Nach Tesla-Zwischenfall Wasserverband kritisiert wohl Untätigkeit der Behörden
In der Tesla-Fabrik in Grünheide sind große Mengen Chemikalien ausgelaufen. Über die entstandene Gefahr für das Trinkwasser herrscht Uneinigkeit. Der zuständige Wasserzulieferer hat einem Bericht nach Bedenken.
Nach der Chemikalien-Havarie in der Tesla-Fabrik in Grünheide bei Berlin wirft der Trinkwasserversorger der Region den Umweltbehörden einem Bericht des "Tagesspiegel" nach Untätigkeit vor – und meldet Zweifel an deren Entwarnung an.
In einem Schreiben vom 20. April, das der Zeitung vorliegt, mahne der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) externe Untersuchungen an. Der Versorger beliefert neben 170.000 Einwohnern auch die teils in einem Trinkwasserschutzgebiet errichtete Fabrik mit Wasser. Laut "Tagesspiegel" betreibe der Verband in der Nähe der Gigafactory seine größte Brunnenanlage – und dränge daher auf Aufklärung.
Grünheide bei Berlin: Nur auf Konzernaussagen verlassen
Der Wasserverband kritisiert dem Bericht nach, dass sich die Untere Wasserbehörde (UWB) des Kreises Oder-Spree und das Landesumweltamt bisher weitgehend auf Aussagen des US-Konzerns zum Hergang und Umfang der Havarie verlassen hätten.
"Ihre Schilderungen erwecken hier den Anschein, dass Sie nicht beabsichtigen, solche Störfälle konsequent nachzuverfolgen. Dies nicht zuletzt auch angesichts der Tatsache, dass der WSE nicht bzw. erst mehrere Tage nach dem Vorfall, und das auch nur auf Nachfrage, informiert worden ist", zitiert der "Tagesspiegel" das Schreiben des Vize-Vorstehers Gerd Windisch und der Technikchefin Manuela Kelm an den Landkreis.
Der Schrieb soll auch an das Umweltministerium, das Wirtschaftsministerium und das Landesamt für Umwelt (LfU) geschickt worden sein. "Wir dürfen Sie auffordern mitzuteilen, wie Sie sich die zukünftige Informationskette nach solchen Störfällen vorstellen", zitiert die Zeitung weiter.
Zudem bemängle der WSE demnach, dass die Behörden bislang nur allgemeine Angaben zur Zusammensetzung der ausgetretenen Chemikalien machten. Von "15 Kubikmeter Behandlungsbad aus der Elektrotauchlackierung" war die Rede. Der verwendete Lack habe keine gefahrstoffrechtliche Einstufung, hieß es.
Doch das reicht dem Verband wohl nicht: "Für eine fachgerechte Beurteilung ist eine Untersuchung durch ein akkreditiertes Labor zwingend erforderlich und dafür wiederum eine Stoffliste der 'zulässigen Farbmischung'", fordert er laut "Tagesspiegel". Und weiter: "Im Rahmen der Störfallmeldung haben Sie bestimmt für die Beurteilung ein entsprechendes Datenblatt erhalten, welches Sie uns bitte für die Beprobung unverzüglich zur Verfügung stellen."
"Keine Auswirkungen auf die Wasserversorgung"
Landesumweltamt und Landkreis hatten ausgeschlossen, dass nach dem Zwischenfall Chemikalien in die Erde oder die Kanalisation gelangt sein könnten. Es habe "zu keinem Zeitpunkt" die Gefahr eines Eintrags in das Grundwasser bestanden, hieß es vonseiten des LfU. Auch auf die Wasserversorgung bestünden keine Auswirkungen.
Dem widerspricht der WSE laut "Tagesspiegel" jedoch deutlich: Er gehe davon aus, dass der UWB sich lediglich auf die Angaben von Tesla verlasse und diese nicht selbst vor Ort geprüft habe, soll es in dem Schreiben heißen. "Denn anderenfalls hätte Ihnen auffallen müssen, dass es offenbar sehr wohl zu einem Stoffeintrag in einen Abwasserschacht gekommen ist. Anders lässt es sich nicht erklären, dass ein Abwasserschachtdeckel durch das aufgebrachte Bindemittel rot eingefärbt wurde."
Dies sei dem Bericht nach auf einem Foto eines WSE-Mitarbeiters zu sehen, das dieser am 12. April auf dem Gelände aufgenommen haben soll. Es dränge sich die Frage auf, inwiefern eine mögliche Gefährdung des Grundwassers in der Trinkwasserschutzzone ausgeschlossen werden könne, "wenn es in dem unkontrollierten Auslaufbereich der Schläuche eine unversiegelte Fläche gibt", soll der WSE in seinem Schreiben weiter beklagen.
Drohnenvideo soll Vorfall beweisen: LfU dementiert
Vorwürfe von Umweltverbänden und Bürgerinitiativen, der Vorfall habe sich schon einen Tag früher ereignet, wies das LfU auf Nachfrage von t-online zurück. Auf Drohnenaufnahmen vom 10. April war an der gleichen Zufahrt zur Tesla-Lackiererei eine Pfütze zu erkennen.
"Der Fleck wird von Tesla auf einen täglich mit Frischwasser durchgeführten Funktionstest einer Löschwasserpumpe zurückgeführt. Dadurch ist die Straße hier häufiger nass“, stellte LfU-Sprecher Thomas Frey auf Nachfrage von t-online klar. Man habe seit Anfang März außerdem vereinzelt weitere Drohnenvideos geprüft. Diese würden Teslas Aussagen, dass die auf den Drohnenaufnahmen zu erkennende Lache nicht in Zusammenhang mit dem Vorfall einen Tag später stünden, bestätigen.
Auflagen oder Folgemaßnahmen soll es für den US-Elektroautohersteller laut LfU nicht geben. Der Zwischenfall sei vielmehr auf eine "Fehlbedienung des Entsorgungsunternehmens" als auf ein Problem in der Lackiererei zurückzuführen, sagte der Sprecher t-online. "Ob organisatorische Konsequenzen aus dem Vorfall gezogen werden, obliegt dem Betreiber."
Für Berlin soll der Störfall keine Konsequenzen haben. "Aktuell besteht keine Berliner Betroffenheit", erklärte ein Sprecher der Senatsverwaltung für Umwelt auf Nachfrage von t-online. "Wir stehen mit den brandenburgischen Behörden in Kontakt, um gegebenenfalls Folgen für Berlin abschätzen zu können."
- Anfrage beim Landesamt für Umwelt (LfU)
- Anfrage bei der Senatsverwaltung für Umwelt
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- "Tagesspiegel": Wasserverband wirft Behörden nach Tesla-Havarie Untätigkeit vor