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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Beirut-Sänger Zach Condon Der Mann, der den Berliner Winter liebt
Die US-Indie-Band Beirut spielt drei Shows im Tempodrom. Für Sänger und Wahl-Berliner Zach Condon ein Grund zur Freude – obwohl die Angst davor sehr groß ist.
Zach Condon wandert durch sein Dachstudio wie ein verträumtes Kind durch den Spielzeugladen. Immer wieder visiert er neue Instrumente an, die eng nebeneinander aufgereiht sind. Nachfragen dazu quittiert der 37-Jährige mit einem Lächeln, ehe er sich in Geschichten einzelner Trompeten, Klaviere und Synthesizer vertieft. Besonders stolz ist er auf seine Pumporgel aus dem 19. Jahrhundert. Er setzt sich hin, stellt den Fuß auf das Pedal und legt die Hände an die Tastatur. Ein orchestraler Klang hallt durch den Raum. "Wunderschön, oder?", fragt er.
Hier in Berlin-Lichtenberg, unweit des Bahnhofs, hat es sich der Kopf der Indie-Folkband Beirut heimisch gemacht. Nach turbulenten Jahren in New York City, Istanbul und Paris sowie weltweiten Touren ist es ruhiger um Condon geworden. Schon früh in seinem Leben kämpfte der US-Amerikaner mit Depressionen und Ängsten. Seit einer Tourabsage im Jahr 2019 haben sich die Probleme aber intensiviert, sagt er. Trotzdem möchte er nun nach fünf Jahren sein Live-Comeback geben. Sein neues Album "Hadsel" präsentiert er im Februar an drei Abenden im Berliner Tempodrom. In der Stadt, die für ihn so wichtig ist.
Zach Condon und seine Band Beirut
Zach Condon wuchs in Santa Fe (USA) auf. Er bereiste Europa – für ihn der "Gegenpol zu Amerika" – bereits in frühen Jahren. Seine Musik ließ er von verschiedensten Kulturen des Kontinents inspirieren. Beirut machen melodischen Pop, verfeinert mit Musik der Roma und anderen osteuropäischen Einflüssen. 2006 erschien das Debüt seiner Band mit dem Titel "Gulag Orkestar". Condon war da 19 Jahre alt. Das Album und die darauffolgenden Werke sind bis heute stilprägend für viele Bands der alternativen Musikkultur. Er feierte große Erfolge in der Indieszene.
Das erste Mal in Berlin war Condon Anfang der 2000er Jahre. Eine "Walking-Tour" durch Mitte führte ihn an vielen grauen sowjetischen Gebäuden vorbei. "Wenn ich heute durch die Stadt laufe, spielt sich die Geschichte dieser Orte vor meinen Augen ab", sagt Condon. "Und ich sehe mein junges Ich, fasziniert von dieser historisch geprägten Stadt". Condon, der sich selbst als Nachtperson bezeichnet, liebt insbesondere den Winter und die Dunkelheit, die Berlin umgibt.
2017 zog Condon deshalb in die deutsche Hauptstadt. Er lebte zunächst im hippen Kreuzberg nahe dem Viktoriapark. "Aber der Bezirk ist in seiner eigenen Welt verloren", sagt der 37-Jährige. Dieser Bubble, in der aus seiner Sicht jeder so lebt, als sei die Welt ein Spielplatz, wollte er entkommen: "Ich habe mich gefühlt, als sei ich in der Highschool. Es war wie Brooklyn 2.0. Ich fand das sehr frustrierend".
Condon: "Das ist mein Problem, ich habe kein richtiges Zuhause"
In Lichtenberg, wo er seit Corona wohnt, seien die Menschen bodenständiger, zurückhaltender und realistischer. Eigenschaften, die er an den Deutschen liebt. "Den Leuten ist ihre Arbeit wichtiger als irgendeine Art von Status und Aufmerksamkeit", sagt Condon. Das passe zu ihm, er selbst stehe ungern im Mittelpunkt. Im Gespräch wählt er seine Worte bedacht, greift immer wieder zu Instrumenten und spielt unbewusst auf ihnen herum – so, als würden sie ihm Schutz geben.
Als seine Heimat kann er Berlin aber nicht bezeichnen, sagt Condon. "Das ist mein großes Problem, ich habe kein richtiges Zuhause". Obwohl er seinen Geburtsort Santa Fe liebe, wolle er aus verschiedenen Gründen nicht in den USA leben. Und in Berlin fühle er sich, wie bereits in der Türkei und in Frankreich, als eine Art externer Beobachter. Als jemand, der zu keiner Kultur richtig dazugehört.
Ihn belastet das sehr, so Condon. Manchmal wache er in Panik aus Albträumen auf und frage sich, wo er hingehört. "Die Leute denken ständig, dass ich durch diese Weltmusik, die ich mache, der ewige Reisende bin, dass mir das Leben auf Tour zusagt. Aber das ist nicht der Fall."
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Gezeigt habe ihm das ein Zusammenbruch im Jahr 2019. Beirut war zu diesem Zeitpunkt auf einer weltweiten Tour zum Album "Gallipoli" unterwegs. Er habe ein Jahr zuvor aufgehört, Alkohol zu trinken und damals gedacht, er sei von all seinen Problemen befreit. Das Gegenteil war der Fall: "Jedes Mal, wenn ich einen Fuß für eine Tour auf die Straße gesetzt habe, kickten die Depression und die Angst rein. Ich wurde krank, auch körperlich, und wusste nicht mehr, was ich tue". Condon sagte die Tournee ab. Konzerte in Europa, aber auch in Mexiko und in den USA fielen aus. Er musste seiner Band mitteilen, dass sie ohne Geld nach Hause müssen.
Bis zum heutigen Tag – rund fünf Jahre nach dem Kollaps - hat er nicht mehr live gespielt. Er realisierte, dass er sich über 15 Jahre lang mit den weltweiten Touren gegen sein Naturell gequält hatte. Die Art und Weise, wie er die Welt sah, war verzerrt und falsch gewesen, sagt der 37-Jährige. Condon gibt zu, dass ihn das Jahr 2019 traumatisiert habe. "Ich dachte, dass meine Karriere vorbei ist. Dass ich in den Hintergrund rücke und niemand mehr an meine Musik denken wird".
Von Berlin in den Norden Norwegens
Seine Freundin – eine Berlinerin – fasste den Entschluss, die deutsche Hauptstadt zusammen mit ihm zur Ablenkung für eine bestimmte Zeit zu verlassen. So verbrachte Condon Anfang 2020 zwei Monate in einem kleinen Dorf nahe den Lofoten in Norwegen. Dort, wo es noch dunkler und kälter ist als im Berliner Januar. Für Condon, wie er selbst sagt, perfekte Bedingungen zur Heilung. Hier würde er zur Ruhe kommen, so die Überlegung damals.
Da der Musiker nicht lange ohne seine Instrumente auskommt, brachte er einige aus seinem Berliner Dachstudio mit in den Norden. Zudem gab es in der Unterkunft des Paares eine Orgel. In Norwegen fand er viele Freunde, viel mehr als je in Berlin zuvor. Und so führte ein Mann namens Oddvar das Paar eines Tages in die Kirche des Dorfes. Auch dort: eine Pumporgel, die er regelmäßig nutzte. Condon hatte sich nach eigenen Angaben schnell in den Ort namens Hadsel verliebt – und entschied sich, sein neues Album danach zu benennen.
In einer deutlich besseren mentalen Verfassung und mit vielen Soundschnipseln im Gepäck ging es zurück in das Dachstudio seiner Wohnung in Berlin. Über drei Jahre arbeitete er dort an der Platte. Es ist das erste Album seit seinem Debüt, das er komplett selbst geschrieben hat. Auch deshalb entschied sich Condon dafür, die Songs live im Tempodrom zu performen, sagt er.
"Die besten Dinge meines Lebens sind in Berlin passiert"
"Die Angst wird nie ganz weg sein. Aber ich habe gelernt, besser mit ihr umzugehen", so Condon. Der 37-Jährige gibt zu, dass die Konzerte in Berlin eine Art Kompromiss, aber auf jeden Fall die richtige Entscheidung seien. Er liebe es, wie Live-Musik klingt und wisse, dass viele seiner Fans sich nach Konzerten sehnen. Der Fakt, dass zudem Freunde aus Norwegen zu den Gigs kommen, berühre ihn: "Das hilft mir, aus meinen negativen Gedankenspiralen herauszukommen." Dass er zudem nicht kontinuierlich reisen muss und in seinem eigenen Bett in Lichtenberg schlafen kann, helfe zusätzlich.
Condon bereitet sich derzeit intensiv auf die Konzerte vor. Er wolle der Stadt etwas zurückgeben. "Die besten Dinge meines Lebens sind hier in Berlin passiert", resümiert Condon. Und Berlin, so scheint es, nimmt das dankend an. Zwei der drei Shows sind bereits restlos ausverkauft.
- Gespräch mit Zach Condon in seinem Studio in Berlin-Lichtenberg