Untersuchung veröffentlicht Plagiate auf jeder zweiten Seite: So deutlich schrieb Schreiner ab
Die Berliner Umweltsenatorin gerät unter Druck: In ihrer Arbeit haben Experten Dutzende Plagiate gefunden. Wie geht es nun weiter?
Auf deutlich mehr als jeder zweiten Seite sind Plagiatsjäger in der Doktorarbeit von Berlins Umwelt- und Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) fündig geworden: Am Dienstag hieß es auf dem Portal "VroniPlag Wiki", für das ehrenamtliche Fachleute Dissertationen analysieren, dass auf 118 von 169 untersuchten Seiten Plagiate entdeckt worden seien. Dies entspreche einem Anteil von 69,8 Prozent aller Seiten.
Die Forscher schätzten, dass damit mindestens 19 Prozent des Textes im Hauptteil der Arbeit eine verschleierte Kopie anderer Werke sind. Zuerst hatte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) berichtet.
Schreiner ist Juristin und gehört dem schwarz-roten Berliner Senat seit Ende April an. Anfang August hatte sie mitgeteilt, dass sie ihre Doktorarbeit aus dem Jahr 2007 von der Universität Rostock überprüfen lassen wolle.
Schreiner und Senat schweigen zu Vorwürfen
Zuvor hatte es Berichte über Unregelmäßigkeiten in der Dissertation zum Thema "Arbeitnehmerberücksichtigung im Übernahmerecht" gegeben. Die Universität hatte kurz darauf mitgeteilt, dass die Überprüfung wohl bis zum Frühjahr 2024 dauern werde.
Gegenüber dem "Tagesspiegel" lehnte ein Sprecher Schreiners einen Kommentar ab: "Die Vorwürfe der Online-Plattform Vroniplag sind das eine – wir möchten und werden die Art des Vorgehens aktuell nicht bewerten." Man warte auf das Ergebnis der Universität Rostock.
Der Frankfurter Rechtsprofessor Roland Schimmel hatte Schreiners fragwürdige Arbeit in einem Fachartikel in der "Neuen Juristischen Wochenschrift" Anfang August bekannt gemacht: Dort hat Schimmel über sogenannte "Bauernopfer" in akademischen Arbeiten berichtet und in diesem Zuge Schreiners Arbeit als Beispiel genannt. Unter dem Begriff verstehen Plagiatsjäger unsauber markierte Textübernahmen aus anderen Arbeiten.
Wie schwerwiegend sind die Plagiate in Schreiners Arbeit?
Laut dem Portal "VroniPlag Wiki" sind die meisten der mutmaßlichen Plagiate in Schreiners Doktorarbeit der Kategorie "Bauernopfer" zuzuordnen. "Das heißt, die Quelle der Übernahme ist genannt, jedoch der Umfang und ggf. der wörtliche Charakter der Übernahme ist nicht gekennzeichnet", so die Erläuterung. Bei der Mehrzahl der "Bauernopfer" seien kosmetische Veränderungen am Text vorgenommen worden.
"Es gibt jedoch auch (zumeist kürzere) Passagen, die ohne Verweis auf die Quelle übernommen wurden", so das Portal weiter. Zudem soll Schreiner nach Feststellung der Plagiatsjäger mehrfach gleich seitenweise Texte aus anderen Quellen wörtlich oder leicht umformuliert übernommen haben, ohne sie korrekt zu kennzeichnen.
Die jetzige Berliner Wirtschaftssenatorin und frühere Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sah sich ebenfalls mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert. Im Juni 2021 wurde ihr von der FU Berlin der Doktortitel in Politikwissenschaft wegen Täuschung bei der Übernahme fremder Inhalte in ihrer Dissertation aberkannt.
Kurz zuvor hatte Giffey im Zuge der Plagiatsaffäre ihr Amt als Bundesfamilienministerin aufgegeben. Nach der Wahl im September 2021 war die SPD-Landesvorsitzende dann ins Berliner Rathaus eingezogen. Nach der Wiederholungswahl im Februar 2023 wurde Kai Wegner (CDU) Berlins Regierungschef.
- tagesspiegel.de: Dissertation von Berlins Verkehrssenatorin Schreiner: Bericht zeigt "zahlreiche und umfängliche Plagiatsbelege"
- Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa