Straßenblockaden in Berlin CDU-Mann nennt A100-Blockierer "Täter" und "Gefährder"
Die andauernden Autobahnblockaden von Klimaaktivisten lassen nicht nur bei Autofahrern, sondern auch im Berliner Abgeordnetenhaus die Emotionen hochkochen. Die Abgeordneten übten deutliche Kritik an den Aktionen.
Die anhaltenden Straßenblockaden von Aktivisten, die für mehr Klimaschutz und weniger Lebensmittelverschwendung eintreten, stoßen im Berliner Abgeordnetenhaus auf massive Kritik. Es sei nicht akzeptabel, dass Tausende Berlinerinnen und Berliner jeden Tag in Geiselhaft genommen würden, sagte der CDU-Abgeordnete Franz Balzer. Dies sei ein Missbrauch des liberalen Berliner Demonstrationsrechtes.
In seiner Rede nannte Balzer die Demonstrierenden "Täter". Er sprach von "Rädelsführern", die "Gefährder" seien. Zudem forderte der CDU-Politiker "vorbeugende Maßnahmen" gegen weitere Straßenblockaden.
"Seit Wochen wird ganz Berlin von einer kleinen, radikalisierten und fanatischen Weltuntergangssekte in Geiselhaft genommen", kritisierte auch der Sprecher für Rechtspolitik der AfD-Fraktion, Marc Vallendar, am Donnerstag in der Parlamentsdebatte. Die Blockierer nähmen auch billigend in Kauf, dass Rettungswagen nicht rechtzeitig zu ihrem Einsatzort kämen. In Wahrheit handele es sich nicht um Aktivisten, sondern um Extremisten, die Straftaten begingen, um die Politik und das Parlament zu erpressen. "Das dürfen wir nicht zulassen."
Straßenblockaden in Berlin: "unsäglich, unerträglich und unverhältnismäßig"
Auch der SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber wies darauf hin, dass die Aktivisten, die sich "letzte Generation" nennen, Straftaten wie gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr begehen. Sie gefährdeten sich selbst und auch Dritte. Ihre Protestform sei "unsäglich, unerträglich und unverhältnismäßig" und nicht von der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit gedeckt. Schreiber schlug im Falle begangener Straftaten beschleunigte Verfahren gegen Blockadeteilnehmer vor. "Die Strafe muss auf den Fuß folgen."
Gleichzeitig müsse die Politik den Demonstranten Dialogangebote machen. Ihre Botschaft, mehr für Klimaschutz zu tun, sei angekommen. Dieses Ziel verfolge auch die rot-grün-rote Koalition in Berlin. "Es ist sehr wichtig, ihnen deutlich zu machen, dass alle Parteien in der Sache gesprächsbereit sind", so Schreiber. "Aber wir müssen deutlich machen, dass die Art und Weise, die hier genutzt wird, nicht funktioniert. Jedenfalls nicht in einer Demokratie." Durch Straßenblockaden könnten keine Gesetzesprozesse angeschoben werden.
Berliner Grüne warnen vor pauschaler Kriminalisierung
Die Berliner Grünen-Fraktion sprach sich hingegen gegen eine pauschale Kriminalisierung der Aktivisten, die mit Straßenblockaden gegen Lebensmittelverschwendung protestieren, aus. "Ich persönlich halte zivilen Ungehorsam zunächst für ein legitimes Mittel", sagte deren neuer innenpolitischer Sprecher, Vasili Franco.
"Selbstverständlich muss Protest friedlich sein. Selbstverständlich darf dieser keine Menschenleben gefährden. Und natürlich darf es nicht sein, dass eine Demonstration dazu führt, dass der Rettungswagen nicht mehr durchkommt", sagte der Grünen-Abgeordnete. "Es gab Situationen in den letzten Tagen, in denen das der Fall war." Das sei aber nicht dauerhaft und überall so gewesen. Eine pauschale Kriminalisierung sei überzogen.
"Politischer Protest, sei er unkonventionell oder anstrengend, war und ist für mich selbstverständlicher Bestandteil einer gesunden Demokratie. "Das muss und kann man aushalten", sagte Franco. "Es wäre eine Farce, wenn man nur dann demonstrieren dürfte, wenn es keinen stört oder es niemand mitbekommt."
Grüne kritisieren "Selbstjustiz" durch genervte Autofahrer
Er könne verstehen, dass viele Menschen durch die Straßenblockaden ziemlich genervt, gestresst oder verärgert gewesen seien. "Ist deshalb eine Autobahnblockade illegitim? So einfach ist es eben nicht. Das lässt sich nicht einfach gegeneinander aufwiegen", sagte der Grünen-Abgeordnete.
Allerdings könne man viele Fragen stellen: "Hätten die Demonstrationen zwingend angemeldet werden müssen? Welche Aktionen waren rechtmäßig, welche waren es nicht? Welche der Blockaden sind strafrechtlich als Nötigung zu werten?"
Das gelte allerdings auch für Fälle, in denen Autofahrer handgreiflich und gewalttätig geworden seien, sagte Franco. "Mich schockiert, dabei erst recht, wenn ich sehe, wie viele Menschen diese Form von Selbstjustiz gutheißen." Es müsse klar sein: "Polizeiliche Maßnahmen obliegen nicht wütenden Autofahrern, sondern der Polizei." Und über Strafen entschieden immer noch Gerichte. "Das nennt sich Rechtsstaat."
- Material der Nachrichtenagentur dpa
- Livestream der Plenarsitzung im Berliner Abgeordnetenhaus vom 10. Februar