Zwei Bezirke stechen hervor Tausende Angriffe auf Ukrainer in Berlin
Immer wieder werden Geflüchtete aus der Ukraine Opfer von Attacken. Jetzt gibt es konkrete Zahlen – und die sind hoch.
Zwei Ukrainerinnen werden in der U-Bahn von drei russischsprechenden Männern beleidigt und geschlagen. Sechs Männer attackieren am Bahnhof Friedrichstraße einen Ukrainer mit Fäusten, Tritten und einer Glasflasche. Zwei russischsprachige Angreifer prügeln einen jungen Flüchtling aus Kherson bewusstlos.
Drei Attacken, die offenbar symptomatisch sind: In den vergangenen zwölf Monaten war im Vergleich zum Anteil in der Gesamtbevölkerung das Risiko für einen Menschen aus der Ukraine in Berlin Opfer einer Körperverletzung zu werden mehr als zweieinhalb mal so hoch.
3.250 Straftaten in Berlin in einem Jahr
Das geht aus einer Antwort von Senat und Polizei auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Catrin Wahlen und Vasili Franco hervor, die t-online vorliegt. Auch der Anteil bei den Bedrohungen liege deutlich über dem Durchschnitt, sagte Franco. Eine mögliche Erklärung könnte ein "höheres Maß an Hasskriminalität" sein.
Konkret registrierte die Polizei vom Kriegsbeginn Ende Februar 2022 bis zum diesjährigen Februar 3.250 Straftaten, bei denen je mindestens ein Mensch aus der Ukraine geschädigt wurde.
Diebstahl, Körperverletzung, Betrug, Bedrohung
Auffällig war die hohe Zahl der Taten vor allem in den Bezirken Mitte (640) und Charlottenburg-Wilmersdorf (484). In den anderen Bezirken waren es deutlich weniger.
Gehäuft kamen vor allem Diebstähle vor (1.294), dann Körperverletzungen (704), Betrug (301), Bedrohung (234) und Beleidigung (117). Zu rund 1.200 der insgesamt 3.250 erfassten Straftaten stellte die Polizei einen Verdächtigen oder mutmaßlichen Täter fest. Dabei ging es oft um Körperverletzungen (575), Bedrohungen (187) und Beleidigungen (86).
Polizei kann zu Motiven nichts sagen
Der Grünen-Innenpolitiker Franco betonte, ukrainische Flüchtlinge würden immer wieder von verbalen und physischen Übergriffen wegen ihrer Nationalität oder Sprache berichten. Die vorliegenden Zahlen würden daher auch entsprechende Warnungen ukrainischer Organisationen bestätigen.
Zu den Motiven allerdings schweigt die Polizei: Ob unter den Straftaten auch viele politisch begründete Verbrechen mit einem Bezug zum Krieg Russlands gegen die Ukraine waren, können die Beamten nicht sagen.
Franco findet, die Polizei sei gefordert, das zu klären. Dass die politische Motivation der Verdächtigen unbekannt sei, "ist mehr als bedauerlich", so Franco.
Ein weiteres Problem sieht er im mangelnden Eifer beziehungsweise Tempo der Justiz: Bisher hätten nur 23 Ermittlungsverfahren zu einer Anklage vor Gericht geführt. Dass zwei Drittel der Körperverletzungs-Verfahren von der Staatsanwaltschaft eingestellt werden, werfe ebenfalls Fragen auf. "Diese Entwicklung muss sich auch der Senat genauer ansehen."
- Senats-Antwort auf die Anfrage von Catrin Wahlen und Vasili Franco
- Eigene Recherchen
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa