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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hinweis auf den Handys Gefahr durch Löwen kennt die Warn-App nicht
Es ist eine für Deutschland absurd klingende Warnung: frei laufender Löwe. Über Warn-Apps gingen die Hinweise an die Bevölkerung, vorbereitet war so ein Fall aber nicht.
Und plötzlich schickt die Warn-App auf dem Handy die "Warnung vor freilaufender Raubkatze - Kleinmachnow, Stahnsdorf, Teltow". Was die Regionalleitstelle Brandenburg an der Havel um 0.58 Uhr am Donnerstag auslöste, hatte es so zumindest noch nicht oft gegeben und musste händisch ausgefüllt werden. Eine Vorlage ist nicht eingerichtet, heißt es etwa vom Fraunhofer-Institut Fokus, dem technischen Dienstleister hinter KatWarn, einem der beiden großen Warnsysteme. "Wenn das gewünscht wäre, könnten wir auch die Warnung aufnehmen, aber Löwen und Tiger reißen hoffentlich nicht oft aus."
Die Warnmeldung in Brandenburg und eine spätere der Feuerwehr Berlin für angrenzende südliche Berliner Stadtteile waren jeweils über das Modulare Warnsystem (MoWaS) erstellt worden. Von dort werden sie auf die verschiedenen Apps ausgespielt. So wurden sie umgehend den Nutzern der beiden großen Systeme angezeigt: KatWarn, aufgebaut auf Ebene der Landkreise auf Betreiben der Versicherer, und Nina vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).
Warnmeldung nach Protokoll aufgebaut
Für die reibungslose Übernahme werden Meldungen nach einem international einheitlichen Standard erstellt, dem CAP (Common Alerting Protocol). Dort gibt es auch eine Liste mit vordefinierten Ereigniscodes: Für entsprechende Ereignisse sind Meldungen bereits vorbereitet. Das bedeutet, dass für Leitstellen entsprechende Textbausteine und Symbole hinterlegt werden. Sie können auf Voreinstellungen zu Ereigniscodes zurückgreifen, wenn das Geschehen dazu passt.
Der Katalog bei KatWarn führt beispielsweise auch seltenere Fälle wie Deichbruch, Tierseuche, Flugzeugabsturz oder sogar Kerntechnischer Störfall und Pandemieausbruch auf. In der umfangreichen kompletten Liste internationaler Ereigniscodes gibt es zwar auch "AnimalDang" für die Warnung vor gefährlichen Tieren. Freigeschaltet ist das Szenario für eine herumstreunende Raubkatze aber nicht, sagt Niklas Reinhardt von KatWarn-Betreiber Fraunhofer. Auch das BBK bestätigt, dass es eine Kategorie "freilaufendes gefährliches Wildtier" derzeit nicht gebe. "Wir prüfen aber regelmäßig die Kategorien und Ereignisse auf Aktualität und passen diese bei Bedarf an."
Sonderfall wird frei formuliert
Wenn der Katalog mit vielen freigeschalteten Ereigniscodes zu umfangreich sei, gehe das auf Kosten der Übersichtlichkeit. Vor Tiger oder Löwe in der Nachbarschaft müssen Polizei und Feuerwehr selten warnen. Einen vergleichbaren Fall hatte es am 1. Juni 2018 gegeben, als nach einem Unwetter bei Trier befürchtet worden war, dass zwei Löwen, zwei Tiger und ein Jaguar aus einem Zoo entkommen seien. Ein ausgerissener Bär wurde tatsächlich erschossen. Die Meldung lautete: "Gefährliche Wildtiere". Am 25. August 2019 wurde in Herne gewarnt: "Schlange/Kobra".
Für diese im System nicht hinterlegten Fälle mussten die Disponenten und Disponentinnen Meldungen mit dem allgemeinen Ereignis "Warnung" erstellen. Hinterlegt sind aber auch dafür Bausteine mit Handlungsempfehlungen, die angewählt werden können.
Die Leitstellen haben auch die Möglichkeit, über das sogenannte Cell Broadcasting an alle Handys in einer Funkzelle Nachrichten zu senden, auch wenn keine Warn-App installiert ist. Im Fall der Löwin mitten in der Nacht wurde davon nach Angaben der Regionalleitstelle Brandenburg an der Havel abgesehen, weil die Gefahr als nicht so hoch eingeschätzt wurde.
- Anfragen an Fraunhofer-Institut FOKUS, Bundesamt für Katastrophenschutz, Feuerwehr Berlin und Leitstelle Brandenburg a. d. H.