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Berlin | "Rigaer 94": Krawalle vor Brandschutzbegehung in Rigaer Straße


Großeinsatz in Berlin-Friedrichshain
Krawalle wegen Brandschutzprüfung in "Rigaer 94"

Von t-online, dpa, afp, sle

Aktualisiert am 17.06.2021Lesedauer: 5 Min.
Polizei macht sich an der Tür der "Rigaer 94" zu schaffen: Zuvor waren Verhandlungen gescheitert.Vergrößern des Bildes
Polizei macht sich an der Tür der "Rigaer 94" zu schaffen: Zuvor waren Verhandlungen gescheitert. (Quelle: Saskia Leidinger/t-online)
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Vor einer Brandschutzprüfung im teilbesetzten Haus "Rigaer 94" in Berlin-Friedrichshain ist es zu Angriffen auf Polizisten gekommen. Die Polizei rückte mit Rammbock, Motorsäge und Trennschleifer vor.

In Berlin-Friedrichshain hat es erneut geknallt: Eigentlich stand "nur" eine Brandschutzprüfung in der "Rigaer 94" an. Aber die Bewohner fürchteten die Räumung. Gegen 9.45 Uhr am Donnerstagmorgen rückte die Polizei mit Trennschleifer, Rammbock und Motorsäge an.

Daraufhin krachte immer wieder Feuerwerk aus dem Haus heraus, teils im Sekundentakt flogen Böller. Rauchschwaden hingen in der Luft, laute Musik hallte über die Straße, Bewohner sprühten mit Feuerlöschern. "Mehrere Kollegen klagten danach über Atemwegsreizungen", teilte die Polizei mit.

Nachbarn warfen mit Obst und Farbe

Nachdem Beamte die erste Haustür geöffnet hatten, hingen sie zunächst noch an einer weiteren Sicherungstür fest, bekamen diese dann aber auch auf. Andere Polizisten versuchten, über ein Nebengebäude ins Haus zu gelangen, kletterten über einen Zaun. Die Bewohner teilten über Lautsprecher mit, Polizisten seien zwar inzwischen im Hof angekommen, würden aber von Nachbarn mit Obst und Farbe beworfen.

Gegen 10.30 Uhr verkündeten die Bewohner, die Beamten seien mittlerweile bis ins Vorderhaus vorgedrungen, hätten aber noch keine Wohnungen erreicht: "Hinterhaus und Seitenflügel sind immer noch in unserer Hand", twitterten sie um 11.21 Uhr.

Polizei hatte Schwierigkeiten mit Türen

Eine Weile lief noch laute Musik, dann rückte die Polizei weiter vor. Gegen Mittag skandierten nur noch Demonstranten vor der Polizeiabsperrung immer wieder: "Bullenschweine raus aus der Rigaer." Polizeisprecher Thilo Cablitz erklärte um kurz vor 12 Uhr die mühevolle Arbeit seiner Kollegen: Noch immer seien die Beamten nicht überall am Ziel im Haus. Immer wieder würden sie auf Barrieren stoßen, Türen seien mit Querriegeln und Metallplatten gesichert.

Erst eine weitere Dreiviertelstunde später twitterte die Polizei: "Unsere Einsatzkräfte haben die frei zugänglichen Bereiche des Gebäudes für die Brandschutzprüfung gesichert. Seit wenigen Minuten läuft die Begehung durch den Sachverständigen unter unserem Schutz." Gegen 17.20 Uhr erklärte die Polizei die Maßnahmen schließlich für beendet. Die Allgemeinverfügung für diesen Bereich sei mit sofortiger Wirkung aufgehoben, hieß es auf Twitter.

Am Morgen schien die Gewalt noch abwendbar

Zuvor waren Verhandlungen zwischen Bezirk und Bewohnern gescheitert. Lange sah es so aus, als sei ein Kompromiss möglich: Um kurz vor 8 Uhr gaben sich die Hausbewohner noch betont lässig, genossen auf einem Balkon die Friedrichshainer Morgensonne. Unten baute sich allmählich die Polizei auf, Medienvertreter sammelten sich. Brandflecken auf der Straße zeugten von der Randale, die hier bereits einen Tag zuvor stattfand.

Neue Gewalt schien da noch abwendbar: Die Bewohner hatten angekündigt, den Brandgutachter ins Haus lassen zu wollen. Nur Polizei dürfe nicht rein, twitterten sie. Die Frage war dann aber, ob der Gutachter überhaupt ohne Polizei ins Haus will bzw. ob die Polizei ihn alleine gehen lassen würde. "Wir fordern den Experten dazu auf, Vernunft walten zu lassen", schrieben die Bewohner um 8.52 Uhr. "Von uns geht keine Gefahr aus. Unser Brandschutz wurde bereits von einer staatlich beauftragten Brandschutzprüferin problemlos inspiziert."

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Anwälte kletterten durch Fenster, doch der Kompromiss scheiterte

Nach Informationen von t-online sollte ein Kompromiss ausgehandelt werden: Polizisten dürfen ins Treppenhaus, aber nicht in die Wohnungen. Die Polizei versicherte, sie werde die Unverletzlichkeit der Wohnungen wahren, aber Schutz im Rahmen der Amtshilfe für den Gutachter gewähren.

Im Erdgeschoss öffneten sich in unregelmäßigen Abständen Fenster, Menschen kletterten hinein und hinaus – Anwälte der Bewohner, die Verhandlungen mit den Behörden führten. Immer wieder wurden Redebeiträge gehalten: Von einem "Angriff auf selbstorganisierte, politische Strukturen" war die Rede. Von einem "heißen Sommer", von Verteidigung mit "Zähnen und Klauen".

Polizei fuhr mit Lastern vor

Dann teilte die Polizei mit: "Die Verhandlungen zwischen dem Bezirk sowie den Bewohnerinnen und Bewohnern sind gescheitert. Der Bezirk hat uns als Polizei damit beauftragt, die Hauseingangstür zwangsweise zu öffnen." Beamte fuhren mit Lastern vor, brachten ihr Werkzeug zum Einsatzort. Ein Anwalt der Bewohner sagte t-online: "Die Verhandlungen sind gescheitert, weil der Brandschutzbeauftragte nicht ohne Polizei ins Haus wollte."

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Sperrzone seit Mittwoch, 350 Beamte vor Ort

Bereits seit Mittwoch gibt es rund um die Rigaer Straße in Berlin Absperrungen und Kontrollen. Bis Freitagabend wurde eine Sperrzone mit einem Demonstrationsverbot um das Haus verhängt. Zugang zum abgesperrten Bereich haben nur Anwohner. Polizisten aus anderen Bundesländern unterstützen den Einsatz.

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"Rund um die Rigaer Straße 94 an den Absperrungen und auf den Dächern haben wir etwa 350 Kolleginnen und Kollegen im Einsatz, die dafür Sorge tragen, dass der Brandschutzprüfer seiner Aufgabe nachkommen kann", sagte ein Polizeisprecher am Donnerstagmorgen. Die Brandschutzprüfung war nach Angaben eines Anwalts des Hausbesitzers ursprünglich für 8 Uhr angesetzt.

Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts sind allerdings die Vertreter des Hausbesitzers von der Begehung und Prüfung ausgeschlossen. Die Bewohner müssten nur das Betreten des Grundstücks durch einen staatlich anerkannten Brandschutzexperten und die Bauaufsicht dulden, so das Gericht am Mittwoch. Eigentlich wollten neben dem offiziellen Experten auch zwei Anwälte des Eigentümers sowie ein weiterer von ihm beauftragter Sachverständiger mitgehen.

Ausschreitungen und Angriffe am Vortag

Am Mittwochvormittag hatten zahlreiche vermummte Gewalttäter Barrikaden errichtet, angezündet und die Polizei mit Steinwürfen angegriffen (t-online berichtete). Auch vom Dach der Rigaer Straße 94 seien Pflastersteine geflogen, so die Polizei. 60 Polizisten seien verletzt worden, viele davon leicht. Über der Straße lagen dichte Rauchschwaden, Böller explodierten in dichter Folge. Mit einem Wasserwerfer löschte die Polizei die Feuer. Die Polizei sprach von etwa 200 Angreifern.

Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann, hat die Angriffe auf die Polizei verurteilt. "Ich bin bestürzt und verärgert über das, was seit heute Vormittag im Samariterkiez passiert. Wir verurteilen die Gewalt und das Chaos, das dort gestiftet wird", teilte sie am Mittwochabend mit.

"Verteidigung hat begonnen"

Die Bewohner und ihre Unterstützer aus der linksradikalen Szene hatten schon lange Widerstand gegen die Begehung des Hauses angekündigt und immer wieder mit Gewalt gedroht. Am Mittwochmorgen schrieben sie im Internet: "Die Verteidigung der Rigaer94 hat begonnen." Die Straße werde "verbarrikadiert und eine autonome Zone eingerichtet, um die Rote Zone des Senats zu verhindern".

In dem Gebäudekomplex aus drei Häusern mit 30 Wohnungen wurden vor Jahren zahlreiche Mängel beim Brandschutz dokumentiert: fehlende Fluchtwege, Wanddurchbrüche, fehlerhafte Elektroleitungen und Sperren in Treppenhäusern. Für viele Wohnungen gibt es Mietverträge. Unklar ist aber, wer dort wohnt. Dem Hausbesitzer, der Polizei und den zuständigen Behörden wird der Zutritt seit langem verweigert. Der Anwalt des Hausbesitzers kündigte an, sollte das Brandschutzgutachten große Probleme zeigen, müssten unter Umständen Teile des Hauses gesperrt werden.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) teilte mit, es sei unglaublich, mit welcher Menschenverachtung vor allem Einsatzkräfte der Polizei und der Feuerwehr angegriffen und verletzt würden. "Der Rechtsstaat wird sich durchsetzen, die Straftäter werden verfolgt, und vor Gericht gestellt werden", so der SPD-Politiker.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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