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Berlin: Linksextremisten gestehen versuchten Anschlag nach 30 Jahren


Gescheiterter linker Sprengstoffanschlag
Prozess nach 30 Jahren: "Wollte mal wieder in Berlin sein"


17.03.2025 - 17:19 UhrLesedauer: 3 Min.
Prozess gegen mutmaßliche LinksextremistenVergrößern des Bildes
Die Angeklagten Peter K. (l.) und Thomas W. (r) mit Anwalt Benjamin Derin: Viel Unterstützung aus dem Publikum. (Quelle: Soeren Stache/dpa/dpa-bilder)
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Nach dem Versuch, ein Abschiebegefängnis zu sprengen, flohen 1995 drei Linksextremisten nach Venezuela. Nun haben sich zwei von ihnen gestellt und die Taten eingeräumt.

Nach fast drei Jahrzehnten in Südamerika sind sie wieder da. Thomas W. und Peter K., ehemalige Mitglieder der linksextremistischen Gruppe "Das K.O.M.I.T.T.E.E.". Sie stehen vor dem Berliner Kammergericht, weil sie 1995 versucht hatten, einen Sprengstoffanschlag auf ein im Bau befindliches Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau zu verüben. Sie sind wegen Verabredung der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion angeklagt.

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Nachdem der Anschlag in der Nacht zum 11. April 1995 gescheitert war, hatten W., K. und ihr inzwischen verstorbener Komplize Bernhard H. sich nach Venezuela abgesetzt und dort ein neues Leben begonnen. K. betreibt dort heute einen Bio-Bauernhof. Jetzt sind sie freiwillig wieder eingereist. Grund dafür ist eine vorher ausgehandelte Vereinbarung zwischen Bundesanwaltschaft, Gericht und den Anwälten der Angeklagten.

Der Deal sieht vor, dass die Angeklagten die Ihnen vorgeworfenen Taten gestehen. Im Gegenzug erhalten sie eine Haftstrafe zwischen einem Jahr und zehn Monaten und zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Voraussetzung dafür sei, dass sich zwischenzeitlich keine neuen Erkenntnisse ergeben, die die strafrechtliche Bewertung der Taten grundsätzlich verändern, erklärt Richter Gregor Herb. "Davon ist aber nicht auszugehen."

Prozess unter strengen Sicherheitsvorkehrungen

Der Andrang beim Prozessauftakt ist groß. Viele alte Genossen der Angeklagten beobachten die Verhandlung als Zuschauer. W. und K. grüßen freudig, als sie bekannte Gesichter erblicken, es werden in die Luft gereckte linke Fäuste und Peace-Zeichen ausgetauscht.

Der Prozess findet vor dem Kammergericht unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Journalisten und Zuschauer werden gründlich gefilzt. Technische Geräte, Armbanduhren, Portemonnaies, alles muss draußen bleiben. Sogar die Kugelschreiber, mit denen die Journalisten sich Notizen machen, werden vor Ort verteilt. Grund dafür ist nach Gerichtsangaben aber nicht das Verfahren selbst, sondern der Gerichtssaal. Denn dort findet derzeit auch der Prozess gegen einen BND-Mitarbeiter statt, der für Russland spioniert haben soll. Um zu verhindern, dass jemand den Saal verwanzen könnte, müssten die hohen Sicherheitsvorkehrungen aufrechterhalten werden, heißt es.

Kurz nach Verhandlungsbeginn lassen die Angeklagten ihre Anwälte die vereinbarten Geständnisse verlesen. Sie räumen ein, im April 1995 120 Kilogramm Sprengstoff in Propangasflaschen gefüllt zu haben, um den "Abschiebeknast" hochzujagen. Um 3.30 Uhr nachts sollte der Sprengstoff per Zeitzünder zur Explosion gebracht werden. Vorher hätten sie mehrfach nachts die Baustelle ausgekundschaftet, um sicherzugehen, dass sich dort keine Menschen aufhalten, die zu Schaden kommen könnten. Im zurückgelassenen Auto der drei wurden neben ihren Personalausweisen auch Hinweisschilder gefunden, die sie in der Umgebung des Gefängnisses anbringen wollten. "Achtung, Lebensgefahr!", stand darauf. Auch die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagten keinem Menschen schaden wollten.

Zufällig vorbeifahrende Streife durchkreuzte Anschlagsplan

Der Anschlag scheiterte, weil die drei Männer auf einem Parkplatz in der Nähe des Gefängnisses von einer zufällig vorbeikommenden Polizeistreife überrascht wurden. Sie fühlten sich entdeckt und ergriffen die Flucht. Es war nicht die erste geplante Tat der Gruppe. W. und K. räumen in ihren Geständnissen auch ein, vorher einen Brandanschlag auf ein Kreiswehrersatzamt der Bundeswehr in Brandenburg begangen zu haben. Diese Tat ist inzwischen verjährt.

Die Angeklagten lassen in ihren Erklärungen durchblicken, dass sich an ihren Überzeugungen nichts geändert hat. "Wir waren und ich bin heute noch überzeugt, dass Abschiebungen gegen die Menschenwürde verstoßen", lässt K. verlesen. W. bezeichnet Abschiebungen als "unerträglich".

Peter K. liefert auch die Erklärung, warum sich die Angeklagten nach all den Jahren überhaupt auf einen Deal eingelassen und sich freiwillig gestellt haben. "Weil ich gerne mal wieder in Berlin sein wollte, um alte Freunde zu treffen, haben wir uns entschieden, uns dem Verfahren zu stellen."

Zuschauer skandieren Parolen

Teil des Deals ist es auch, dass die Angeklagten gegen Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen werden, in der sie sich seit ihrer Einreise nach Deutschland vergangene Woche befinden. Bis zum Urteil, das am 8. April erwartet wird, müssen sie sich zweimal wöchentlich auf einer Polizeidienststelle melden. Thomas W. darf das in Süddeutschland tun, wo er Angehörige besuchen will.

Zum Ende des Prozesstages nach etwa zwei Stunden Verhandlung machen sich die linken Unterstützer im Saal bemerkbar. Einige von ihnen skandieren lautstark "Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord. Bleiberecht für alle, Bleiberecht sofort." Richter Herb nimmt die Aktion gelassen. "Dann bis morgen also", sagt er. Dann soll der Prozess mit der Aussage eines Polizisten weitergehen, der an den Ermittlungen gegen die Gruppe beteiligt war.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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