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BVB gegen FC Schalke 04: Das Coronavirus ist stärker als das Derbyfieber


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Dortmund gegen Schalke
Corona tötet die Derby-Stimmung


Aktualisiert am 24.10.2020Lesedauer: 5 Min.
Fans vorm Signal-Iduna-Park: Zum heutigen Revierderby gegen Schalke sind nur 300 Zuschauer zugelassen.Vergrößern des Bildes
Fans vorm Signal-Iduna-Park: Zum heutigen Revierderby gegen Schalke sind nur 300 Zuschauer zugelassen. (Quelle: Kirchner-Media/imago-images-bilder)
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Eigentlich elektrisiert das Derby zwischen dem BVB und Schalke im Ruhrgebiet die Massen. Doch in Corona-Zeiten ist alles anders – nicht nur im Stadion, sondern vor allem in der Stadt, wo viele um ihre Existenz bangen. Ein Ortsbesuch in Dortmund.

Der Platz vor dem Dortmunder Hauptbahnhof ist am Mittag vor einem Revierderby normalerweise blau-weiß. "Un-Dortmunder" Farben. Die Einsatzwagen der Polizei säumen den kurzen Weg bis zum Wall zu beiden Seiten des Vorplatzes, zwischen Fahrraddepot und Taxistand. Die Fanlager werden strikt voneinander getrennt. Die Atmosphäre ist schon weit vor Anpfiff aufgeheizt.

Diesmal ist aber alles anders. Denn es wird gar keine rivalisierenden Fanlager in der Stadt geben. Nur für 300 glückliche Auserwählte statt für die sonst üblichen 80.000 wird es ein annähernd normales Derby – sie dürfen ins Stadion. So viele Zuschauer hat das Gesundheitsamt am Montag genehmigt, so viele Tickets wurden verlost unter rund 35.000 Bewerbern, bestehend aus Dauerkarteninhabern und Vereinsmitgliedern. Nicht 11.500 wie gegen Freiburg oder wenigstens 9.300 wie gegen Mönchengladbach. Das macht es etwas einfacher für die Polizei, sorgt ansonsten aber nicht für Begeisterung.

Was bleibt vom Derby?

"Es ist trotzdem Derby", sagte Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc etwas patzig bei der Spieltagspressekonferenz am Donnerstag. Wer will ihm da widersprechen? Andererseits, ohne vergleichbare Stimmung im und auf dem Weg ins Stadion, ohne das schwarz-gelbe Gewusel vom Borsigplatz bis zum südlichsten Rand des Kreuzviertels – was bleibt da noch vom Derby? Auf der Videowand rund um den U-Turm, einem ehemaligen Brauereigebäude, leuchten wie an jedem Heimspieltag die schwarz-gelben Kickerfiguren auf die Innenstadt herab, gut sichtbar schon aus der Ferne, sogar bei der Anreise im Zug. Weiter unten, mitten in der Dortmunder City, sind schwarz-gelb gekleidete Personen rar gesät.

Nicht wenige der BVB-Fans aus NRW und ganz Deutschland decken sich nach der Ankunft in der Westfalenmetropole erst einmal beim zentralsten aller BVB-Fanshops ein: direkt am Wall und im Schatten des Deutschen Fußballmuseums. Zumindest in Vor-Corona-Zeiten. "Natürlich bemerkt man bei Heimspielen auch hier im Shop, dass deutlich weniger Zuschauer ins Stadion dürfen als früher", sagt ein Fan, der regelmäßig dort anzutreffen ist. Die drei Mitarbeiterinnen hinter der Plexiglasscheibe dürfen sich, wie alle Angestellten des BVB in den offiziellen Stores, nicht äußern und weisen freundlich zur Tür.

Inoffizieller BVB-Imbiss in Not

Deutlich gesprächiger geht es im derzeit eingezäunten Nachbarhaus zu. Eine Etage über dem Fanshop, einfach die Katharinentreppen hinauf, die seit diesem Jahr mit den Umrissen der Dortmunder Südtribüne geschmückt sind. Dort befindet sich seit 2001 der "Borussen Döner". Dessen schwarz-gelbes Logo mit den zwei gekreuzten Messern und dem Dönerspieß zwischen zwei gespiegelten Bs unterscheidet sich wohl gerade noch deutlich genug von dem des BVB, um stillschweigend vom Klub geduldet zu werden.

"Vor Corona war hier bei BVB-Spielen alles voll. Jetzt kommt keiner mehr", sagt Erdogan Kerinc zwischen zwei verkauften Salattaschen. Die Kneipe nebenan habe dicht gemacht, und auch die strengeren Regeln im Corona-Hotspot Dortmund sorgten seit vergangener Woche für deutlich weniger Betrieb. "Ohne Zuschauer in den Stadien macht es keinen Spaß", sagt Kerinc. Das Derby werde er trotzdem gucken, "entweder zu Hause oder im Wettbüro". Er tippe auf einen 4:0- oder 4:1-Sieg. "Wir sind hier alle BVB-Fans", betont der 41-Jährige.

Die Fans schauen trotzdem

In einem Punkt herrscht Einigkeit zwischen Kerinc und vielen Dortmunder Fans: Auch wenn sie nicht zu den auserwählten 300 Zuschauern gehören – schauen werden sie das Derby auf jeden Fall. Manche aus Gewohnheit, einige aus Tradition, andere aus Trotz. Von "Derbyfieber" spricht aber niemand. Zumal das Duell mit den saisonübergreifend seit 20 Spielen sieglosen Schalkern aus sportlicher Sicht so reizlos erscheint wie wohl noch kein Revierderby in der Bundesliga-Geschichte. Aber auch die Leistung der eigenen Mannschaft wird kritisch gesehen.

"Von Derbystimmung kann keine Rede sein, erst recht nicht nach dem desaströsen Spiel am Dienstag", sagt Burkhard Hüning, Betreiber der "TorFabrik Sportsbar" in Dortmund-Westrich. Er rechnet durch die deutliche Reduzierung des Ticketkontingents nicht mit mehr Gästen. "Im Gegenteil, weil die Corona-Regeln verschärft wurden, werden wieder mehr Leute zu Hause gucken", sagt Hüning. Behördlich angeordnete Sperrstunde ist um 23 Uhr, außerdem dürfen maximal fünf Leute an einem Tisch sitzen.

Revierderby mit Corona-Vorgeschichte

Denn während BVB-Sportdirektor Zorc "die Abstandsregeln im Spiel gegen den Ball" im Vergleich zum Champions-League-Spiel bei Lazio Rom definitiv nicht mehr einhalten will, sollten die Zuschauer in Kneipen oder zu Hause natürlich weiterhin auf die Hygiene- und Abstandsregeln achten. Dazu geben sich die Verantwortlichen von Stadt und Verein optimistisch – es gibt ja Erfahrungswerte. Denn das Revierderby in Dortmund hat eine verhältnismäßig stattliche Corona-Vorgeschichte. Die ursprünglich für den 14. März angesetzte Partie in der Rückrunde der Vorsaison war eine der ersten, die aufgrund der Pandemie abgesagt wurden – keine 24 Stunden vor dem geplanten Anpfiff. Erst drei Tage zuvor war sie als Geisterspiel ausgerufen worden.

Am 16. Mai wurde das Spiel nachgeholt – als eines der fünf ersten nach der Corona-Pause. Der befürchtete Fan-Ansturm rund um das Stadion blieb aus. Der BVB gewann souverän mit 4:0. Sollte sich dieses Ergebnis wiederholen, wird sich in Dortmund wohl nicht nur Erdogan Kerinc im Wettbüro freuen. Fehlen wird dem BVB diesmal der mit dem Coronavirus infizierte Emre Can.

Die wohl letzte "Premiere Sportsbar"

Weiter geht es Richtung Stadion. Über die Rheinische Straße links auf die Möllerstraße und über die Möllerbrücke bis zur Lindemannstraße. Die wird für die Dortmunder Fans am Heimspieltag normalerweise zur schwarz-gelben Prachtallee. Hier, im Herzen des Kreuzviertels, verteidigen viele Kultkneipen seit Jahrzehnten ihren Stammplatz. Der "Bürgermeister Lindemann" etwa oder der "Hubertus Grill" an der Ecke zur Kreuzstraße, der schon allein durch das historisch anmutende Leuchtschild mit der Aufschrift "Premiere Sportsbar" ins Auge fällt.

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Während die meisten Fans das Spiel an diesem Samstag ab 18.30 Uhr beim Premiere-Nachfolger Sky verfolgen werden, vermissen die Kneipiers entlang der Lindemannstraße eben jene Fans, die sich sonst noch auf dem Weg ins Stadion ein Bierchen gönnen. Auch die normalerweise extra entlang der meistfrequentierten Straßen aufgebauten Würstchenbuden bleiben in den Garagen. Wer etwa vor der Fußgängerbrücke über den Rheinlanddamm ein Fenster zum Gehweg hat, schenkte schon mal spontan Bier oder Schnaps für die Fans aus. All das fällt jetzt weg.

Dortmunder Wirte in Existenzangst

Aber nicht nur in der Innenstadt, für die Wirte in ganz Dortmund ist das Coronavirus längst existenzbedrohend. "Im Moment geht unser Geschäft kaputt, 85 Prozent der Gäste fehlen", beklagt Bülent Durmus vom "Haus Kilp" in Dortmund-Hörde. "Wir fahren seit März jeden Monat Minus und es wird immer schlimmer." Auch das Revierderby werde keinen großen Beitrag zur Besserung leisten: "Ich bin froh, wenn wir 15 Gäste zusammenbekommen." Durch den hohen Anstieg der Infektionszahlen bleibe die Kundschaft weg.

Burkhard Hüning begrüßt beim Revierderby eigentlich 150 Gäste in seiner "TorFabrik". "Im Mai waren es nur 20", sagt der Gastronom. "Die ersten Spiele in der neuen Saison waren schon wieder besser besucht, aber noch ein gutes Stück von den Zahlen vor Corona entfernt. Für dieses Derby rechne ich mit etwa 50 Gästen." Und so gilt aktuell im Ruhrgebiet: Das Coronavirus scheint stärker als das Derbyfieber.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Gespräche mit Wirten und Fans
  • Pressekonferenz des BVB
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