Landwirte und Unterstützer am Sonntagabend auf Brücken in Deutschland. (Quelle: LsV)

Auch in Deutschland gehen Landwirte bundesweit auf die Straßen. Ihr Protest ruft Leute mit Umsturzfantasien auf den Plan.

Auf 200 bis 300 Brücken über Autobahnen und viel befahrene Bundesstraßen haben am Sonntagabend Landwirte protestiert. Diese Zahl nannte ein Sprecher der Organisation "Land sichert Versorgung Nordrhein-Westfalen" (LsV) am Abend t-online. Er kündigte eine Ausweitung der Proteste am Montag an. In anderen Bundesländern haben andere Landesverbände aufgerufen, die aus der bundesweiten Bewegung "Land schafft Verbindung" hervorgegangen sind.

Auf Brücken über Autobahnen standen zum Teil landwirtschaftliche Fahrzeuge dicht an dicht, auf anderen versammelten sich auch Menschengrüppchen. Blockaden seien nicht vorgesehen gewesen. Wahrscheinlich sei auch ein Großteil der Aktionen bei der Polizei angemeldet worden, sagte Frank Kisfeld t-online. Er ist Inhaber eines Schweinemastbetriebs im Münsterland nahe der niederländischen Grenze. Er hatte auch Hilfen von Landwirten bei der Flutkatastrophe an der Ahr koordiniert.

Aus seiner Region seien in den vergangenen Tagen schon rund ein Dutzend Landwirte über die Grenze gefahren, um die Proteste der niederländischen Kollegen zu unterstützen. "Die Niederlande sind Vorreiter bei einer Entwicklung, die uns auch ereilen könnte." Umweltauflagen zur Begrenzung von Ammoniakeinträgen könnten dort das Ende von 30 Prozent der Viehbetriebe bedeuten, schätzt die Regierung. Der Rheinische Landwirtschafts-Verband hatte erklärt, die Proteste zeigten, dass eine "teils überzogene Umweltgesetzgebung" zu "gravierenden Auswirkungen" auf die Agrarstruktur führen könne.

Nicht nur Solidarität zu Niederländern

Das Düngemittel-Problem gibt es aber auch in Deutschland, wo ebenfalls ein Vertragsverletzungsverfahren der EU mit drohenden Milliardenstrafen läuft. Die Nitrat-Richtlinie zum Schutz des Trinkwassers ist nicht ausreichend umgesetzt. Am Freitag hat der Bundesrat einer Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung nitratbelasteter Gebiete (AVV) zugestimmt, die auch Änderungen der Düngeverordnungen nötig macht. Das führt bei Landwirten zu großen Sorgen, sie erwarten eine lange Rechtsunsicherheit und sehen sich nicht als allein verantwortlich für die Nitratbelastung. In einer Pressemitteilung von LsV heißt es, den Landwirten drohten "kalte Enteignungen bis hin zu Berufsverbot".

Deshalb gehe es nicht nur darum, Solidarität mit den Niederländern zu zeigen, sondern auch auf Nöte und Bedeutung der Landwirtschaft in Deutschland aufmerksam zu machen, so Kisfeld. Nach der Corona-Zeit sei das auch ein Versuch, die Landwirte wieder stärker zu mobilisieren. Zum Teil hatten Bauern niederländische Fahnen dabei, auf Plakaten waren Nachrichten wie "Bauerntod, Hungersnot" , "3 vor 12 – Bauern in Not" oder "Wir für unsere Bauern" zu lesen. Es gab aber auch Banner mit Sprüchen wie "Die ReGIERung will Hunger – und Ihr?"

Die Idee zur konzertierten Aktion sei in den vergangenen Tagen geboren worden und dann über WhatsApp-Gruppen, mit denen LsV-Unterstützer deutschlandweit vernetzt sind, verbreitet worden. Am Sonntagabend sollte es losgehen, erste Aktionen begannen am späten Nachmittag.

Besonders groß war die Mobilisierung offenbar in Sachsen, wo an mehreren Brücken über Autobahnen lange Korsos von Landmaschinen zu sehen waren. Dort versuchten auch vom Verfassungsschutz beobachtete Organisationen vom rechten Rand die Proteste zu vereinnahmen. In einem Tweet der Jungen Alternative Chemnitz-Erzgebirge hieß es etwa, die Bauernproteste seien bei den "lokal vorhandenen Widerstandsgruppen noch nicht richtig angekommen. (...) Wir arbeiten aber selbstverständlich an der Vernetzung."

Identitäre und "Freie Sachsen" beteiligen sich

Die "Identitäre Bewegung" behauptete, den lokalen Widerstand in Sachsen tatkräftig zu unterstützen, sie stellte offenbar in Gegenwart der Bauern ein Banner gegen den "Great Reset" auf. Man hoffe, dass "mehr Menschen sich gegen die globalistischen Pläne unserer Eliten" stellen. Die "Freien Sachsen", in der Funktionäre von NPD und "Pro Chemnitz" eine wichtige Rolle spielen, vereinnahmten die Demonstrationen bereits zum Teil für sich. "Viele Mitstreiter des sächsischen Bürgerprotests haben sich dem heutigen Aktionstag bereits angeschlossen. (...) Wir müssen die Proteste verbinden."

Kisfeld distanzierte sich deutlich: "Wir wollen keine Unterwanderung durch solche Leute, es geht um unsere Anliegen als Bauern." Das Problem haben ihm zufolge auch die Landwirte in den Niederlanden gehabt. Dort mischten sich auch Menschen unter die Protestierenden, die mit den Landwirten nichts zu tun haben.

Mit Bekanntwerden der Pläne für den Sonntag war auch auf Telegram ein Akteur aus der Reichsbürgerszene massiv in die Mobilisierung eingestiegen. Er hatte in der Vergangenheit von einem Deutschland in einem "Rechtskreis 1945", also mit Gesetzen und Grenzen wie vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, geträumt und zeitweilig zu den Köpfen eines deutschen Ablegers einer russischen "Nationalen Befreiungsbewegung" gehört.

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Er ist vernetzt mit einer Telegram-Gruppe "Landvolk schafft Verbindung", die auch zeitweilig den Schulterschluss mit der Corona-Protestszene angestrebt hatte. Immer wieder war in beiden Lagern davon geträumt worden, Bauern könnten sich an Blockaden oder an einem "friedlichen Umsturz" in Berlin beteiligen. Auch Akteure aus der "Querdenker"-Szene und Kanäle der QAnon-Verschwörungserzählung forderten am Sonntag zur Teilnahme an den Protesten auf.

Die Landwirte bieten auch Mobilisierungspotenzial gegen die Sanktionen gegen Russland im Angriffskrieg gegen die Ukraine. So könnte die Produktion von Düngemitteln unter Gasknappheit erheblich leiden, im Osten haben Landwirte offenbar bereits Versorgungsprobleme.

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