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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Gelebte Praxis in ein Gesetz gießen" Demos in Sachsen bald ohne Versammlungsleiter möglich?
Das Innenministerium will das Versammlungsgesetz reformieren. Der Entwurf sieht unter anderem vor, rechtsextreme Demos vor der Frauenkirche in Dresden zu ermöglichen.
Während der Pandemie hat es sich in Sachsen eingebürgert, Corona-Protest ohne Versammlungsleiter auf die Straßen zu tragen. Die vielen Durchsagen der Polizei, die darauf hinwiesen, noch nachträglich einen Anmelder für die Demonstration zu benennen, blieben unbeachtet. Meistens kannte die Polizei dann nichtmal die Demoroute – die Protestzüge konnten trotzdem starten.
Mit einer Reformation des Versammlungsgesetzes will das Innenministerium diese "gelebte Praxis in ein Gesetz gießen", sagte ein Ministeriumssprecher t-online. Der Gesetzestext solle ausdrücklich regeln, dass die Teilnehmenden einen Leiter aus ihren Reihen bestimmen. Gelingt das nicht, könnten die Behörde den Ablauf regeln, um so das Versammlungsrecht auch ohne Leiter zu garantieren.
Bislang stellten nicht angezeigte Demonstrationen einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz dar, bei denen "gegen unbekannt" ermittelt wurde.
Behinderung von Journalisten soll Ordnungswidrigkeit werden
"Wir haben viele positive Erkenntnisse aus der Praxis berücksichtigt, so zum Beispiel die Stärkung des Kooperationsgedankens", sagte Innenminister Armin Schuster (CDU) am Dienstag nach der Kabinettssitzung. Die Versammlungsbehörden würden in allen Phasen auf eine Kooperation mit dem Veranstalter hinwirken.
Der Schutz von Medienvertretern bei Versammlungen ist ausdrücklich als Aufgabe der Behörden formuliert. Behinderungen von Journalisten bei der Ausübung ihrer Arbeit sollen als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Auch eine Erfahrung aus der Corona-Pandemie fließt ein, als Versammlungen oftmals ohne einen Leiter stattfanden.
Rechtsextreme Aufzüge vor Frauenkirche sollen erlaubt werden
Das neue Gesetz sieht vor, eine Passage neu zu formulieren, die bisher das Versammlungsrecht an sensiblen Orten wie der Dresdner Frauenkirche und dem Völkerschlachtdenkmal in Leipzig beschränkte.
Mit dieser Regelung wollte Sachsen etwa Aufzüge von Rechtsextremen an "Orten mit besonderem Erinnerungswert" unterbinden. Gegen diese Regelung gab es allerdings verfassungsrechtliche Bedenken. Dennoch soll den Angaben zufolge auch künftig eine Norm im Gesetz enthalten sein, die eine Verherrlichung des Nationalsozialismus ausschließt und die Würde von Opfern der Diktatur schützt.
- Telefonat mit Pressestelle des Innenministeriums
- Eigene Beobachtungen
- medienservice.sachsen.de: Mitteilung des Innenministeriums vom 22. August 2023
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa