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Berlin-Neukölln: Großer Andrang bei erster Schwerpunkt-Impfung


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Neuköllner warten fünf Stunden
Riesenandrang bei Berliner Impf-Modellprojekt


Aktualisiert am 14.05.2021Lesedauer: 4 Min.
Zahlreiche Impfwillige warten in Neukölln auf ihre Corona-Impfung: Bei dem Projekt können sich Anwohner festgelegter Straßen in einem Viertel mit hoher Inzidenz unbürokratisch impfen lassen.Vergrößern des Bildes
Zahlreiche Impfwillige warten in Neukölln auf ihre Corona-Impfung: Bei dem Projekt können sich Anwohner festgelegter Straßen in einem Viertel mit hoher Inzidenz unbürokratisch impfen lassen. (Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Großes Interesse bei der ersten Berliner Schwerpunktimpfung im Stadtteil Neukölln: Viele mussten am Freitag mehrere Stunden warten

In der Turnhalle der Schule in der Hänselstraße (Köllnische Heide) konnten sich am Freitag am ersten von drei Tagen Berliner und Berlinerinnen ab 18 Jahren impfen lassen. Kommuniziert wurde das Angebot erst seit Mittwoch, etwa über Aushänge in den Hausfluren, über Social Media und soziale Träger. Von dem großen Andrang wurde der Bezirk allerdings überrascht.

Um kurz vor 15 Uhr erklärt Christian Berg, Pressesprecher des Neuköllner Bezirksamtes gegenüber t-online: "Wir sind jetzt ungefähr bei 450 Geimpften. Ingesamt werden wir heute bis 18 Uhr 800 Menschen impfen."

"Es gibt keine große Impfskepsis"

Dabei hatte man zunächst nur mit 400 Dosen geplant. Zwischendurch wurde der Impfstoff vor Ort aufgestockt, als man merkte, dass das Interesse doch deutlich größer war als erwartet. "Wir haben ja erst vor zwei Tagen angefangen mit der Werbung. Es war ein bisschen unklar, wie viele Leute kommen", gibt Berg zu. Das große Interesse nennt er positiv. "Es gibt keine große Impfskepsis. Das ist die beste Botschaft, die wir haben können."

Jeder, der das Gelände betritt, wird eingangs gefragt, welches Vakzin er oder sie will. Die meisten entscheiden sich für Moderna, sagt Berg. Dabei war am Morgen zunächst die Schlange derer besonders lang, die lieber den Impfstoff von Johnson & Johnson haben wollten. "Vielleicht waren das Menschen, die schon Urlaubspläne haben und nicht wissen, ob sie beim Folgetermin hier sind, der ja bei Moderna nötig ist."

Vier Teams sind im Einsatz, die sich um den ganzen Ablauf von Registrierung über Aufklärung bis hin zum Piks kümmern. Pro Impfvorgang, sagt Pressesprecher Berg, sind vier bis sechs Minuten vorgesehen.

Schlange stehen für die Impfung

Vorwiegend junge Menschen stehen in der Schlange, die meisten zwischen 18 und 40 Jahre alt. Manche sind schon seit 9.20 Uhr hier, und es ist bereits 14.40 Uhr, als der Eingang des Schulgeländes für sie langsam in Sicht kommt. Ein junger Mann sagt: "Es scheint, als hätte man den Andrang unterschätzt. Als wir angekommen sind, reichte die Schlange einmal um den Block."

Viele Leute aus der Stuttgarter Straße sind unter den Wartenden. Die meisten haben über die Aushänge im Hausflur von der Impfaktion erfahren. Alle sind gut informiert und wissen, dass es entweder Moderna gibt oder Johnson & Johnson. Eine junge Frau (36) sagt, für Astrazeneca wäre sie nicht gekommen.

Die erste Schwerpunktimpfung ist ein gemeinsames Pilotprojekt des Senats und des Bezirksamts Neukölln. Es läuft bis zum 16. Mai jeweils von 10 bis 18 Uhr. Termine müssen nicht vereinbart werden. Eine Impfung kann bei hohem Andrang nicht garantiert werden. Nötig für die Impfberechtigung ist ein Ausweis mit der Meldeadresse, eine FFP-2-Maske und wenn möglich ein Impfpass. Geimpft wird mit den Impfstoffen der Firmen Johnson & Johnson sowie Moderna. Bei der Impfung mit Moderna ist einige Wochen später eine Zweitimpfung nötig.

Dass ihr Kiez immer als "sozialer Brennpunkt" bezeichnet wird, dafür haben die wenigsten hier Verständnis. Eine junge Frau vom Weigandufer sagt: "In den letzten 15 Jahren hatte ich da nie Probleme". Eine andere meint: "Ich lebe gut da, will da auch nicht mehr weg."

Ein junger Mann in der Schlange hinter ihnen erinnert an den Juni 2020, als Hunderte Berliner nach gehäuften Coronafällen unter Quarantäne standen. Betroffen waren mehrere Aufgänge eines Wohnblocks zwischen der Harzer und der Treptower Straße. Wer hier wohnt, gehört an diesen Tagen auch zu den Impfberechtigen.

Keine Info, ob man heute geimpft wird

Zwei junge Mütter sind mit ihren kleinen Kindern gekommen. "Ich finde die Aktion super", sagt eine von ihnen und fügt hinzu: "Wenn wir drankommen". Sie erlebt den Tag als ziemlich emotional. "Es gab komische Durchsagen. Dreimal ist ein Wagen vom THW durchgefahren, dreimal hieß es an alle gerichtet, die in der Sonnenallee im hinteren Teil der Schlange stehen: 'Es kann nicht garantiert werden, dass Sie heute geimpft werden'.” Dann sei länger gar keine Info mehr gekommen. Trotzdem harren die Frauen aus.

Eine Frau aus der Stuttgarter Straße hat einen Klappstuhl dabei. Den haben sie nachträglich von zu Hause geholt – und einen Schal. Sie warten auch schon seit 10 Uhr hier, bei Temperaturen um die 11 Grad. An sich findet sie die Aktion gut, die Organisation aber nennt sie miserabel. "Ich habe die Leute gezählt, die hier warten. 500 Leute standen bis zum Eingang vor uns, das ist drei Stunden her."

Sie fragt sich, wie man die 10.000 impfberechtigten Neuköllner in drei Tagen schaffen will. "Wie kann es sein, dass so wenig Dosen da sind, dass nicht mal 1.000 am ersten Tag geimpft werden können? Eine Frechheit!" Dazu kommen die Durchsagen, dass vielleicht nicht alle drankommen könnten. "Das ist total demoralisierend."

"Ein Schritt Richtung Freiheit"

Wer das Gelände geimpft wieder verlässt, ist zufrieden. Ein junger Mann aus der Weserstraße fühlt sich nur ein bisschen schwindelig. Er hatte sich für Johnson & Johnson entschieden. Warum? "Da war die Schlange kürzer."

Nach ihm tritt eine junge Familie frisch geimpft auf die Straße. Alle freuen sich so sehr, dass man es trotz Maske erkennen kann. "Ich fühle mich superwohl. Ein wichtiger Schritt Richtung Freiheit", freut sich Ahmad Al-Ali aus der Dieselstraße. Auch er hat Johnson & Johnson genommen, weil man nur eine Impfung braucht und nicht warten muss auf den zweiten Termin. "Ich habe Kinder, die wollen raus, was unternehmen", sagt er.

Mit Blick auf seine Schwester, die auch mit dabei ist, sagt er: "Wir haben uns so lange nicht gesehen. Darum geht’s doch: Dass wir bald alle wieder zusammensein können." Sehr gut findet sie die Aktion, sagt seine Schwester Ibtissam Al-Ali. "Das sollten alle in Anspruch nehmen!".

Ab und zu kommen Passanten vorbei, die sich bei den Leuten in der Schlange erkundigen, wie es vorangeht. Die Impflinge in spe raten ihnen: "Bringt was zu essen mit, wenn Ihr morgen kommt – und eine Sitzgelegenheit!"

Verwendete Quellen
  • Recherche vor Ort
  • Gespräch mit Christian Berg, Pressesprecher des Neuköllner Bezirksamtes
  • Gespräche mit Passanten
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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