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Corona/Berlin: Shopping tötet? Warum Regierungschef Müller den Ton ändert


"Krieg gegen Einkäufe"
Shopping tötet? Warum Regierungschef Müller jetzt Druck macht

Von dpa, t-online, ags

Aktualisiert am 11.12.2020Lesedauer: 3 Min.
Michael Müller: Berlins Regierender Bürgermeister hat einen Lockdown angekündigt.Vergrößern des Bildes
Michael Müller: Berlins Regierender Bürgermeister hat einen Lockdown angekündigt. (Quelle: Emmanuele Contini/imago-images-bilder)

Michael Müller hat mit einer dramatischen Rede für Aufsehen gesorgt: Shopping, Restaurant- oder Kinobesuche führten zu mehr Corona-Toten. Seine Worte hat er bewusst gewählt

"Es geht nicht anders", sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller in einer Sitzung des Abgeordnetenhauses am Donnerstag. Was er sagen wollte: Ein harter Lockdown für Berlin ist unausweichlich. Der SPD-Politiker kündigte erneute Einschränkungen für den Einzelhandel und Schulen zur Eindämmung der Corona-Pandemie an. Eine seiner Aussagen zur Schließung von Geschäften sorgte jedoch für Schlagzeilen.

"Wie viele Tote sind uns denn jetzt ein Shoppingerlebnis wert?", fragte Müller die Kritiker der Corona-Maßnahmen. "Wie viele Tote wollen wir für einen schönen Restaurantbesuch in Kauf nehmen? Wie viele für einen Kinobesuch?", so Müller weiter.

Manche Medien sprachen von einer "emotionalen Rede", andere interpretierten das gar als einen "Psychokrieg gegen Weihnachtseinkäufe". Jeder, der einkaufen gehe, solle sich schuldig fühlen, als ein "Mörder" gelten, schreibt die "Bild" in gewohnt zugespitzter Form.

Hat Müller also die Nerven verloren? Wohl eher nicht.

Die provokanten Worte sollen vor allem eines unterstreichen – dass die neuen Maßnahmen aus seiner Sicht alternativlos sind. Denn natürlich will kein Mensch für den Tod eines anderen Mitbürgers verantwortlich sein. Müller sagt, er habe Verständnis für die existenziellen Sorgen der betroffenen Händler und Handwerker, die "Gesundheit der Berliner" sei ihm aber wichtiger. Das ist der erste Grund für seine drastischen Worte.

Ein zweiter dürfte die angespannte Lage auf Berliner Intensivstationen sein. Der Vorstandsvorsitzende der Berliner Charité, Heyo K. Kroemer, hat am Freitag vor einer Überlastung der Krankenhäuser gewarnt. Die Lage sei angespannt. Für die Versorgung der Covid-19-Patienten seien viele Ärzte und Pfleger von anderen Stationen abgezogen worden. Eine Reihe anderer Aufgaben sei dadurch nicht mehr möglich, so Kroemer. Laut dem letzten Lagebericht vom Donnerstag befinden sich in Berlin 1.322 Corona-Patienten in stationärer Behandlung.

Wer hat hier Panik?

Diese beiden Gründe haben Müller veranlasst, seine Rhetorik deutlich zu verschärfen, im Gegensatz zu den vergangenen Wochen. Seit Oktober gilt Berlin als Risikogebiet, in einzelnen Bezirken stiegen die Infektionszahlen teils dramatisch. Doch es passierte zunächst: kaum etwas. Keine drastischen Maßnahmen, kein strenges Durchgreifen. Jetzt allerdings ist die zweite Welle mit voller Wucht da. Nun ist klar: Es muss etwas passieren.

Aber warum bezieht er sich so ausdrücklich auf den Einzelhandel?

Auch dahinter steckt eine Strategie. Schulen und Einzelhändler sind noch offen. Einkaufen ist in einer Zeit, in der Kultureinrichtungen, Sportklubs, Bars und Lokale geschlossen sind, in der Hauptstadt zu einer Art Freizeitbeschäftigung und sozialem Akt geworden. Das wird zum Problem. Müllers oberstes Ziel ist jetzt die Kontaktvermeidung. Der Einzelhandel bietet dabei noch großes Potenzial.

Müller habe sich das selbst auf Berlins Shoppingmeile angesehen, sagte er. "Jeder müsse mal Geschenke kaufen", so der Bürgermeister. Aber was auf dem Tauentzien los sei, "geht einfach nicht". Es sei viel los, es gäbe ein dichtes Gedränge.

Deshalb will Müller nun handeln – und dem Shopping ein Ende setzen. Am Abend sagte er in der Fernsehsendung "Markus Lanz", der Lockdown könnte ab dem 20. Dezember gelten. Drei Wochen harter Einschränkungen werden dafür sorgen, dass die Inzidenzen "mit Sicherheit runter gehen", sagte Müller.

"Müssen mehr machen"

Der Teil-Lockdown war keine Trendwende im Kampf gegen die Pandemie – das weiß auch der Bürgermeister. Selbstkritisch sagte er: "Die mit den hohen Zahlen müssen mehr machen". Auch wenn vor allem seine Shopping-Schelte bundesweit für Schlagzeilen sorgte, sind deshalb auch andere Maßnahmen geplant. Zum Beispiel bleibt es etwa bei maximal fünf Kontakten zu Weihnachten.

Auch Glühweinstände stehen in der Kritik, Menschenmassen anzuziehen und so die Kontaktbeschränkungen zu unterwandern. In einigen Städten wie München, Köln und Hamburg wurden sie bereits verboten oder eingeschränkt, wie t-online berichtete. Nicht so in Berlin, hier treffen sich Menschen immer noch zum Glühweintrinken.

Doch auch hier wird jetzt durchgegriffen. "Das werden wir höchstwahrscheinlich auch einschränken", sagte Müller. "Ich gehe davon aus, dass es mit der nächsten Senatssitzung am Dienstag zugemacht wird", so der Bürgermeister.

Ein Adventswochenende liegt noch dazwischen – es wird zeigen, ob Müllers Appell schon vorab gewirkt hat.

Verwendete Quellen
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