Berlin Ex-Präsident: Der Ton im Parlament ist rauer geworden

Berlins bisheriger Parlamentspräsident Ralf Wieland sieht die Entwicklung der Diskussionskultur im Abgeordnetenhaus kritisch. "Der Ton ist rauer geworden", sagte der 64-Jährige, der bei der Wahl am 26. September nicht noch einmal angetreten ist, der Deutschen Presse-Agentur vor der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments an diesem Donnerstag. Der Sozialdemokrat, der das Amt nach zehn Jahren abgegeben hat, macht dafür nicht zuletzt die AfD verantwortlich, die erstmals 2016 ins Abgeordnetenhaus einzog. "Die AfD hat bewusst das Mittel der Provokation eingesetzt, um Reaktionen, die auch Regelverstöße mit sich brachten, zu provozieren", sagte Wieland.
"Dadurch hat sich das Klima schon deutlich verändert, nicht so schlimm vielleicht wie in Thüringen oder im Deutschen Bundestag bei einigen Debatten." Der Unterschied sei aber schon spürbar, sagte Wieland. "Das gilt auch für das Verhalten gegenüber Frauen im Parlament." Es sei zu bemerken, dass eher gestört und dass Gemurmel lauter werde, wenn Frauen eine Rede halten. "Es ist manchmal schwierig, das zu ahnden vom Präsidium aus", ist Wielands Erfahrung. "Wir haben regelmäßig im Ältestenrat daran appelliert, dass sich alle darauf besinnen, die Regeln einzuhalten. Aber es ist schon ein Unterschied zu den Wahlperioden davor."
Wieland würde sich mehr Interesse der Berlinerinnen und Berliner am Parlamentsgeschehen wünschen. "Meine Erwartungshaltung ist nicht, dass jeder Bürger bei jeder Plenarsitzung stundenlang mit dabei ist", sagte er. "Aber mal reinzuschauen, sich zu informieren, wird da was besprochen, was von besonderem Interesse ist, die A100 oder Parkplätzewegfall in der Innenstadt, das wäre schon gut", so der SPD-Politiker.
Bei den Beratungen in den Ausschüssen sei das häufiger als früher der Fall. "Über das Internet können Sie live mit dabei sein oder auch ins Abgeordnetenhaus kommen", sagte er - auch wenn es dabei wegen der Corona-Pandemie zuletzt deutliche Einschränkungen gegeben habe. Bei den regelmäßigen stundenlangen Plenarsitzungen sei nicht zu erwarten, dass die Hälfte der Berliner dann vor den Bildschirmen sitzen würde, um den Livestream zu verfolgen. "Das wär zwar schön, aber es ist nicht so."