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Antisemiten und DDR-Fans: Berliner Linke dreht Parteijugend das Geld ab


Antisemiten und DDR-Fans
Berliner Linke dreht Parteijugend das Geld ab

Von t-online, mtt

Aktualisiert am 02.05.2022Lesedauer: 4 Min.
Katina Schubert (Archivbild): "Solid hat sich selbst nachhaltig ins politische Abseits geschossen."Vergrößern des Bildes
Katina Schubert (Archivbild): "Solid hat sich selbst nachhaltig ins politische Abseits geschossen." (Quelle: Ditsch/imago-images-bilder)

Der Linken in Berlin reicht es mit ihrer Parteijugend: Nach einer langen Liste von Verfehlungen hat die Partei den Zugriff auf Gelder erschwert unter anderem wegen antisemitischer Ausfälle.

Der Berliner Landesverband der Linken verwehrt der eigenen Jugend ab sofort den freien Zugang zu Parteigeld. Bei der Landesvorstandssitzung vergangenen Freitag wurde beschlossen, der Linksjugend Solid Berlin nicht mehr wie bisher jedes Jahr pauschal 15.000 Euro zu zahlen. Stattdessen fließt jetzt nur noch projektbezogen Geld. Jede geplante Ausgabe muss einzeln beantragt werden.

Vorausgegangen waren monatelange Querelen, bei denen Solid Berlin alles daran gesetzt hatte, die Mutterpartei zu nerven – und dafür auch heftig aus den eigenen Reihen kritisiert wurde.

Ex-Juso twitterte: "Liberale ershooten wann?"

Es begann mit der Wahl des neuen Solid-Vorstands Ende Oktober. Die Berliner Linksjugend hatte unter anderem einen umstrittenen Ex-Juso in den Landessprecherrat gehoben. Bengt Rüstemeier ist bekennender DDR-Fan und war zuvor mit Gewaltfantasien aufgefallen. "Denke, ein Vermieterschwein persönlich zu ershooten, kann hilfreich sein", hatte er zum Beispiel getwittert. Und: "Liberale ershooten wann?" (Hier lesen Sie mehr.)

Dafür musste Rüstemeier im Februar 2021 aus dem erweiterten Vorstand der Berliner Jusos zurücktreten. Als er im Herbst dann bei Solid in den Landesvorstand kam, beschloss die Linksjugend umgehend, künftig "nicht mehr direkt mit den bürgerlichen Parteien, insbesondere B90/Grüne, SPD oder deren Jugendverbänden" zusammenzuarbeiten.

Kritik aus den eigenen Reihen

Ein Affront: Damals waren gerade die Koalitionsverhandlungen zwischen den drei Parteien für eine erneute gemeinsame Regierung in Berlin angelaufen. "Weird, dass Ex-Jusos in andere Orgas gehen und solche Beschlüsse vorantreiben", twitterten die Berliner Jungsozialisten der SPD. "Offensichtlich, um persönlich mit uns abzurechnen."

Und auch Solid-intern löste der Beschluss Kopfschütteln aus. Die Basisgruppe Treptow-Köpenick stellte klar: "Wir bleiben bei unserer Zusammenarbeit mit Jusos und Grüner Jugend. Dieses Kooperationsverbot wird bei uns keine Anwendung finden."

Solid Berlin: "Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Nein zur Nato!"

Auf den Überfall Russlands auf die Ukraine reagierte der radikalisierte Landesverband dann so: "Nach andauernden Auseinandersetzungen zwischen dem westlichen imperialistischen Block bestehend aus USA, Nato und EU auf der einen Seite sowie Russland auf der anderen, ist Russland in den Gebieten Donezk und Luhansk einmarschiert. Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Nein zu imperialistischen Kriegen! Nein zur Nato!"

Im Februar brachte ein weiterer Beschluss von Solid Berlin das Fass endgültig zum Überlaufen: In ihm wurde Israel als "Apartheidstaat" bezeichnet. Das löste blankes Entsetzen aus. Carsten Schatz, Fraktionsvorsitzender der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, bezeichnete Solid Berlin daraufhin als Sekte und befand: "Zeit für einen Schnitt."

Solid-Bundesverband: "Dämonisierung Israels nicht akzeptierbar"

Berlins Linken-Chefin Katina Schubert sagte: "Damit hat sich der Berliner Landesverband von Solid selbst nachhaltig ins politische Abseits geschossen." Es sei nicht mehr erklärbar, "den Kampf gegen die Partei durch die Mitgliedsbeiträge der Partei auch noch zu finanzieren".

Auch der Solid-Bundesverband distanzierte sich und verwies auf einen gültigen Beschluss des Bundeskongresses aus dem Jahr 2015. "Die Linksjugend nimmt ihren antifaschistischen Grundkonsens ernst und tritt entschieden gegen Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen ein", heißt es darin. Nicht akzeptabel seien unter anderem die Infragestellung des Existenzrechts Israels, die Solidarisierung mit Hisbollah und Hamas sowie "die Dämonisierung Israels als 'Apartheidstaat'".

Solid-Fahnen bei antisemitischer Demo

Und dann wehten Ende April auch noch Solid-Berlin-Fahnen bei einer antiisraelischen Demo in Berlin, während Demo-Teilnehmer Hassparolen wie "Drecksjude" riefen und auf Journalisten losgingen. Aufnahmen zeigen, wie massiv gegen Israel und jüdische Menschen gehetzt wurde. Wieder war es die Basisgruppe Treptow-Köpenick, die Position bezog: "Wir verurteilen auch, dass Fahnen der Solid Berlin dort geschwungen wurden", schrieb die Gruppe.

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Der Solid-Landesverband hingegen schwieg lange – und veröffentlichte erst vergangenen Freitag ein dünnes Statement. Die anwesenden Mitglieder hätten erst "im Nachhinein Kenntnis von den Vorfällen erlangt", lautete die Entschuldigung.

Aus Kreisen der Linken erfuhr t-online, diese Darstellung sei kaum glaubhaft. Dass die Jugendorganisation Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey nicht mittrage, sei ja okay. "Aber der Antisemitismus geht gar nicht."

"Bubble von mehreren Ex-Jusos will nur Gelder abgreifen"

Die üble Entwicklung bei Solid Berlin gehe maßgeblich auf den Einfluss einer "Bubble von mehreren Ex-Jusos aus dem Norden Berlins" zurück, hieß es. Diese Truppe stehe offenbar in Opposition zu grundlegenden Überzeugungen der anderen Linken und wolle nur "Strukturen ausnutzen und Gelder abgreifen".

Mehrere "Problemkinder" hätten das Kommando im Berliner Solid-Landesverband übernommen. Angesichts der Entgleisungen sei es noch entgegenkommend, dass Solid Berlin weiter projektbezogen Geld von der Partei erhalten könne. "Natürlich wäre es schön, wenn man den Konflikt anders hätte lösen können – aber dazu scheinen die Fronten zu verhärtet. Die Linke hätte auch noch viel drastischer reagieren können."

Die jetzt laut Mitteilung der Linken mit "großer Mehrheit" beschlossene Regelung sieht vor, dass Solid Berlin weiter Personal- und Mietkosten erstattet bekommt. Von den 15.000 Euro, die bisher jährlich zur freien Verfügung standen, erhält der Jugendverband aber nur noch etwas, wenn davon Projekte finanziert werden, die die Arbeit der Linken nicht torpedieren. "Projekte und Ausgaben über 500 Euro sind per Finanzantrag im Rahmen des beschlossenen Gesamtbudgets beim Geschäftsführenden Landesvorstand bzw. ab einer Summe in Höhe von 5.000 Euro beim Landesvorstand anzumelden", heißt es in dem Beschluss. "Die Anträge werden genehmigt, sofern sie Satzung und Programm nicht widersprechen."

Verwendete Quellen
  • Die Linke Berlin: "Finanzierung der politischen Arbeit des Jugendverbands Linksjugend"
  • Eigene Recherchen
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